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1899

Die deutsche Netflix-Serie Dark hat in der ganzen Welt Fans durch ihre fast schon manische Komplexität gewinnen können. Nach drei Staffeln und einem perfekten Finale war Schluss. Doch die Macher sind nun zurück. Das neue Werk heißt 1899 – und hier erfahrt ihr, ob auch diese Mystery-Serie Hitpotenzial hat.

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Titel1899
Jahr2022
LandDeutschland
RegieBaran bo Odar
DrehbuchJantje Friese
GenreSerien
DarstellerEmily Beecham, Aneurin Barnard, Andreas Pietschmann, Miguel Bernardeau, Maciej Musial, Lucas Lynggaard Tønnesen, Rosalie Craig, Clara Rosager, Maria Erwolter, Yann Gael, Mathilde Ollivier, José Pimentão, Isabella Wei, Gabby Wong, Jonas Bloquet, Fflyn Edwards, Alexandre Willaume, Anton Lesser
Länge8 Folgen mit je 45-60 Minuten
Altersempfehlungab 16 Jahren freigegeben
VerleihNetflix
Das Poster zu 1899 zeigt eine fallende Frau in der Mitte eines Dreiecks und unten den Serientitel.
Das Plakat von 1899 © Netflix

1899 – Die offizielle Handlungsangabe

Europäische Auswanderer begeben sich im Jahr 1899 an Bord eines Dampfschiffes auf die Reise gen Westen. Vereint werden die Passagiere mit unterschiedlichsten Hintergründen und Nationalitäten durch ihre Träume und Hoffnungen auf ein neues Jahrhundert und ihre Zukunft in der Fremde. Als sie ein zweites Schiff auf dem Meer treibend entdecken, nimmt ihre Reise eine unerwartete Wendung. Was sie an Bord vorfinden, wird ihre Fahrt ins gelobte Land in einen schrecklichen Albtraum verwandeln.

Was zeichnet die Miniserie / erste Staffel aus?

Diese Kritik bezieht sich auf die ersten sechs Folgen, die Netflix uns vorab zur Verfügung gestellt hat. Noch ist nicht klar, ob die Serie nur auf eine Staffel ausgelegt ist oder ob man auf eine Fortsetzung spekulieren darf. Auf Spoiler wird unabhängig davon aber verzichtet.

Dark-Atmosphäre von Sekunde eins an

Wenn man mit einem Projekt so einen Meilenstein, wie es Baran bo Odar und Jantje Friese eben mit Dark gelungen ist, abliefert, dann bringt das natürlich unweigerlich mit sich, dass die nachfolgende Arbeit damit verglichen wird. Dementsprechend muss sich 1899 diesem Show-Off nun stellen, während viele Fans der deutschen Mysteryserie das Finale und womöglich die kompletten drei Staffeln noch allzu gut vor Augen haben. Die Frage die sich die Macher nun für das Folgeprojekt unweigerlich gestellt haben müssen: Wollen wir an das anknüpfen, was wir mit Dark geschaffen haben oder brechen wir mit der Erwartungshaltung und gehen in eine ganz andere Richtung? Variante zwei wäre die mutigere Entscheidung gewesen, aber selbst jetzt, da klar ist, dass sich Friese und bo Odar für die vermeintlich sichere Nummer entschieden haben, heißt das nicht, dass 1899 tatsächlich nur „more of the same ist.

Ja, die neue Mysteryserie ähnelt in vielen Momenten, in ihrer Struktur und auch im ganzen Look and Feel dem Zeitreise-Sensationserfolg. Aber doch merkt man entscheidende Fortschritte und Weiterentwicklungen – zwar mit bedacht und vielleicht mit etwas zu wenig Chuzpe – auf die nun im Folgenden, ohne zu viel ins Detail zu gehen, eingegangen werden muss. Fest steht: Von der ersten Szene, die von einem Voice Over begleitet wird, ist man als Dark-Kenner direkt wieder am Haken der Showrunner. Bleibt man an Bord oder geht man im Bermudadreieck verloren?

Mysteriös, vielleicht zu mysteriös?

Es gibt nicht wenige Zuschauer, die sich schwer getan haben, mit Dark anfangs warm zu werden. Die Kritikpunkte: Theaterartige Dialoge, nur traurige, melancholische Charaktere, niederschmetternde Atmosphäre. Erst als sich gegen Ende der ersten Staffel damit offenbarte, in welche doch unerwartete Richtung die ganze Geschichte im Weiterverlauf gehen soll, ist bei vielen, die durchgehalten haben, der Groschen gefallen. Der Rest ist Geschichte. Auch 1899 fängt vergleichbar verkopft und rätselhaft an. Wieder werden zahlreiche Fragen gestellt und ehe überhaupt eine beantwortet wird, taucht schon die nächste auf. Man muss sich schon fragen: hat das bei bo Odar und Friese Methode? Denn erneut braucht man auch hier einiges an Sitzfleisch bis es klickt. Die Charaktere sind auch hier eher schwierig zu greifen und die Atmosphäre auf dem düsteren Schiff suggeriert ein Kammerspiel, das zum Glück dann doch recht schnell etwas aufgebrochen wird.

Was in diesem Mystery-Stoff sehr gelungen ist, ist die Folgenstruktur, die trotz der angesprochenen Rätselhaftigkeit, dem ganzen eine Kontinuität verleiht. Dabei leitet man die Episoden zumeist mit einem Flashback einer der Hauptfiguren ein und zoomt dann optisch ansprechend aus dem Auge der Person raus. Die Folgen schließt man dann immer mit einem Rock-Klassiker ab. Beispielsweise untermalen Hendrix „All along the Watchtower“, Black Sabbath „The Wizard“ oder Blue Oyster Cults „Don’t Fear the Reaper“ die Episodenenden, die allesamt auch starke Cliffhanger haben. Das gepaart mit der dichten Atmosphäre und dem sensationellen Score macht 1899 zu einer Serie, die man am besten am Stück verschlingt.

Zwei Männer in einer dunklen Kammer vor einem Schreibtisch. Sie halten sich an den Händen. 1899
Auch ein Priester ist an Bord – doch mit welcher Motivation? © Netflix

Zwischen Agatha Christie und Shutter Island

Ein wesentlicher Unterschied zu Dark ist das Setting. Denn während die Handlung in der vorherigen Serie in der Dorfgemeinschaft des fiktiven Örtchens Winden stattfand, in dem sich jeder der Handlungsträger seit Jahren zu kennen schien, spielt 1899 gekonnt damit, dass auf der Überseereise hier Personen fremder Kulturen aufeinandertreffen, die sich vorher (vermutlich) noch nie begegnet sind. Das erinnert stark an die bekannten Krimis von Agatha Christie und auch das ganze erste Drittel der Auftaktstaffel fühlt sich streckenweise wie ein klassischer Kriminalroman an.

Mit einer doch auch etwas Horror-lastigeren Note im Spannungsaufbau wagt man ebenfalls eine behutsame Weiterentwicklung im Vergleich zu Dark. Die Ungewissheit und die ein oder andere doch recht grausam-brutale Szene sorgt dafür, dass man sich beim Zuschauen unbewusst in den Sofasessel verkrallt. In diesem Punkt lässt sich die Netflix-Serie sehr gut mit Scorseses Shutter Island vergleichen. Vor allem auch im Bezug auf die Hintergrundgeschichte der von Andreas Pietschmann gespielten Kapitänsfigur wird man recht schnell erkennen, dass der Mysterythriller hier die ein oder andere Entscheidung im Skript beeinflusst haben könnte.

Die Erwartungshaltung hemmt die Twist-Überraschungen

In Dark gab es einige Wendungen, die für viele völlig aus dem Nichts kamen und daher wie eine Bombe eingeschlagen sind. Fluch und Segen dieses Überraschungshits ist, dass man ein Stück weit seither weiß, wie in etwa die beiden Macher ticken, was die Platzierung ihrer Twists betrifft. Dementsprechend entfalten die hier erneut in großer Zahl vorkommenden Überraschungen nicht ganz die Wirkung, weil man gelernt hat, die Zeichen zu lesen. 1899 spielt gekonnt auf der Klaviatur des Zahlensymbolismus, verwebt genauso intelligent Themen wie religiösen Fanatismus und Traumata mit in die Handlung und schafft es mit der Einführung des mysteriösen Jungen ad hoc einen ikonischen Charakter aufzubauen. Ganz die Frische von Dark erreicht man selbstredend nicht mehr.

Und, ohne zu spoilern, ist auch die (mutmaßliche/vorläufige) Auflösung, was hier tatsächlich mit den Schiffen vor sich zu gehen scheint, dem Konstrukt aus Dark doch bei näherer Betrachtung fast zu ähnlich. Es sei jedoch betont, dass hier bislang nur über den Status Quo nach sechs der acht Folgen einer ersten Staffel gesprochen wird. Vielleicht ist auch diese scheinbare Ähnlichkeit bewusst so angelegt und die Showrunner lassen irgendwann noch eine Bombe platzen, die auch diejenigen, die Dark in- und auswendig kennen, vor den Kopf stößt. Zuzutrauen ist es ihnen auf alle Fälle.

Im Nebel auf Deck: Besatzung und Fahrgäste der Cerberus und in der Mitte der Kapitän. 1899
Im Nebel auf Deck: Besatzung und Fahrgäste der Cerberus und in der Mitte der Kapitän © Netflix

Internationale Stars und Dark-Rückkehrer

Die große Stärke von 1899 ist zweifelsohne der internationale Cast. Andreas Pietschmann spielt als Kapitän mit tragischer Vorgeschichte absolut sensationell und wird dabei unter anderem von Aneurin Barnard (Dunkirkund Emily Beecham (Cruella) unterstützt. Der Aspekt der etwas gestelzten Dialoge ist auch hier nicht ganz wegzudiskutieren. Doch wenn man sich daran gewöhnt hat, dann haben die bedeutungsschweren Sentenzen eine einzigartige Note, die mitunter auch ein markantes Stilmittel mit Charakter ist. Gespickt wird der Cast von bekannten Gesichtern aus Serien und Filmen aus Großbritannien oder auch Skandinavien und Asien. Insgesamt, wie gesagt, eine diverse Besetzung, die auch hervorragend harmoniert. Wer sich vorab recht wenig informiert, der wird zudem überrascht sein, wer in etwa zur Halbzeit von Staffel eins hier noch als möglicher Antagonist aus dem Hut gezaubert wird…

Richtig Spaß macht auch der Jungdarsteller Fflyn Edwards, der als gruseliges Kind hier eines der großen Mysteryelemente mit Bravour zu verkörpern weiß. Darüber hinaus macht das Mitraten, was es mit einigen prominent in Szene gesetzten Gegenständen auf sich hat, wieder viel Vergnügen. Die Serie spielt mit der Erwartungshaltung und Genreinstrumenten noch selbstbewusster wie Dark. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich das nicht als Hochmut erweist. Denn am Ende steht und fällt ein jeder Mystery-Thriller mit einer stimmigen Auflösung. Was hat es nun also mit dem Käfer auf sich, der Türen öffnen kann? Was ist mit der Prometheus und ihren Passagieren passiert? Welche Geheimnisse werden über die Vergangenheit der verschiedenen Figuren noch enthüllt? Und kommt die Cerberus ans Ziel oder landet sie womöglich im Bermudadreieck der Dark-Macher? Gehen wir zusammen auf Kreuzfahrt und finden wir es heraus!

Unser Fazit zu 1899

1899 hätte aufgrund der hohen Erwartungen leicht Schiffbruch erleiden können, doch nach zwei Drittel der Überfahrt in Staffel eins, lässt sich festhalten, dass die Dark-Showrunner mit leichten Veränderungen an ihrer Erfolgsformel eine der spannendsten Serien 2022 abgeliefert haben. Von Beginn an fesselt die Atmosphäre mit Krimi- und Horrorelementen und setzt das Geisterschiff-Setting mit Bravour in Szene. Der Produktionswert ist verglichen mit anderen deutschen Serien schlicht atemberaubend, die Darsteller fantastisch und der Miträtsel-Faktor sehr hoch. Einzig das Risiko, dass eine unbefriedigende Auflösung hier noch das Gebilde zum Einsturz bringen kann, verhindert (vorläufig) eine noch bessere Bewertung. Eine Empfehlung ist 1899 aber nicht nur, aber speziell für die, die nach Dark sehnsüchtig auf adäquaten Ersatz gewartet haben.

1899 ist ab dem 17. November bei Netflix abrufbar!

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Unsere Wertung:

 

 

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