In unserer Rubrik „1 Film – 2 Meinungen“ lassen wir 2 Redakteure, die einen Film unterschiedlich bewerten, gegeneinander antreten. Auf Seite 1 findet Ihr Simons negative Rezension zu A Serbian Film und auf Seite 2 die positive Kritik von Der Hit.
Verstörend, provokant, geschmacklos – A Serbian Film ist eine Tour de Farce für den Zuschauer!
Titel | A Serbian Film |
Jahr | 2010 |
Produktionsland | Serbien |
Regie | Srdjan Spasojevic |
Drehbuch | Srdjan Spasojevic, Aleksandar Radivojevic |
Genre | Horror, Thriller, Drama |
Darsteller | Srđan Todorović, Sergej Trifunović, Jelena Gravrilović |
Länge | 104 Minuten (uncut) / 86 Minuten (cut) |
FSK | ungeprüft / FSK 18 |
Verleih | Marketing Film |
Darum geht es in A Serbian Film
In A Serbian Film hat der berüchtigte Pornostar Milos sich für seine Familie zur Ruhe gesetzt und der Branche den Rücken kehrt. Doch schnell wird klar, dass er ohne Job und Verdienstmöglichkeiten nicht mehr der Ernährer seiner Frau und seines kleinen Sohns sein kann. In dieser angespannten Lage tritt der Regisseur Vukmir an Milos heran und lockt ihn zurück in sein altes Geschäft. Allerdings ist der Filmemacher weit davon entfernt, nur einen Porno drehen zu wollen. Es soll große Kunst werden. Schon bald bereut Milos seine notgedrungene Zusage, als sich ein blutiger Reigen aus Sex und Gewalt Bahn bricht.
Meine Kritik zu A Serbian Film
Es gibt sie immer wieder – Skandalfilme, die reihenweise Tabus brechen und dadurch ihr Publikum in zwei Lager teilen. Ist das Kunst oder kann das weg? In der Regel scheint es hierbei nur hop oder top zu geben. In der heutigen Zeit, in der auch die deutsche FSK einen immer höheren Gewalt- und Ekelgrad durchwinkt, beispielsweise Torture-Porn-Filme wie Saw ungeschnitten in die Kinos wandern, scheinen richtige Tabubruch-Filme immer weniger möglich. Pasolinis menschenverachtender Salo – Die 120 Tage von Sodom liegt nun schon Jahrzehnte zurück. Mit A Serbian Film von 2010 gibt es nun doch noch Zündstoff für hitzige Debatten um die Grenzen der Kunst.
Zuallererst erscheint A Serbian Film wie ein engagiertes realitätsnahes Drama um eine Familie, der der soziale Abstieg droht. In kalte und nüchterne Farben taucht Regisseur Spasojevic den grauen, von Sorgen zerfressenen Alltag von Vater, Mutter und Kind. Dementsprechend teuflisch erscheint der undurchsichtige Filmemacher Vukmir, der Milos mit seinen hinterlistigen Verheißungen umgarnt und zum Gefolgsmann für sein Snuff-Porn-artiges Kunstprojekt macht.
Hinter dem Tabubruch-Marathon, der hier keine Erwähnung verdient, einer wilden Mischung aus brutaler Gewalt, hartem Sex und uferloser Erniedrigung steht laut Vukmir – und laut dem echten Regisseur Srdjan Spasojevic – eine große politische Botschaft. „A Serbian Film“ will ein aufrüttelndes Mahnmal sein für die Verführung und den damit verbundenen Missbrauch der serbischen Bevölkerung durch die eigene Regierung. Eine Regierung aus mächtigen Führungspersönlichkeiten, die das Volk im Balkankonflikt gefügig gemacht haben.
Der Bosnienkrieg als Grundgedanke
Als konkreter politischer Bezugsrahmen lässt sich in diesem Zusammenhang der Bosnienkrieg der 1990er Jahre hinzuziehen. Ein erschreckender Höhepunkt dieses Konflikts war das Massaker von Srebenica, in dem mehrere tausend Bosniaken von serbisch-bosnischen Verbänden getötet wurden. Die UN stuft diese Tat als Völkermord ein. Allgemein gilt sie als das größte Verbrechen an der Menschheit nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Heutzutage bestreitet Serbien den Genozid als solchen, Bosnien klagt ihn vehement in Den Haag an.
Mit dieser politischen Dimension, die in Gesprächen zwischen Vukmir und Milos nebulös anklingt, versucht Spasojevic seinen Film nicht zum voyeuristischen Exzess verkommen zu lassen. Der Subtext soll vielmehr die scheußliche, in ihrer Drastik absurde Gewalt erden, sie sozusagen sinnhaft erscheinen lassen. Vukmir und Milos, Mephistopheles und Faust, serbische Regierung und serbisches Volk. Wer dem Film in seinen ruhigeren Momenten aufmerksam folgt, erkennt diese symbolische Triplette, durch die A Serbian Film mehr sein will als Snuff.
Alles in allem bleibt dieses Machwerk aber eine Non-Stop-Provokation des Publikums um jeden Preis. Der Versuch des Regisseurs, seinen Film auch in Interviews als Vehikel zur Erinnerung an eine gequälte Nation zu verklären, scheitert. Zwar sei nur so die erlittene Brutalität spürbar, aber dieser kritische Anstrich geht schlichtweg verloren in einer Flut maßlos überzogener Bilder. Somit bleibt nur ein Gewaltreißer übrig, der nicht vielmehr ist als ein selbstzweckhafter Ekeltest.
Die richtige Fassung
Wer sich dem Film vollständig, so wie er gedreht und eben erdacht wurde, aussetzen möchte, sollte einen genauen Blick auf die Fassung werfen. In Deutschland ist A Serbian Film erwartungsgemäß nur in stark verstümmelter Form erschienen. Gut zu erkennen ist diese Fassung an dem roten FSK 18-Aufkleber sowie der Lauflänge von 86 Minuten. Wirklich ungeschnitten ist der Film eigentlich etwa 99 Minuten ohne bzw. rund 104 Minuten mit Abspann lang. Derartige Versionen werben bereits auf dem Cover mit entsprechenden Bezeichnungen wie „Full Uncut“.
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