Die japanische Netflixserie Alice in Borderland geht in die zweite Runde. Neue Spiele, höhere Einsätze, tödliches Risiko. Kann Staffel 2 an den Hype anknüpfen oder ist das Feuer schon nach einer Staffel erloschen?
Alice in Borderland – Staffel 2 – Die Handlung kompakt
Arisu (Kento Yamazaki) und Usagi (Tao Tsuchiya) versuchen, das Rätsel von „Borderland“ zu lösen, um wieder in ihre reale Welt zurückkehren zu können. Sie schließen Freundschaften, machen sich Feinde und treffen auf das Genie hinter dem „Spiel“ an einem Ort, der der Schlüssel zu sein scheint, um das Rätsel zu knacken. Werden sie in ihre reale Welt zurückfinden, nachdem alle Karten eingesammelt wurden?
Was bisher geschah…
Die erste Staffel ist schon gut zwei Jahre her. Dennoch setzen wir voraus, dass die Leser dieser Kritik die erste Staffel gesehen haben. Also: Achtung Spoiler bezüglich dessen, was vor dem Start der neuen Folgen passiert ist!
Arisu, ein planloser und arbeitsloser junger Videospiel-Freak, findet sich plötzlich in einer seltsamen, menschenleeren Version von Tokio wieder, in der er und seine Freunde sich in gefährlichen Spielen messen müssen, um zu überleben. In dieser seltsamen Welt trifft Arisu auf Usagi, eine junge Frau, die allein durch die Spiele navigiert. Gemeinsam machen sie sich auf, ein Geheimnis nach dem anderen zu lüften, wobei sie ihr Leben riskieren und sich der Frage stellen, was es bedeutet, zu leben.
Bei den Spielen in der ersten Staffel haben die Gefahren von Runde zu Runde zugenommen, nicht jeder, der zu Beginn mit Arisu ins Rennen ging, hat die tödlichen Herausforderungen überlebt. Am Ende kam Arisu gemeinsam mit der ebenfalls erfolgreichen „Spielerin“ Usagi den Hintermännern immer näher. Viele der „einfachen“ Symbolkarten wurden gelöst, doch am Ende der ersten Staffel war bereits klar, dass die Spiele, die auf Karten, wie Königen und Assen basieren – und somit die schwierigsten Aufgaben bringen würden – erst noch anstehen. Außerdem kamen die Machenschaften im Strandhaus auch ans Licht, ehe im Finale enthüllt wurde, dass die „game masters“ auch eigentlich selbst Spieler waren. Die Staffel endete mit dem Auftritt der mysteriösen Mira, die die neuen Spiele ankündigte…
Alice in Borderland – Staffel 2 erzählt die Geschichte nahtlos weiter
Das nächste Spiel beginnt und schon beginnen die ersten Körper durch großkalibrige Schüsse zu platzen. In Borderland gibt es keine Verschnaufpausen – nicht für die Spieler und nicht für das Publikum. Der Drive der ersten Staffel ist in Alice in Borderland – Staffel 2 sofort zurück, denn bereits die erste Aufgabe wird mithilfe einer spektakulären Verfolgungsjagd direkt wieder zum Nervenkitzel. Eines der Problem für die volle Glaubwürdigkeit des Szenarios bleibt aber ebenfalls bestehen: Die blutigen Effekte sind verglichen mit vielen anderen Produktionen der letzten Jahres alles andere als überzeugend. Es wirkt immer noch wie im Computerspiel. Das passt zwar hier recht gut zum Plot, aber dem ganz nahen Mitfiebern steht die CGI-Qualität etwas im Wege.
Das zweite Spiel in der zweiten neuen Folge setzt dafür dann weniger auf Computereffekte als vielmehr auf die Art von kreativer Variation bekannter Spiele, die man in der ersten Staffel lieben gelernt hat, und packt dies in ein cooles Setting. Das, was jedoch in Erinnerung bleiben wird, ist die Inszenierung des Kreuz-Königs, die mit Sicherheit für Schmunzeln sorgen wird – mehr sei hier nicht verraten. Die ganze Episode, die sich mal wieder einem einzigen Spiel widmet, ist nach der etwas umständlichen Erklärung des Regelwerks, genauso rasant, wie sich die Fans der ersten Staffel das gewünscht haben dürften.
Eintauchen in die Vergangenheit der Mitspieler
Zum Glück bleibt es jedoch nicht in der ganzen Staffel so „monoton“ – eine Folge, ein Spiel. Mit Rückblicken und in stark geschriebenen Dialogszenen erfährt das Publikum wichtige Details aus der Vergangenheit der Protagonisten. Erst damit entstehen die nötigen Identifikationsflächen, damit man besser mit ihnen mitfühlen kann. Arisu und Usagi sind dabei nicht die einzigen, die mehr Profil bekommen. Speziell die Entscheidung, auch vermeintliche Antagonisten ambivalenter zu zeichnen, sorgt für eine gewisse Fallhöhe, die die Gefahren der Spiele „realer“ wirken lassen. Auch das Schicksal von Kodai Tatta geht sehr nahe. Alice in Borderland – Staffel 2 bohrt bewusst emotional dicke Bretter, drückt auf die Tränendrüse, jedoch ohne es überzustrapazieren.
Nachdem die ersten beiden Folgen der neuen Staffel ein sehr hohes Tempo an den Tag legen, kommt es in den folgenden Teilen doch zu einer Tempoverschleppung. Das dritte Spiel ist ein Geduldsspiel im wahrsten Sinne und lässt die Serie zwischenzeitlich noch mehr zum Psychothriller werden. So ähnlich war es auch schon in der letzten Staffel. Diesmal hängt der Mittelteil jedoch, da man inzwischen näher an den Charakteren dran ist, nicht ganz im luftleeren Raum. Man hätte an der ein oder anderen hier auch wieder die Story straffer vorantreiben können, aber die ruhigen Phasen fallen weniger negativ ins Gewicht, als wenn man sie mit unbekannteren Figuren verbringen müsste.
Nicht immer sind die Spiele in der neuen Staffel vollkommen nachvollziehbar und Logik und Regelwerk verändert sich ebenfalls manchmal nach dem Belieben des Drehbuchs. Auch das gehört aber irgendwie zur Formel von Alice in Borderland. Wirklich hinterfragen werden die wenigsten die mathematischen Rätsel, die hier bis zum Bersten der Nervenfäden ausgekostet werden. Der Unterhaltungsfaktor ist mindestens wieder so hoch wie in den Folgen von vor 2 Jahren, die Brutalität hat sogar noch einen Ticken zugelegt.
Und was war da mit Squid Game?
Während die erste Staffel von Alice in Borderland noch immer eher ein Nischendasein fristete, war die ähnlich situierte koreanische Show Squid Game kaum ein Jahr später ein Megaerfolg für Netflix. Dementsprechend zogen viele immer wieder Vergleiche zwischen den beiden Formaten. Mit Sicherheit hat der Hype ums koreanische Pendant im Nachgang auch der japanischen Battle-Royale-Serie nicht geschadet. Bis auf das allgemeine Spiele-Setting haben die beiden asiatischen Produktionen jedoch eigentlich kaum etwas gemeinsam.
Während Squid Game doch mehr den Faktor der Sozialstudie mit in die Waagschale wirft, geht es in Alice in Borderland im Subtext doch um andere gesellschaftliche Probleme, die hier im Videospiel-artigen Setting verhandelt werden. Daran hat sich nun auch in Staffel 2 wenig geändert. Man hat sich also nicht versucht am Erfolg zu orientieren, sondern bleibt weiterhin seinem Weg treu. Und dass man nun doch etwas mehr über die Figuren erfährt als in der Auftaktstaffel, ist auch kein Zugeständnis an die Erzählweise von Squid Game sondern schlicht und einfach die Logik einer Fortsetzung mit gleichen Charakteren.
Die Manga-/ Anime-Tonalität trägt auch die zweite Staffel
Es ist zwar eine Realfilm-Sendung, aber was die Dramaturgie betrifft, erinnert vieles auch in Alice in Borderland – Staffel 2 an Zeichentrick-Geschichten aus Japan. Ein leichter Hang zur Melodramatik, Anime-typischer Humor, dazu Schauspiel immer an der Schwelle zum over acting. Wer damit generell wenig anfangen kann oder auch schon nicht mit der ersten Staffel warm wurde, der braucht nun für die neuen Folgen keinen weiteren Anlauf starten. Wer jedoch die typischen Mechanismen der fernöstlichen Animationsfilme und -serien mag und dem Sog schnell erliegt, der wird auch diese teils wieder sehr langen Folgen doch wie im Rausch schauen und vergessen, wie die Zeit währenddessen vergeht. Die Überlänge, die schon eines der Mankos in der Debütstaffel war, ist weiterhin nicht wegzudiskutieren. Doch, wie gesagt, der Zielgruppe wird es auch hier kaum etwas ausmachen. Im Gegenteil: so bleibt nur noch mehr Zeit in der Welt von Borderland und an der Seite der Charaktere.
Das ist also der Tod: ist gar nicht so schlimm. Dieses Leben war großartig
Unser Fazit zu Alice in Borderland – Staffel 2
Alice in Borderland – Staffel 2 bleibt dem eingeschlagenen Weg treu, vertieft seine Charakterarbeit und sorgt mit neuen Spielen für zufriedene Fans. Mehr Evolution als Revolution sorgt dafür, dass zwar auch die Fehler nicht ausgemerzt wurden, aber wer die erste Staffel verschlungen hat, wird in der gleichen Windeseile auch die neuen Folgen durch haben. Allein die Cliffhanger an den einzelnen Episodenenden machen es praktisch unmöglich, nicht immer noch die nächste sehen zu wollen. Die Serie bleibt eine der besten Realfilm-Adaptionen eines Manga und wird im Fahrwasser des Squid-Game-Hypes mit der zweiten Staffel wieder weltweit gefeiert werden. Eine weitere Staffel dürfte demnach nicht ausgeschlossen sein.
Alice in Borderland – Staffel 2 kann ab dem 22. Dezember 2022 komplett bei Netflix gestreamt werden.
Unsere Wertung:
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