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Die Hauptdarsteller von Alles außer gewöhnlich Vincent Cassel und Reda Kateb stehen grinsend auf einer Straße

Alles außer gewöhnlich

Alles außer gewöhnlich ist eine weitere Tragikomödie aus der Feder von Olivier Nakache und Éric Toledano, die mit Ziemlich beste Freunde 2011 den großen Durchbruch schafften. Bahnt sich der nächste Mega-Hit an?

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TitelAlles außer gewöhnlich (OT: Hors normes)
Jahr2019
LandFrankreich
RegieOlivier Nakache, Éric Toledano
DrehbuchOlivier Nakache, Éric Toledano
GenreKomödie, Drama
DarstellerVincent Cassel, Reda Kateb, Hélène Vincent, Catherine Mouchet, Frédéric Pierrot, Suliane Brahim, Lyna Khoudri, Aloïse Sauvage, Marco Locatelli, Benjamin Lesieur
Länge114 Minuten
FSKab 6 Jahren freigegeben
VerleihProkino Filmverleih
Das Blu-ray-Cover von Alles außer gewöhnlich mit Vincent Cassel und Reda Kateb
Das Blu-ray-Cover von Alles außer gewöhnlich © 2019 PROKINO Filmverleih GmbH / Carole Bethuel

Alles außer gewöhnlich – Handlung

Bruno (Vincent Cassel) ist der Leiter einer staatlich nicht zugelassenen Non-Profit-Organisation, die sich um schwer vermittelbare autistische Kinder kümmert. Immer dann, wenn die zuständigen Behörden überfordert sind mit der Betreuung, übernehmen Bruno und sein Team diese schwierige Aufgabe. Um die 40 Kinder befinden sich so in seiner Obhut. Zudem kümmert er sich immer noch um ehemalige Patienten, die mittlerweile erwachsen sind. So steht Brunos Handy nur selten still, denn er hat mit seinen Schützlingen alle Hände voll zu tun. Seine gelegentlichen Dates enden daher oftmals frühzeitig, weil wieder einmal Not am Mann ist.

Brunos guter Freund Malik (Reda Kateb) hat ähnliche Sorgen. Als Erzieher einer Einrichtung kümmert er sich nicht nur aufopferungsvoll um benachteiligte Kinder, er arbeitet auch neue Mitarbeiter ein. Die jungen Kollegen stehen alles andere als fest im Leben und brauchen ebenfalls Betreuung. Als wäre die Lage von Malik und Bruno nicht schon kompliziert genug, setzt das zuständige Ministerium eine Untersuchungskommission ein. Denn weder Bruno noch seine Kollegen verfügen über die nötigen Abschlüsse, um die Fürsorge und Pflege für die Kinder übernehmen zu dürfen.

Die Hintergründe zum Film

19 Millionen Kinogänger in Frankreich und 9 Millionen in Deutschland machten die Tragikomödie Ziemlich beste Freunde 2011 zum Sensationserfolg. 2017 erschien dann mit Mein Bester & Ich das quasi unvermeidliche Hollywood-Remake. Die Köpfe hinter dem Erfolg sind das Regie- und Autorenduo Olivier Nakache und Éric Toledano. Ihrer Erfolgsformel von vor knapp 10 Jahren blieben die beiden Franzosen seitdem treu. Leichtfüßige Komödie trifft ergreifendes Drama, während das eine Auge lacht, weint das andere. So beruht auch ihr neuer, mittlerweile schon achter gemeinsamer Spielfilm Alles außer gewöhnlich auf einer ernsten und sogar wahren Problematik.

Denn in Frankreich werden Menschen mit Autismus häufig von Einrichtungen abgelehnt und einfach weitergereicht. Der Betreuungsaufwand ist meist so hoch, dass das Personal schlichtweg überfordert ist. Auch in finanzieller Hinsicht sind diese Patienten daher nicht gern gesehen. Durch diesen Missstand hat sich über die Jahre eine Art Schattenwirtschaft entwickelt: Nicht zertifizierte Einrichtungen übernehmen die schwierigsten Fälle, um die sich sonst niemand kümmern will. Dabei haben die Angestellten häufig gar keinen passenden Berufsabschluss, der sie für die anspruchsvolle Betreuung dieser Menschen qualifiziert.

Malik (Reda Kateb) und Bruno (Vincent Cassel) stehen mit Valetin vor einem Van
Bruno und Malik kümmern sich um Valentin, der sich häufig selbst verletzt © 2019 PROKINO Filmverleih GmbH / Carole Bethuel

Die Hauptfiguren Bruno und Malik beruhen so auf echten Personen, die sowohl Nakache und Toledano als auch ihre Filmverkörperungen Cassel und Kateb persönlich kennenlernten. Die vom Ministerium eingesetzte Kommission, die entscheiden sollte, ob diese nicht zugelassenen Einrichtungen geschlossen werden, tagte tatsächlich 2017 in Frankreich. Wie das Ganze ausging, erfährt nun jeder Zuschauer durch Alles außer gewöhnlich. Darüber hinaus lief der Film zum Abschluss der Internationalen Filmfestspiele von Cannes 2019 und erhielt dadurch auch internationale Aufmerksamkeit.

Das filmische Denkmal eines harten Alltags

Alles außer gewöhnlich ist ein klares Herzensprojekt von Nakache und Toledano, mit dem diese zwei Alltagshelden ehren möchten, die jeden Tag mit ihrem sozialen Engagement an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit geraten. Dementsprechend besteht der Film aus vielen ausführlich dargestellten Alltagsszenen, in denen Bruno und Malik ihre Einrichtung durch unzählige Absprachen mit den Kollegen organisieren und sich zugleich einfühlsam um ihre autistischen Schützlinge kümmern. Der semi-dokumentarische Stil, den die beiden Filmemacher vor allem durch die nah am Geschehen bleibende Handkamera erreichen, lässt den Zuschauer schon nach wenigen Minuten in die Welt der beiden Sozialarbeiter eintauchen.

Dass die Entwicklungsstörung Autismus ein brisantes und in der Gesellschaft immer noch nicht ganz angekommenes Thema darstellt, unterstreicht Alles außer gewöhnlich bereits mit der Eröffnungssequenz. Ein junges Mädchen rennt panisch auf der Flucht durch die Straßen einer Innenstadt, ehe ihre Verfolger sie unsanft überwältigen. Es dauert einen Moment, bis der unwissende Zuschauer realisiert, dass Bruno und Malik nur mit besten Absichten hinter dem autistischen Mädchen her waren.

Malik und Dylan fahren mit einem autistischen Mädchen an der Hand Schlittschuh
Die Sozialarbeiter schenken den autistischen Kindern etwas Lebensfreude © 2019 PROKINO Filmverleih GmbH

Auch das Schicksal des jungen Valentin, der wie ein Boxer einen Kopfschutz tragen muss, weil er seinen Kopf unkontrolliert gegen Wände hämmert, ist ergreifend – vor allem als dieser plötzlich ausreißt und mitten auf einer Schnellstraße herumirrt. Neben diesen wenigen, leider etwas aufgesetzt wirkenden Spannungspassagen dominiert im Film aber zum Glück das Dramatische, das sich allein schon aus der feinfühlig und respektvoll dargestellten Alltagsbetreuung der Kinder ergibt. Ein gemeinsamer Ausflug in die Eishalle oder zu einem Reiterhof soll den in sich zurückgezogenen, teilweise unverstandenen Kindern etwas Normalität und Lebensfreude schenken.

Humor ohne Häme

Trotz seiner bedrückenden Thematik verzichtet auch Alles außer gewöhnlich nicht auf Humor und charmante, auflockernde Momente. Gerade wenn Malik in den verschiedenen Unterrichtsszenen versucht, seinem jungen, unerfahrenen Erziehernachwuchs die Flausen auszutreiben, geschieht dies in einer gut gewählten Bandbreite von lockeren, veräppelnden Sprüchen bis klaren pädagogischen Ansagen. Reda Kateb geht hier völlig in seiner durch und durch sympathischen Figur auf und stiehlt selbst Hollywood-Schwergewicht Vincent Cassel die Show. Sein Malik verkörpert genau die Art von Lehrperson, die sich wohl jeder Schüler insgeheim wünscht.

Cassel wiederum schraubt seine enorme Präsenz und Ausstrahlung überraschend stark herunter und fügt sich damit stimmig in das geerdete Sozialdrama ein. Dass sein Bruno am Ende des Tages noch versucht, Frauen zu daten, die er von Freunden und Bekannten empfohlen bekommt, ist ebenfalls eine wohlkalkulierte komödiantische Einlage. Denn Bruno ist viel zu sehr mit seinem Beruf verbandelt, um jemanden in sein Leben lassen zu können. Das wirklich lustige und zugleich menschlich tiefgreifende Highlight ist allerdings die Beziehung zwischen Bruno und seinem ehemaligen, mittlerweile erwachsenen Schützling Joseph, den der autistische Laiendarsteller Benjamin Lesieur verkörpert. Bruno möchte Joseph in einer Reparaturwerkstatt unterbringen und ihm so ein normales, geregeltes Leben ermöglichen. Das Problem? Joseph zieht gerne im Zug die Notbremse und möchte Menschen, die er mag, seine Socken zeigen oder seinen Kopf ungefragt auf ihre Schulter legen.

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Was im Drehbuch als klarer Running Gag angelegt ist und gut funktioniert, gerät dennoch nicht ins Lächerliche. Denn Nakache und Toledano benutzen Humor gezielt als Vehikel, um dem Zuschauer leichtfüßig und anschaulich zu vermitteln, wie schwer es ist, einen Menschen mit Autismus in die Gesellschaft und das öffentliche Leben zu integrieren. Zumal nicht jeder Patient mit dieser Entwicklungsstörung die gleichen Eigenarten besitzt und einen individuellen Zugang erfordert.

Die Ordnung im Chaos oder das Chaos in der Ordnung?

Neben vielen positiven Aspekten, die Alles außer gewöhnlich grundsätzlich empfehlenswert machen, bleibt dennoch ein fader Beigeschmack bestehen. Oberflächlich liegt dies vor allem an der stolzen Laufzeit von fast zwei Stunden, die sich inhaltlich nicht rechtfertigen lässt. Denn der Film ist dramaturgisch offensichtlich nicht auf ein Ziel ausgerichtet, sondern verliert sich in unzähligen Alltagssequenzen, die mit der Zeit repetitiv erscheinen. So wird die berufliche Herausforderung von Bruno und Malik natürlich sehr gut spürbar, aber letztlich gehen dem Film so die wirklich großen Emotionen und eine tiefere Anteilnahme verloren. Denn die Wiederholung führt irgendwann in Richtung Nüchternheit. Der großartige Score, für den die Macher auf den besonderen Pianosound der Grandbrothers aus deren Album „Open“ zurückgreifen, wirkt daher ein Stück weit aufgesetzt und bemüht.

Die Hauptdarsteller von Alles außer gewöhnlich Vincent Cassel und Reda Kateb stehen grinsend auf einer Straße
Bruno (Vincent Cassel) und Malik (Reda Kateb) kümmern sich um Kinder mit Autismus © 2019 PROKINO Filmverleih GmbH

Zudem entwickelt der Film bei näherer Betrachtung einen ungewollten Widerspruch. Denn Bruno scheint mit der Leitung seiner Einrichtung überfordert zu sein. Gehälter können nur noch verspätet gezahlt werden, wichtige interne Absprachen sowie Meetings mit externen Ansprechpartnern finden nicht oder erst nach mehreren Versuchen statt. Dass Bruno dabei immer einen gewinnenden Optimismus an den Tag legt und durchweg als aufopferungsvoller Menschenfreund präsentiert wird, mag sicherlich als positive Kernaussage gedacht sein.

Alles außer gewöhnlich erscheint in diesem Licht betrachtet aber als ein etwas zu unreflektiertes Heldendenkmal. Die Arbeit der Untersuchungskommission zeigt der Film zudem nur in Form von kurzen, wenig aussagekräftigen Befragungen der Behörden. So bleibt dem Zuschauer die größere politische Dimension des Ganzen weitestgehend verwehrt. Ob diese nicht zertifizierten Einrichtungen von Bruno und Malik etwas Ordnung in das staatlich ungeregelte Chaos bringen oder selbst dringend staatliche Regulation benötigen – das betrachtet der Film letztlich zu eindimensional.

Unser Fazit zu Alles außer gewöhnlich

Herzensprojekt statt Blockbuster: Mit Alles außer gewöhnlich haben die Ziemlich beste Freunde-Macher nicht die nächste kurzweilige Familienkomödie geschaffen, sondern zwei realen Sozialarbeitern ein filmisches Denkmal gesetzt und dabei auch auf einen erschreckenden Missstand im französischen Gesundheitssystem hingewiesen. Dadurch fällt die mittlerweile achte Zusammenarbeit der französischen Autorenfilmer auch deutlich dramatischer und geerdeter aus. Das sensible Thema Autismus wird zu jeder Zeit ernst genommen und feinfühlig auch mithilfe von Laiendarstellern vor Augen geführt. Doch auch die komödiantischen Einschüben retten nicht über einige Länge und Wiederholungen des Plots hinweg. Zudem verbannt der Film die bohrenden politischen Fragen in den Hintergrund, um ein rundum positives Statement für seine Hauptfiguren zu setzen.

Die DVD und Blu-ray zum Film ist am 07.04.2020 über den Prokino Filmverleih erschienen.

Unsere Wertung:

 

 

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