Mit As Tears Go By lieferte der chinesische Regisseur Wong Kar-Wai 1988 sein vielbeachtetes Debüt ab. Ob die Mischung aus Heroic-Bloodshed und Romanze heute noch funktioniert, erfahrt ihr in unserer Review!
Die Handlung von As Tears Go By
Der Gangster Wah (Andy Lau) treibt für einen Triaden-Paten Schulden ein. Er arbeitet dabei mit seinem Kumpel Fly (Jackie Cheung), den er wie einen kleinen Bruder behandelt, zusammen. Der hat ein Talent dafür, sich andauernd in die Scheiße zu reiten, und so macht sich der aufbrausende Wah immer wieder Feinde, wenn er seinen Freund wortwörtlich rausboxt. Sein Liebesleben geht währenddessen den Bach runter, On/Off-Freundin Mabel (Ang Wong) treibt hinter seinem Rücken ab. Für einige Tage wohnt seine Cousine Ngor (Maggie Cheung) bei ihm, da sie ihre kranke Lunge bei einem Facharzt in Hongkong untersuchen lässt. Erst als sie wieder weg ist, setzt sich Wah mit seinen aufkeimenden Gefühlen für sie auseinander. Als sich die Konflikte wegen Flys fortwährenden Fehlverhaltens zuspitzen, verlässt er die Stadt, um Ngor seine Gefühle zu gestehen. Doch schon bald muss er sich zwischen der neuen Liebe und seiner Loyalität zu Fly entscheiden…
Vielversprechendes Debütwerk
Neben seinem Kollegen Fruit Chan (Dumplings, Invincible Dragon) ist Wong Kar-Wai der wohl bekannteste Regisseur der zweiten Welle der sogenannten Hong Kong New Wave. Nach einigen Jahren als Drehbuchautor gab er 1988 mit eben As Tears Go By sein Debüt als Regisseur. Das Drama lief erfolgreich im Kino und wurde bei den 8ten Hong Kong Film Awards im April 1989 gleich achtmal nominiert, Jackie Cheung und Art Director William Chang wurden ausgezeichnet. Im darauffolgenden Monat lief der Film auf den Filmfestspielen von Cannes. Seinen Durchbruch im Westen feierte Wong Kar-Wai allerdings erst mit dem mehrfach preisgekrönten Chungking Express (1994), der 1996 von Quentin Tarantino in die amerikanischen Kinos gebracht wurde.
As Tears Go By besitzt mit seiner tragischen Romanze und der auf Ästhetisierung ausgerichteten Bildsprache schon einige wesentliche Trademarks des Filmemachers. Nicht selten bewegt sich die Inszenierung am Rande zum Kitsch, wie etwa in der Szene, in der Wah und Ngor endlich zusammenfinden. Der verliebte Gangster ist nach einem ernüchternden Treffen mit seiner Cousine und ihrem Verehrer, einem Arzt, schon auf dem Heimweg, als ihn auf seinem Pager die Nachricht erreicht, dass sie ihn an der Fähre erwarte. Als Ngor den Pier erreicht, ist die Fähre schon weg. Einen Moment scheint es, als habe die Nachricht ihn zu spät erreicht. Natürlich taucht er dann doch auf und die beiden beginnen, sich leidenschaftlich in einer Telefonzelle zu küssen. Dazu erklingt eine schnulzige Kanto-Pop Coverversion von „Take My Breath Away“.
Tonal schwankt das Werk erheblich zwischen diesen Liebesszenen und denen, die die bröckelnde Freundschaft von Wah und Fly oder deren Umfeld in der kriminellen Halbwelt der Metropole beleuchten. Nichtsdestotrotz funktioniert die zwischen Liebesfilm und Heroic Bloodshed angesiedelte Geschichte über weite Strecken gut, da die Figuren nachvollziehbar handeln, ihr Schicksal bewegt.
Form gegen Inhalt
Nicht nur der Hang zum Kitsch beraubt As Tears Go By einen Teil seiner erzählerischen Wucht. Viel zu oft verweilt die Kamera auf den Straßen der Großstadt, verliert sich scheinbar zwischen Neonreklametafeln und schmalen Gassen. Das sieht zwar zumeist sehr gefällig aus und vermittelt eine den 80ern verhaftete Großstadtatmosphäre, nimmt aber auch immer wieder die Fahrt raus. Die eruptiven Gewaltausbrüche bietet Wong Kar-Wai zumeist in Zeitlupen-Sequenzen stilisiert dar. Dies funktioniert hier jedoch noch nicht so gut wie in etwa dem späteren Fallen Angels (1996). Das optische Konzept als Ganzes geht noch nicht so gut auf wie in seinen späteren Filmen, deren Fotografie dann allesamt von Christopher Doyle beaufsichtigt wurden.
Ein weiteres Problem sind die Nebenfiguren. Denn so gut die drei Hauptcharaktere ausgearbeitet wurden, so schablonenhaft wirken etwa die Gangster, mit denen sich Wah und Fly umgeben. Es gibt etwa eine feindliche Bande, die von einem tierquälenden Sadisten angeführt wird. Innerhalb der Triade sieht sich Wah außerdem mit einem linkischen Konkurrenten konfrontiert, der Fly als das schwache Glied von den beiden ausmacht und dies nutzt, um ihn zu schaden. Das verschärft zwar den Konflikt unter den Freunden, wirkt aber im großen Ganzen klischeehaft und ausgelutscht.
Am besten funktioniert As Tears Go By in der Interaktion der drei Hauptcharaktere untereinander – anfangs, wenn sich Cousin und Cousine gezwungenermaßen kennenlernen, oder wenn die beiden Freunde sich langsam auseinanderleben. Die finale Tragödie steht dann wieder in der Tradition des für Hongkong typischen Heroic Bloodshed und hinterlässt einen eher zwiespältigen Eindruck.
Junge Stars
Einer der größten Pluspunkte dieses Genre-Zwitters ist seine Besetzung. Denn As Tears Go By vereint in den Hauptrollen drei spätere Superstars am Anfang ihrer Karriere. Andy Lau ist inzwischen einer der kommerziell erfolgreichsten Schauspieler des Hongkong-Kinos, dreht auch heute noch große Blockbuster wie The Great Wall (2016) und City Under Fire (2020). Nebenher ist er auch als Popstar enorm erfolgreich.
Maggie Cheung wurde im Folgenden mehrfach mit dem Hong Kong Film Award ausgezeichnet. Sie drehte in den frühen 90ern einige populäre Actionfilme wie The Dragon From Russia (1990), New Dragon Inn (1992) und Heroic Trio (1993). Mit Wong Kar-Wai arbeitete sie außerdem in Days of Being Wild (1990), Ashes Of Time (1994), In the Mood For Love (2000) und 2046 (2004) zusammen.
Jackie Cheung bekam später den Spitznamen „God of Songs“, verkaufte mehrere Millionen Alben im südostasiatischen Raum. Als Schauspieler ist er vor allem für seine Rollen in John Woos Bullet in the Head (1990), der Fantasy-Romanze A Chinese Ghost Story II (1990) oder dem Jet-Li-Actioner High Risk (1996) bekannt. Er konnte nach As Tears Go By noch zwei weitere Male einen Hong Kong Film Award gewinnen – als bester Nebendarsteller im Wuxia-Abenteuer Meister des Schwertes (1990) und für den besten Song im Musical Perhaps Love (2005).
Unser Fazit zu As Tears Go By
Wong Kar-Wais Debütfilm überzeugt in seinen Charaktermomenten, denn hier können die kommenden Stars ihr Können voll entfalten. Dagegen verlässt sich As Tears Go By in den Nebenfiguren zu sehr auf blasse Stereotypen, weswegen die Nebenstränge der Handlung kaum relevant scheinen, auch wenn sie den Weg in die Tragödie ebnen. Darüber hinaus lässt Wong Kar-Wai ein ausgeprägtes Stilbewusstsein erkennen, genau wie einen gewissen Hang zum Kitsch. Für Fans des Hongkong-Kinos und des Regisseurs ist As Tears Go By demnach auf jeden Fall einen Blick wert. Wer mit dem damaligen Heroic Bloodshed indes nichts anzufangen weiß, wird sich sicherlich an den eingeschobenen Gewaltausbrüchen und den ausgewalzten Gangsterfilm-Klischees stören. Allerdings dominiert dennoch das Drama um die drei Hauptcharaktere, es bleibt lohnenswert, wenn man sich damit arrangieren kann.
Das Digipak von Koch Films bietet den Film als UHD, normaler Blu-ray und DVD. Die 4k-Restaurierung ist größtenteils sehr gelungen, nur in einigen dunklen Szenen schwächelt zumindest die Blu-ray, genauso in den Zeitlupenszenen. Bei den Extras sieht es schmal aus, nur zwei alternative Enden (in Kantonesisch und Mandarin), zwei Trailer und eine Bildergalerie werden angeboten. Das Booklet erweist sich als noch schwächer, die zwölf Seiten müssen mit nicht einmal zwei Seiten Text auskommen.
As Tears Go By ist seit dem 14. April 2022 im Handel erhältlich!
Unsere Wertung:
© Koch Films