Be Natural – Sei du selbst erzählt die Geschichte und das Lebenswerk von Film-Pionierin, Regisseurin, Drehbuchautorin, Produzentin und Studiobesitzerin Alice Guy-Blaché. Warum sich die Doku lohnt, erfahrt ihr hier!
Die Handlung von Be Natural – Sei du selbst
Als Alice Guy 1896 mit 23 Jahren in Paris ihr Filmdebüt fertigstellte, hatten sich bisher nur wenige im Regiefach an einem Erzählfilm versucht. Sie „erfand“ Einstellungen wie das Close-Up und war Vorreiterin in Sachen Storytelling. Außerdem machte sie sich die damalige Technik und ihre Effekte bestmöglich zu nutze. Mit der Erzählstimme von Oscar- Preisträgerin Jodie Foster führt der Film durch das Leben der Filmpionierin. Der Aufstieg von der Gaumont-Sekretärin bis zur Produktionsleiterin sowie ihrer anschließenden 20-jährigen Karriere in Frankreich und den USA, wo sie mit Solax ihr eigenes Studio gründete, ist beeindruckend. Sie war Autorin, Regisseurin und / oder Produzentin von über 1000 Filmen und doch ging es ihr wie so manchen Frauen in der Geschichte: Nachweislich wurde sie im Nachhinein aus der Filmhistorie gestrichen.
Wer war Alice Guy-Blaché und warum ist sie heute kaum mehr bekannt? Pamela B. Green recherchierte für Be Natural – Sei du selbst mehr als acht Jahre. Sie befragte bekannte Persönlichkeiten des Filmbusiness zu ihrer Person, darunter Patty Jenkins, Ben Kingsley, Geena Davis, Michel Hazanavicius und Julie Delpy. Zudem förderte sie seltenes Material von Filmen und Interviews in alten Archiven zu Tage, was nun erstmals auf der Leinwand zu sehen ist.
Die Geburtsstunde des Kinos
Der Film bietet weit mehr als nur einen Rückblick auf das Leben von Alice Guy-Blanché. Spannende Einblicke in die Anfänge des Films, des Kinos und des Aufstieg Hollywoods machen Be Natural – Sei du selbst umso sehenswerter. Seit vor über 125 Jahren die Gebrüder Lumière ihren Kinematographen präsentierten, ist die Faszination Kino ungebrochen. Wider Erwarten war Bewegtbild nicht einfach ein kurzer Hype und Alice Guy-Blanché erkannte schon damals das Potential.
Ähnlich wie später Amateure auf YouTube, wurde mit Erfindung des Films viel ausprobiert, weiterentwickelt und schließlich kommerzialisiert. Welche Hürden die damalige Technik mit sich brachte und wie die Filmbranche und auch die Ausbildung dafür sich mehr und mehr professionalisierte – all diese Aspekte greift Be Natural – Sei du selbst ganz nebenbei auf.
Alice Guy-Blanché leistete, wie Filmhistoriker heute wissen, einen erheblichen Beitrag dazu. Ihr erster Stummfilm The Cabbage Fairy konnte bereits ein großes Publikum begeistern. Sie wollte alle Gewerke bis zum Schnitt verstehen und erkannte sofort, dass man mit bewegten Bildern Geschichten erzählen kann. Die Umsetzung begeisterte und inspirierte viele Filmemacher, die ihr folgen sollten. Bis heute berühren ihre Filme und der ihnen innewohnende Humor. Einige werden hier, zumindest in kurzen Ausschnitten, gezeigt und eingeordnet. Das Ganze ist kurzweilig und eine Freude für jeden Filmfan.
Wie konnte Alice Guy-Blanché so lange in Vergessenheit geraten?
Pamela B. Green zeigt in Be Natural – Sei du selbst eindrücklich, wie Alice Guy-Blanché nach einer 20-jährigen Karriere plötzlich von der Bildfläche verschwand. Für Historiker ist diese Eliminierung von Frauen aus der Historie nichts Neues. Dennoch fragt man sich, wie eine derar bekannte Studiobesitzerin und Regisseurin vieler bekannter Filme so in Vergessenheit geraten konnte. Ihre männliche Kollegen aus dieser Zeit, mit ähnlichem oder weniger Einfluss auf die Filmgeschichte, sind hingegen bis heute vielen ein Begriff.
Als das Studio von Alice Guy-Blanché einige Jahre gut lief, kam ihr Ehemann nicht mehr mit dem Erfolg seiner Frau klar. Er begann, selbst Regie zu führen, seine Frau zu sabotieren, ihr Teammitglieder und Schauspieler abzuwerben. Erstaunlicherweise arbeiteten zu Anfang sehr viele Frauen, in sämtlichen Positionen und Gewerken, gleichberechtigt im Filmgeschäft. Doch als Investoren große Profite witterten, wurden sie an den Rand gedrängt und für Führungspositionen überhaupt nicht mehr besetzt. So erging es auch Alice Guy-Blanché. Trotz ihrer zahlreichen Referenzen bekam die einst so gefragt Regisseurin als Frau keine Jobs mehr und musste sich umorientieren.
Wenige Jahre später konnte sich bereits niemand mehr vorstellen, dass eine Frau Solax gegründet hatte. Also schrieben Journalisten und Autoren die Gründung ihrem Mann zu. Die Credits ihrer Filme wurden wahllos auf Assistenten oder den männlichen Hauptdarsteller umverteilt und so verschwand sie nach und nach aus der Geschichte. Lediglich ihre Filme waren einigen noch bekannt.
Spannende Aufbereitung
Pamela B. Green selbst ist unter anderem selbst Produzentin von Titelsequenzen und visuellen Effekten. Ihre Arbeit kennt man bereits aus vielen Filmen wie Jason Bourne oder Geostorm. Der visuellen Aufbereitung der Doku merkt man dies an, sie kann vollends überzeugen. Auf einer animierten Landkarte geht es von Puzzleteil zu Puzzleteil der Recherche. Nachfahren in Amerika und Europa kommen zur Wort, Fotos, Tagebücher und Material aus persönlichen Archiven wird aufgespürt – und wieder nutzbar gemacht. Wie das geht, wird dem Zuschauer über Grafiken verständlich gemacht.
Die Recherchearbeit bei Be Natural – Sei du selbst ist wirklich beeindruckend. Selbst Geschichtsmuffel können bei diesem Detektivspiel gut unterhalten werden. Die kleine Zeitreise wurde 2019 mit dem Clio Award for Theatrical: Audio/Visual Techniques in Motion Graphics in Silber ausgezeichnet. Produziert unter anderem von Robert Redford und finanziell großzügig unterstützt von – Überraschung – Hugh Hefner, ist die Geschichte dieser wichtigen Filmpionierin nun für alle aufbereitet.
Unser Fazit zu Be natural – sei du selbst
Das Thema an sich ist schon sehr spannend und Pamela B. Green hat sich intensiv damit befasst. Acht Jahre Recherche, spannende Interviewpartner und eine produktionstechnisch gelungene Umsetzung machen die Doku zu gelungenener Unterhaltung mit Mehrwert. Einblicke in die Filmgeschichte machen Be Natural – Sei du selbst für jeden Cineasten sehenswert und Alice Guy-Blanche bekommt ein schönes Denkmal, welches sie mit ihrem Beitrag zur Entwicklung des modernen Spielfilms redlich verdient hat.
Die Dokumentation läuft ab 5. August auch in den deutschen Kinos!
Unsere Wertung:
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