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Birdman – oder die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit

Er war es, möchte es nicht mehr sein und wird nie wieder zu seinen Wurzeln zurückkehren.

TitelBirdman – oder- Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit
Jahr2014
ProduktionslandUSA
RegieAlejandro González Inárritu
DrehbuchAlejandro González Inárritu, Alexander Dinelaris, Nicolás Giacobone
GenreDrama, Komödie
DarstellerMichael Keaton, Edward Norton, Emma Stone, Naomi Watts, Zach Galifianakis
Länge119 Minuten
FSKAb 12 Jahren freigegeben
VerleihTwentieth Century Fox
Cover von Birdman by ©20th Century Fox
Cover von Birdman by ©20th Century Fox

„Wer ist das? Er war früher Birdman

Er war es, möchte es nicht mehr sein und wird nie wieder zu seinen Wurzeln zurückkehren. Riggan Thomson ist eine Berühmtheit, ein Adler, nicht nur im Kostüm, auf den sich die jungen Leute früher, wenn man dem Ton des Filmes bereitwilligt folgt, einen runter geholt haben.

In etwa so wie heute, da sich die Schauspieler in einem Latexanzug verstecken, per Computeranimationen durch die Galaxie fliegen und das echte Theater, mit samt diesem ganzen echten Talent der Menschheit und des Schauspiels, langsam aber beständig in Vergessenheit gerät.

„Der Clown hat nicht mal halb so viel Talent wie du und verdient ein Vermögen in diesem Blechmann-Outfit. Wir waren das einzig Wahre, Riggan, hatten alles. Haben es verschenkt und diesen Schaumschlägern die Schlüssel des Himmelreichs gegeben. Hörst du mir zu? Ha ja, akzeptiere ihn aber ich gehe nicht weg. Du weißt, dass ich recht habe.“

Früher hieß Riggan Birdman und kurbelte eben jene Industrie mit seinem Adler-Kostüm an, die ihn jetzt hinterrücks zerstückelt. Drum redet Birdman noch immer mit ihm, jetzt, da er alt, abgewrackt und vergessen ist. Wer steckte gleich noch in diesem Kostüm? War es Riggan Thomson oder nur ein früheres Abbild seiner selbst? Wollte er berühmt, berüchtigt, eine Legende sein?

„Birdman“ by 20th Century Fox

Hochmut kommt vor dem Fall

So schnell, wie man den Weg bergauf findet, ist auch seine fallende Steigung in Sicht. Hochmut kommt vor dem Fall und hat man sich erst 3 mal am Stück in einer Rolle zur Schau gestellt, wird man darauf reduziert werden. Aber nicht nur das zeigt uns Inárritu in seinem nahezu schnittlosen und musikalisch hochwertigem Drama rund um einen Mann, der sich selbst in einer Rolle verloren hat und endlich etwas schaffen möchte, dass beständig ist. Beständigkeit und Bewunderung ist die größte Offenbarung, die er jetzt noch erklimmen kann.

Inárritu zeigt uns in Birdman außerdem, was echtes Schauspiel bedeutet und wie fordernd es sein kann, wenn man am Broadway echtes Können unter Beweis stellen muss. Wenn man nicht nur drei Zeilen im Gedächtnis, sondern ein ganzes Drehbuch gedanklich behalten und körperlich mit Gestik und Mimik rüberbringen muss!

„Wir hätten die Reality-Show machen sollen, die uns angeboten wurde. Die Thomsons.“ „Halt die Klappe.“ „Das wär‘ gut gewesen.“ „Halt die Klappe.“ „Irre drogensüchtige Klugscheisser-Tochter. Weisse Mutter mit strammen Titten. Das hätten die Leute sehen wollen.“ „Halt die Klappe.“ „Eher als diese Scheisse hier.“ „Halt die Klappe.“

„Birdman“ by 20th Century Fox

Birdman zeigt Hollywood den Stinkefinger

Zugeben, bin auch ich ein nicht minder großer Fan von Superhelden, kann aber nach einem Film wie Birdman nicht mehr daher kommen und verleugnen, was er offenkundig preis gibt. Birdman sagt der Filmindustrie F*** D*** und Leck mich am Arsch, indem er einen gescheiterten, aber ehrlichen Verlierer heroisiert, durch eine ganz einfache Zugabe von echter Bereitschaft, Hingabe und Liebe. Ein kleiner, aber wirkungsvoller Stinkefinger an die Filmindustrie, an Hollywood und seine Konventionen selbst, der mit Oscars in den wichtigsten Kategorien gewürdigt wurde. Irgendwie paradox…

Aber alle Charaktere um ihn herum haben nicht alle Birnen im Kronleuchter. Zumindest nicht ganz.

„Du bist jämmerlich Riggan. Wälzt dich mit diesem tuntigen Theater-Pisser am Boden in ’nem 800 Plätze Drecksloch wie dem hier.“

Gemeint ist Mike, ein arroganter, talentierter und selbstverliebter Egomane, der ganz bewusst gehasst und verachtet wird. Auf der Bühne eine große Nummer, im echten Leben nicht fähig, die Gefühle, die er auf der Bühne offenbart, auch Menschen außerhalb der Bühne entgegenbringen zu können. Aber einfältig ist er deshalb noch lange nicht. Er ist die momentane Seite der Filmindustrie, wohingegen Riggan schon selbst als der Inarritu steht, der mit Herz, Schweiß, Blut und Kraft etwas in die Gesichter des Publikums zaubern möchte. Außerdem will er kritisieren und endlich wieder unter Beweise stellen, was echte Kunst bedeutet.

Michael Keaton in Birdman
Michael Keaton in Birdman by ©20th Century Fox

Kein Charakter in Birdman ist farblos

„Dann würde ich dir die Augen rausnehmen „Ist ja entzückend.“ und würd‘ sie mir in den Schädel stecken. Und dann würde ich die Strassen so sehen, wie ich sie gesehen hab‘ als ich so alt war wie du.“

Sagte Mike, als Sam, Riggan’s Tochter ihn fragt, was er mit ihr anstellen würde, wenn er könnte. Kein Charakter in Birdman ist farblos und einfältig und selbst bzw. gerade Mike bekommt mit solchen Dialogen eine gewaltig paradoxe Seite, die den Zuschauer zumindest kurz verwirrt. Er hat ein Herz, vermutlich sogar am richtigen Fleck, ist aber in den Konventionen Hollywoods und der arroganten Hälfte seines Ich’s gefesselt. Er hat sich damit abgefunden, dass man nicht weniger, als ein riesiges, egoistisches Arschloch sein muss, wenn man zu Ruhm und Glanz gelangen möchte. Würde er ein Theaterstück auf die Bühne bringen, dann ….“Dann würde ich sein Stück zerreißen“. Falls denn meine bescheidene „Kritiker/Kommentator-Meinung“ so wichtig ist, dass es sich dann niemand jemals mehr anschauen würde.

„Dieses Stück fühlt sich langsam so an wie eine deformierte Miniaturversion meiner selbst, die mir unablässig hinterher läuft und mir immer auf die Eier haut, mit einem winzig-kleinen Hammer.“

Wie Puzzleteile, so geht es mir manchmal auch noch. Einige Texte, die ich in meinem Leben schon niederschrieb verfolgen mich auch noch Tage, Wochen und Monate danach, so wie ich es schrieb, weil es mich nicht losgelassen hat. Verbrannte Erde, Erosion, Löcher und Rillen in Birdman, in mir und dem Rest der Welt. Man muss es sich ab und an nur eingestehen, statt die Trauer und seine eigenen Träume zum Teufel zu schicken.

Riggen Thomas hat am Ende doch das Unmögliche geschafft und der unverhofften Macht der Ahnungslosigkeit gefrönt, ihr gegenübergestanden und sie besiegt. Und das mit dem eisernen Willen, echter Literatur, Worten und Dialogen, die in die Geschichte eingegangen sind.

 

Unsere Wertung:

 

 

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