Debütant Matthew Pope liefert uns mit Blood on My Name einen schwer verdaulichen Südstaaten-Krimi. Ob der gemundet hat, erfahrt ihr in unserer Review!
Blood on My Name – Handlung
Leigh Tiller (Bethany Anne Lind) ist genauso fassungs- wie ratlos. Es ist Nacht und vor ihr liegt ein toter Mann in einer Blutlache, hier auf dem Boden ihrer Autowerkstatt. Er war ein alter Komplize ihres Mannes. Und der sitzt im Knast. Zudem hat ihr unsicherer Sohn Ryan (Jared Ivers) Bewährung wegen Körperverletzung, und auch der Laden läuft eher schlecht als recht. Die Polizei will sie nicht rufen, sie möchte keine unangenehmen Fragen beantworten, nach Erklärungen suchen müssen. Auch ihrem Vater Richard (Will Patton), einem Polizisten kurz vor der Pensionierung, mag sie sich nicht anvertrauen. Sie mag ihm noch nicht einmal Ryan anvertrauen, denn ihr Verhältnis ist zerrüttet. Also wohin mit der Leiche? Der Gedanke lässt sie nicht mehr los. Schließlich fasst sie den Entschluss, den Leichnam heimlich bei seiner Witwe Dani Wilson (Elisabeth Röhm) abzuladen. Eine fatale Entscheidung…
Der Film im Kopf
Ein kurzes Schnittgewitter, dann düstere Bilder in langen Einstellungen, angespannte Ruhe und eine Frau, die um Fassung ringt – Regisseur Matthew Pope stellt schon in der ersten Szene klar, was man von Blood on My Name zu erwarten hat. Man wird von jetzt an Leigh Tiller bei jedem ihrer Schritte folgen, mit ihr in den Abgrund schauen, der sich nun immer weiter unter ihr öffnet. Denn anstatt eines herkömmlichen Rache-Thrillers, der sich bei solch einer Geschichte angeboten hätte, entschied Pope sich dafür, ein Psychogramm dieser Frau zu zeichnen. Und dafür nimmt er sich, angesichts der mit 84 Minuten sehr knapp bemessenen Länge des Films, nahezu unendlich viel Zeit. Zeit, die den Zuschauer animieren soll, nicht nur mit der Frau mitzufühlen, sondern auch das Szenario intellektuell durchzuspielen.
Diese Herangehensweise erweist sich auch tatsächlich als äußerst enervierend, im Guten wie im Schlechten. Es gibt keinerlei Erzähler, nicht einmal Leigh selbst lässt einen an ihren Gedanken teilhaben. Man ist darauf angewiesen, Ereignisse und Motive aus den spärlichen Informationen, die in der folgenden Handlung und dem Dialog unter den Figuren preisgegeben werden, selbst zu rekonstruieren. In den besten Momenten ist das sehr spannend, über weite Strecken aber auch mühsam und beschwerlich. Doch der Film baut darauf, dass man sich gedanklich mit ihm beschäftigen will und gibt einem in den langen Einstellungen, den zermürbenden Passagen, in denen Menschen eben nicht miteinander reden, auch genügend Zeit dafür.
Eine Gesellschaft im freien Fall
Optisch wird dies von Bildern des Verfalls begleitet, in die Gegend, in der Blood on My Name spielt, möchte sicherlich niemand freiwillig einen Fuß setzen. Alles spielt in einem von Armut durchsetzten Südstaaten-Nest, in der sich das Elend in Aussehen, Gestik und auch dem Ausdruck der Menschen widerspiegelt. Man erfährt, dass sich viele Leute hier mit illegalen Geschäften über Wasser halten und von Schmerzmitteln abhängig sind, weil sie das Leid ansonsten nicht ertragen.
Diese Bilder erinnern an Filme wie Terrence Malicks Badlands – Zerschossene Träume (1973) oder auch das Krimi-Drama Hell or High Water (2016) mit Chris Pine. Das Ganze schwingt stimmungsmäßig auf einer ähnlichen Wellenlänge wie die erste Staffel der gefeierten Serie True Detective. Das Ambiente unterstreicht den Fatalismus, den Sog hin zur Tragödie, den die Geschichte entwickelt. Der Handlungsort gleicht einer Vorhölle, die die Protagonistin nicht mehr loslässt. Die Bilder des Stillstands manifestieren die Ausweglosigkeit ihrer Position.
Menschen lügen
Das Skript baut darauf, dass man fähig dazu ist, mit dieser Frau mitzufühlen. Ihr Schock sitzt tief, ihre Panik ist greifbar. Leigh Tiller steht im Fokus der Geschichte, und doch bewegt sich die Kamera immer wieder von ihr weg. Geradezu als wollte sie einem sagen, dass der Tod des Mannes nicht das einzige, und auch nicht das eigentliche Geheimnis ist, um das es hier geht. Die handelnde Person in Blood on My Name ist nämlich vor allem eins: unzuverlässig.
Leigh tut nicht immer das, was sie tun sollte. Es scheint manchmal so, als setzte der gesunde Menschenverstand bei ihr aus. Vor allem aber sagt sie nicht immer die Wahrheit. Sie lässt entscheidende Details aus, belässt es bei Andeutungen oder gibt das Geschehen verzerrt wieder. Und allmählich merkt man, dass das Bild, das man sich mühsam von der Geschichte gemacht hat, möglicherweise gar nicht stimmt. Man kann dem Intellekt nicht trauen, solange man nicht weiß, welche Informationen nun wahr oder falsch sind.
Es ist stellenweise schon sehr faszinierend, wie sehr der Debütant mit seiner Erzählung manipuliert. Natürlich nur, wenn man sich darauf einlässt. Aber, und das ist leider ein wenig die Krux an der Sache, das wird einem bei Blood on My Name nicht gerade leicht gemacht. Es soll wahrscheinlich auch nicht leicht sein, die Geschichte will fordern.
Anfangs noch überrumpeln die Kamera und der Schnitt mit düsteren Bildern des Tatorts. In schnellen Schnitten wird einem immer nur ausschnittweise ein Blick auf den Toten gewährt. Doch schon bald breitet sich eine unangenehme Ruhe aus, manche Kameraeinstellung will einfach nicht enden, und die Bilder der Umgebung setzen sich im Kopf fest. Es vergeht viel Zeit zwischen den Dialogen und den Handlungen, dass man einfach nicht drum herum kommt, sich seine Gedanken zu machen. Und wer das eben nicht will, der schaltet wohl ab.
Der Macher von Blood on My Name
Regisseur und Autor Matthew Pope hat sich im Business über mehr als 15 Jahre hochgearbeitet, hat den Kabelträger und den Casting Director gegeben, quasi das Handwerk von der Pike auf gelernt. Erste Aufmerksamkeit erhielt er, als 2005 sein Kurzfilm The Line Starts here einen von Coca-Cola initiierten Wettbewerb gewann und landesweit in Kinos gezeigt wurde. Doch der Weg zum ersten Spielfilm war lang und führte auch über das Reality-TV. Man merkt Blood on My Name aber auch an, dass sich der Macher in allen Bereichen, von Vorproduktion bis Endschnitt, gut auskennt, nichts scheint hier dem Zufall überlassen. Der Cast, auf den wir gleich noch zu sprechen kommen, ist sorgfältig gewählt, und hinter der Kamera tummeln sich vornehmlich Weggefährten.
Das Drehbuch schrieb Pope mit Kollege Don M. Johnson, die Kamera übernahm Matthew Rogers. Alle drei arbeiteten schon beim Kurzfilm The Echo Construct (2013) zusammen. Für die Musik zeichneten die Brüder Brooke und Will Blair verantwortlich, die für Jeremy Saulniers Filme Blue Ruin (2013) und Green Room (2015) ähnlich minimalistische, aber effektive Klangwelten erschufen. Sie hinterließen zuletzt mit dem teils recht schrägen Soundtrack zum wenig beliebten Slasher-Remake Black Christmas (2019) eine markante Duftmarke. Der Jungregisseur wusste also ganz genau, was er von seiner Crew erwarten konnte, und setze ihre Talente wirklich sehr gewinnbringend ein.
Ein gut zusammengesetzter Cast
Ein großes Plus von Blood on My Name ist sein Cast. Mit Bethany Anne Lind (Ozark, Doom Patrol) sieht man eine Schauspielerin in der Hauptrolle, deren Gesicht noch verhältnismäßig unverbraucht ist. Es lässt sich nicht so schnell in ein Schema einfassen, es schürt keine Erwartungen. Sie macht ihre Sache dabei ausgezeichnet, beweist ein unglaubliches Pokergesicht im Umgang mit den Menschen in ihrer Umgebung.
Jared Ivers als Ryan Tiller hat eine eher undankbare Rolle, ist eigentlich sogar ein wandelndes Klischee. Das ehemalige Kindermodel spielt ein Muttersöhnchen, das wirklich arg unter der Fuchtel steht und sich für seine Herkunft und seine Situation schämt. Seine Rolle offenbart sich als mehr ein Motiv denn eine ausgereifter Charakter. Er ist schlussendlich der Grund für seine Mutter, das zu tun, was sie schließlich tut.
In der Rolle von Richard Tiller, dem grantigen Cop, der von seiner Tochter geschnitten wird, ist Will Patton zu sehen. Er kann auf mehr als 40 Jahre als Schauspieler zurückblicken und hat sich dabei als sehr wandlungsfähig erwiesen, man kennt ihn aus u.a. No Way Out (1987), Postman (1997) oder The Punisher (2004). Sein Gesicht sagt hier zwar stets, dass er ein Guter sei, doch das Verhalten seiner Tochter widerspricht dem, es kündigt von einem weiteren Geheimnis.
Elisabeth Röhm kennt man vielleicht noch aus Serien wie Law & Order oder The Last Ship, oder auch TV-Filmen wie Lake Placid 4 (2012) und Mega Shark vs Mecha Shark (2014). Die Düsseldorferin wechselt des Öfteren zwischen Film und Fernsehen, ist im Kino aber eher in Nebenrollen zu sehen. Hier sieht sie wirklich geradezu hinreißend abgewrackt aus.
Unser Fazit zu Blood on My Name
Das Krimi-Drama mit seinem schleichenden Thriller-Plot ist ein in weiten Teilen beeindruckendes Debüt, das leider ein paar Einbußen in der B-Note hinnehmen muss. Die Konsequenz, mit der Matthew Pope die Geschichte von Blood on My Name vorantreibt, die schier quälende Langsamkeit der Erzählung dürfte viele Zuschauer abschrecken. Aber sicherlich ist das etwas, das er bereit war, dafür hinzunehmen. Wer sich auf den Film und seine spezielle Art einlässt, wird mit einem atmosphärisch dichten und auch sehr intelligenten Noir-Drama belohnt.
Blood on my Name ist am 25. März 2021 als Blu-ray, DVD und digitaler Download über Kochfilms erschienen!
Unsere Wertung:
© Kochfilms