In China war City under Fire – Die Bombe tickt als geistiger Nachfolger des Action-Thrillers Shock Wave (2017) ein großer Hit. Warum der Film mit Andy Lau dennoch für mehr Kopfzerbrechen statt kurzweiliges Amüsement sorgt, erfahrt ihr in unserer Review!
Die Handlung von City under Fire – Die Bombe tickt
Durch eine Unachtsamkeit verliert Bombenexperte Poon Shing-Fung (Andy Lau) bei der Arbeit ein Bein. Trotz beachtlicher Rekonvaleszenz mittels fortschrittlicher Prothese wird ihm die Wiedereingliederung in den aktiven Außendienst verwehrt, weshalb er dem Bombenkommando den Rücken kehrt. Zwei Jahre später entdeckt sein ehemaliger Kollege Tung Cheuk-Man (Lau Ching-Wan) ihn dann unter den Verletzten eines verheerenden Bombenanschlags auf ein Hotel. Poon gilt als schwer tatverdächtig, fällt aber in ein tiefes Koma.
Tatsächlich hat er sich der terroristischen Vereinigung des Millionenerben und Anarchisten Ma Sai-Kwan (Tse Kwan Ho) angeschlossen. Der schickt seine Männer, um den für eine nächste Aktion wichtigen Poon aus dem Krankenhaus zu befreien. Doch der inzwischen Erwachte leidet unter Amnesie und nutzt das bleihaltige Durcheinander zur Flucht. Der ehrgeizige Ermittler Lee Yeo-Sing (Phillip Cheung) wird auf ihn angesetzt, kann ihn aber nicht festsetzen. Der immer noch in seiner Erinnerung beschränkte Poon hat in der Zwischenzeit Kontakt zu seiner ehemaligen Freundin Peng Ling (Ni Ni) aufgenommen. Zusammen setzen sie nun alles daran, Ma aufzuhalten. Denn der hat einen Anschlag geplant, der alle vorigen in den Schatten stellen soll…
Im Auge des Terrors
City under Fire – Die Bombe tickt beginnt mit einer mächtigen Explosion. Eine Atombombe detoniert auf dem Flughafen von Hongkong, tötet dort tausende Menschen und verwüstet die Umgebung. Doch ist dies nur Augenwischerei, ein Gedankenspiel. Es präsentiert den hypothetischen Ausgang der im Folgenden erzählten Geschichte, die zwei Jahre zuvor ansetzt. Sie dient als erzählerischer Taschenspieler-Trick, um ein nachdrückliches Gefühl für die Gefahr zu etablieren, die vom Terroristen Ma ausgeht. Das erinnert nicht nur rein zufällig an die Mechanismen politischer Propaganda durch Abschreckung, sondern bedient diese ganz bewusst, aber dazu später mehr.
Die kompliziert wirkende Geschichte ist am Ende ganz einfach – Ein gefallener Held muss seine Kräfte mit denen seiner Freunde bündeln, um die Bedrohung zu bekämpfen. Regisseur Herman Yau verpackt die Vorgeschichte um den Unfall und Poons Versuch der Rehabilitation in eine Aneinanderreihung kurzer Szenen. Das ist flott, übersichtlich und größtenteils nachvollziehbar. Dann vollzieht die Geschichte einen Sprung um zwei Jahre. Wir begleiten unseren Protagonisten nun zu konspirativen Gesprächen und Übergaben, die schließlich im Selbstmordattentat eines jungen Studenten münden. Hier wird wieder seine Geschichte mit der von seinem ehemaligen Kollegen Tung und seiner Ex-Freundin Peng, sowie mit dem Terroristen Ma verknüpft. Das mündet schließlich in einer rasant montierten Action-Szene im Hotel, an dessen Ende eine große Veranstaltung am Pool das Ziel eines weiteren Anschlags ist, bei welchem Poon selbst schwer verletzt wird. Und hier kippt dann auch die Handlung, nur langsam, aber sicher.
Ideologische Fallstricke
Die Explosion zu Beginn des Films soll nicht der einzige Taschenspielertrick des Drehbuchs bleiben. Denn Andy Lau darf nicht der Antagonist in diesem Spiel bleiben, was alleine schon seinem Status als Publikumsliebling geschuldet ist. Da den Autoren aber wohl klar war, dass eine Läuterung entweder zu unglaubwürdig wäre oder den Film ausbremsen würde, platzierten sie hier einen Twist. Der hätte auch funktioniert, hinterlässt dennoch einen bitteren Nachgeschmack. Um einer sich stetig subtil ausbreitenden Ideologie Rechnung zu tragen, vollziehen sie in diesem Fall nämlich zuerst eine Rolle vorwärts und später wieder rückwärts.
Denn Andy Laus gebrochener Held repräsentiert nichts geringeres als Hongkong selbst. Sein Scheitern als Polizist und Held bildet das von chinesischer Seite aus betrachtete Scheitern des Prinzips “Ein Land – Zwei Systeme”. Poon verrennt sich, orientierungslos und verkrüppelt, landet in den Armen des internationalen Terrorismus. Ma ist als Unternehmenserbe natürlich eine Ausgeburt des Kapitalismus, viele seine Mitstreiter sichtlich kaukasischer Abstammung. Die Radikalisierung Poons, dem einst strahlenden Helden, ist dabei nur vage gezeichnet. Ihr wird nicht viel Platz eingeräumt und sie wirkt letztendlich konstruiert.
Superstar Andy Lau darf am Ende wieder mit Kollege Lau Ching-Wan zu einer letzten Mission aufbrechen, um die Atombombe zu entschärfen. Eine Wiedervereinigung, die dem Wohl aller dient. Nur ist leider von der ambivalenten Figur, die im ersten Drittel des Films aufgebaut wurde, nur mehr der ideologische Unterbau übrig. Wenn man das alles schluckt, wird einem genug Krachbumm geboten, um auch bis zum Schluss die Spannung aufrecht zu erhalten. Wenn nicht, nimmt man das ganze Getöse wohl eher als optisch nette Konklusion der Geschehnisse zur Kenntnis. Genauso den unangenehmen Subtext, dass die Aufstände in Hongkong für Peking nur wie eine rebellische Phase erscheinen, die es erfolgreich abzuwürgen gilt.
Biedere Action von der Stange
Aber genug der Politik, abseits dessen schlägt sich City under Fire – Die Bombe tickt als Spektakelkino nämlich recht wacker. Gerade die Verfolgungsjagden ab der Flucht aus dem Krankenhaus sind sehr dynamisch gefilmt. Allerdings muss man hier gleich mal verdrängen, dass Andy Laus Charakter mit gerade geklauten Prothesen auf dem Niveau eines Hochleistungssportlers durch die Gegend springt und sprintet. Die Schießereien werden mit ordentlich Wumms von der Tonspur begleitet, das macht Eindruck. Allerdings kommt ein Großteil der Effektarbeit, u.a. Blut und Mündungsfeuer, gut sichtbar aus dem Rechner. Dies sind trotzdem die Szenen, in denen der Film eben auch am meisten Spaß macht.
Sowieso gönnt sich der Film nicht allzu oft eine Pause. Selbst handlungstreibende Dialoge und die Szenen Andy Laus mit Lau Ching-Wan oder Ni Ni, die eben das Drama aus dem Stoff kitzeln sollen, werden schnell hintereinander weg geschnitten. Positiv daran ist sicherlich, dass der Flow nie wirklich ins Stocken kommt. Demgegenüber erhält die Geschichte kein Gewicht, die Wandlungen des Protagonisten finden statt, weil sie der Handlung nach geschehen müssen. Auf menschlicher Seite wirkt nichts irgendwie zwingend. Und so mag auch keinerlei mitreißende Spannung aufkommen.
Leider kann der sonst so zuverlässige Andy Lau in der Hauptrolle nicht durchgehend überzeugen. Das liegt teils mitunter auch am Skript, aber er kann im weiteren Verlauf des Films der Zerrissenheit seines Charakters mit seinem Spiel nicht wirklich Rechnung tragen. Lau Ching-Wan und Ni Ni stehen dagegen vor keinen großen Herausforderungen und bleiben überwiegend souverän. Einzig Phillip Cheung als übereifrig wirkender Ermittler neigt vom ersten Moment an zum Chargieren, was aber nicht negativ ins Auge fällt.
Unser Fazit zu City under Fire – Die Bombe tickt
Selbst wenn man den unangenehmen ideologischen Subtext beiseite lässt, bleibt bei City under Fire – Die Bombe tickt unterm Strich nur recht durchschnittliche Action-Kost auf dem Teller. Die Story wirkt unangemessen kompliziert erzählt und muss sich einiger umständlicher Kniffe bedienen, um überhaupt Spannung aufzubauen. Das Tempo wird zwar recht hoch gehalten, aber die Action kommt zu oft und zu merklich aus der Konserve, da geht trotz ordentlicher Optik einiges an Flair verloren. Für den Hongkong-Fan an sich mag das noch genügen, um einen Abend lang zu unterhalten, aber ein wenig mehr Fleisch auf den dramaturgischen Rippen wäre nett gewesen, ein bisschen altmodische Effektarbeit, gerade in den Feuergefechten, sowieso. Am Ende bleibt der Film irgendwo zwischen leichter Kost und Ärgernis hängen.
City under Fire – Die Bombe tickt erschien am 24. Februar 2022 auf Blu-ray, DVD und als VoD!
Unsere Wertung:
© Koch Films