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Miu im Vordergrund im Schweinestall, hinten die Schweine in der Unschärfe

Copenhagen Cowboy

Der unangefochtene Meister des Neon-Looks ist mit einer neuen Miniserie für Netflix zurück. Kann Nicolas Winding Refn mit Copenhagen Cowboy an seine Meisterwerke anknüpfen oder ist auch sein zweites Serienprojekt eher schwer vermittelbar?

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TitelCopenhagen Cowboy
Jahr2022
LandDänemark
RegieNicolas Winding Refn
DrehbuchSara Isabella Jönsson, Johanne Algren, Mona Masri
GenreSerien
DarstellerAngela Bundalovic, Fleur Frilund, Lola Corfixen, Zlatko Burić, Andreas Lykke Jørgensen, Jason Hendil-Forssell, Li Ii Zhang, Dragana Milutinović, Mikael Bertelsen, Mads Brügger, Ramadan Huseini, Per Thiim Thim
Länge6 Folgen mit je ca. 45 Minuten
Altersempfehlungab 16 Jahren freigegeben
VerleihNetflix
Miu steht vor einem blumentapezierten Wand und hat ebenfalls Blumenmuster im Gesicht. Copenhagen Cowboy
Copenhagen Cowboy © Netflix

Copenhagen Cowboy – Die Handlung kompakt

Nach Jahren der Unterwürfigkeit wagt die geheimnisvolle Miu in der düsteren, kriminellen Unterwelt Kopenhagens einen Neuanfang, wo sie nach Gerechtigkeit sucht und Rache übt. Dabei begegnet sie ihrer Erzfeindin Rakel, mit der sie sich auf eine Odyssee durch die reale und die übernatürliche Welt begibt. Schließlich verändert und bestimmt die Vergangenheit die Zukunft der zwei Frauen, die feststellen, dass sie nicht allein sind.

Eindeutig Refn

Der Däne Nicolas Winding Refn hat mit seinen Hollywood-Produktionen unter anderem für Drive mit Ryan Gosling oder für Bronson mit Tom Hardy arbeiten dürfen. Groß geworden ist er jedoch mit seiner Pusher-Trilogie mit unter anderem Mads Mikkelsen. Nach seinem vorerst letzten Film The Neon Demon hat er bereits Serien-Luft bei der Konkurrenz von Amazon geschnuppert. Too Old to Die Young mit Miles Teller traf jedoch nicht auf viel Interesse und auch nur wenige Kritikerstimmen waren dem Crime-Drama gegenüber wohlgesonnen. Die inszenatorische Handschrift des Filmemachers war zwar auch in der Miniserie das prägnante Merkmal, aber die extrem langatmige Erzählweise strapazierte die Geduld vieler Zuschauerinnen und Zuschauer über. Wie sieht es aber nun mit der nächsten Miniserie Refns aus? Hat der dänische Regisseur aus der Kritik seine Schlüsse gezogen oder bleibt er stur seiner Agenda treu?

Die Antwort lautet: sowohl als auch! Auch Copenhagen Cowboy ist in wenigen Einstellungen sofort als Machwerk Refns zu identifizieren. Das nächtliche Setting in einer Unterwelt, die irgendwo zwischen Parallelwelt und mythischem Sehnsuchtsort einzuordnen ist. Dazu der exzessive Einsatz von Neonlicht, die verschrobenen Charaktere, die rohe Brutalität in der Gewaltdarstellung. Einmal mehr findet der Drive-Macher aber auch in all der Düsternis Ästhetik und Ruhe, fast etwas Magisches. Menschenhandel. Prostitution. Rotlicht. Sphärische Klänge. Die Dialoge aufs wesentliche reduziert, doch zwischen den Zeilen schneiden sie mit scharfer Klinge tief ins Fleisch. Und auch in vermeintlich leeren, vom Schmerz geprägten Gesichtern fängt Refn wesentlich mehr Gefühlswelten ein als viele andere Filmemacher. Er bleibt sich mit der Miniserie für den Streaming-Riesen inszenatorisch in fast allen Belangen treu und bietet somit seinen Fans genau das, was sie sehen möchten.

Der Reiz liegt in der Geschichte, den Figuren…

Wer bislang schon mit dem Tempo von Refn-Erzählungen Probleme hatte, wird hier erneut schnell an seine Grenzen stoßen. Denn Copenhagen Cowboy ist extrem langsam vorgetragen. Der Däne schließt, was das betrifft, an seine vorherige Serie an und streckt erneut den Stoff, den andere in zwei/zweieinhalb Stunden Film gepackt hätten, auf insgesamt sechs knapp einstündige Episoden. Einige Einstellungen entfallen aber erst in dieser Nicht-Geschwindigkeit ihre quälende Wirkung. Wenn beispielsweise Miu minutenlang durch das Anwesen ihrer „Gastgeber“ fast tranceartig schlendert, dann soll das Publikum durch die Langsamkeit an der bedrückenden Wirkung, die die Situation auf die Protagonistin hat, partizipieren.

Dass man aber hier trotzdem, wenn man mal am Haken ist, kaum ausschalten kann, liegt daran, dass die Story sich auch erst nach und nach entfaltet, aber die Indizien, die einem vorgesetzt werden, sehr viel Interesse wecken und Spannung aufbauen. Refn schafft es mehrere Mysterien um die Charaktere herum aufzubauen, deren Entschlüsselung man unbedingt sehen will. Zentral ist dabei die Frage, wer eigentlich diese mysteriöse Miu ist: wo kommt sie her, wieso ist sie hier gelandet, was plant sie? Dass dieses Rätsel schon alleine zum Dranbleiben genügen würde, liegt an der fantastischen Darstellung von Angela Bundalovic, die mit ihrer wortwörtlichen Seelenruhe in vielen Szenen in den Bann zu ziehen weiß. Ihr stoischer Gesichtsausdruck ist so eiskalt und markig, dass er gut und gerne in Lexika unter „Wenn Blicke töten könnten…“ zu sehen sein könnte.

… und den Vierbeinern

Sympathisch ist die Protagonistin über weite Strecken jedoch nicht. Wer stets Heldenfiguren zum Mitfiebern braucht, wird hier schwer Zugang finden. Ein Ryan Gosling in Drive war auch nicht das blühende Leben in Person, aber wie seinem namenlosen Fahrer, wohnt auch Bundalovic eine Aura inne, die man schwer in Worte fassen kann. Neben ihr schafft es der gesamte Cast durch die richtigen Nuancen im Spiel in den richtigen Momenten dem Ganzen eine Authentizität zu verschaffen, die trotz oder gerade wegen der teilweise surrealistisch, märchenhaften Aufladung bestimmter inhaltlicher Ebenen genau richtig für die Stimmung ist, die Refn transportieren möchte. Und nicht unerwähnt bleiben dürfen hier auch die heimlichen, vierbeinigen Stars der Serie: Schweine spielen in der obskuren Show eine nicht unbedeutende Rolle und stehen symbolisch für einiges. Zartbesaitete Zuschauerinnen und Zuschauer werden die Borstentiere im Nachgang nicht mehr mit den selben Augen sehen.

Drei Personen sitzen im halbdunklen Raum an einem kleinen Tisch, zwei weitere stehen nahe bei Ihnen. Alle blicken Richtung Betrachter. Copenhagen Cowboy
Mysteriöse Gestalten, wie man sie von Refn erwarten darf © Netflix

Drei Folgen schleichend, drei Folgen pure Eskalation

Bis auf einzelne kurze Momente, in denen doch schon in der ersten Staffelhälfte ein Hauch von Wahnsinn durchschimmern kann (Stichwort: der quiekende Sven) ist alles in den ersten drei Episoden noch ein gemächliches und atmosphärisches Drama in kriminellen Gefilden. Dann aber dreht Refn mit einem Mal den Wahnsinn auf die Höchststufe und sorgt so dafür, dass man die zweite Hälfte der Miniserie so schnell nicht vergessen wird. Übernatürliche Elemente, die zuvor unter der Oberfläche waberten, dürfen sich Bahn brechen. Von der oben erwähnten Stille der Protagonistin ist auch nur noch wenig zu merken. Kurz und ohne den Überraschungseffekt vorwegzunehmen: Man befindet sich in einem gänzlich anderen Genre, wobei der Wechsel dorthin eingefleischten Refn-Fans mit Gewissheit respektvollen Applaus abnötigen wird.

Wer sollte sich Copenhagen Cowboy nicht entgehen lassen?

Für den Mainstream-Netflix-Abonnenten ist Copenhagen Cowboy nicht gedacht. 95 Prozent aller Streaming-Kunden werden mit dieser Miniserie kaum etwas anzufangen wissen. Zu kryptisch, zu langsam, zu tiefgründig. Für die restlichen fünf Prozent ist diese Produktion dafür schon im Januar ein Kandidat für die Bestenliste des Jahres 2023. Anspruchsvoll sowohl ästhetisch, sowie erzählerisch, elliptisch und voller subtiler Halbwahrheiten. Natürlich werden die Anhänger des Machers die primären Abnehmer dieses Projekts sein. Aber wer beispielsweise die filmischen Rätsel eines David Lynch mag, der sollte sich einmal auf dieses Serienexperiment einlassen. Innerhalb des Netflix-Programm gibt es wenig Vergleichbares, was die Sonderstellung nur nochmal unterstreicht. Jedoch könnten sich Fans der verschrobenen Miniserie Brand New Cherry Flavor auch in dieser Welt zurechtfinden.

Nach dem oben beschriebenen Bruch innerhalb der Staffel, könnte man in der zweiten Hälfte sogar John-Wick-Vizes spüren. Denn die Unterwelt von Kopenhagen scheint der des Continental gar nicht so unähnlich zu sein. Und ja: sogar von asiatischen Kampfkünsten inspirierte Actionszenen finden im wilden Mix dieser Genre-sprengenden Serie Platz.

Ein blonder Mann im weißen Anzug mit rotem Hemd sitzt mit wütender Miene vor einer Wand mit Blumentapete
Blond und ultrabrutal © Netflix

Unser Fazit zu Copenhagen Cowboy

Hypnotische Geschichte trifft auf die Rohheit des Nordic-Noir, trifft auf die Schonungslosigkeit moderner, sozialkritischer Milieustudien. Copenhagen Cowboy ist Indie-Kino im Serienformat. Nicolas Winding Refn macht seinem Ruf alle Ehre. Ein Projekt für Feuilletonisten, Serien-Gourmets und Fans der Entschleunigung. Nach den sechs Folgen ist man nicht schlauer als zuvor und ganz bestimmt sogar nicht glücklicher. Vielleicht ist man sogar verstört, abgestoßen oder fasziniert. Was man aber auf jeden Fall mitnimmt, ist etwas, das nur wenige Stoffe bei Netflix bieten: Anstoß zum Nachdenken und ekstatische Bilder mit Deutungsspielraum.

Copenhagen Cowboy ist ab dem 5. Januar komplett bei Netflix im Streamingabo abrufbar.

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Unsere Wertung:

 

 

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