Cyberpunk: Edgerunners basiert auf dem beliebten SF-Action-Rollenspiel Cyberpunk 2077. Ob die neue Netflix-Anime-Serie von den Startschwierigkeiten des Vorbilds verschont bleibt, erfahrt ihr in unserer Review!
Die Handlung von Cyberpunk: Edgerunners
Night City, 2077: Teenager David Martinez geht auf die renommnierte Arsaka Academy. Er würde viel lieber auf der Straße Anenteuer erleben, doch seine Mutter, eine überarbeitete Krankenschwester, besteht auf einer guten Ausbildung für den heißblütigen Jungspund. Als sie jedoch bei einer Schießerei auf der Straße getötet wird, steht der Junge finanziell vor dem Aus. Doch er entdeckt unter den Sachen seiner Mutter ein ominöses Militär-Implantat für Geschwindigkeitsboost, dass er sich einsetzen lässt. Durch die mysteriöse Netrunnerin Lucy kommt David an die Söldner-Truppe des Edgerunners Maine, der ihn unter seine Fittiche nimmt. Doch im Hintergrund ziehen mächtige Konzerne die Fäden, denen auch Davids Talent nicht verborgen bleibt…
Vom Spiel zur Serie
Netflix hat sich über die letzten Jahre zu einer guten Adresse für erstklassige Anime-Kost gemausert. Der Streamingdienst beherbergt derzeit nicht nur Kultserien wie Neon Genesis Evangelion oder Cowboy Bebop. Auch der neueste Ableger des Ghost in the Shell-Franchise, namentlich Ghost in the Shell SAC_2045, oder der Monster-Kracher Godzilla Singular Point haben hier ein Zuhause gefunden. Und trotzdem sticht Cyberpunk: Edgerunners aus diesem großartigen Angebot an Animes hervor. Denn es basiert auf einem der teuersten Computerspiele aller Zeiten – Cyberpunk 2077 vom polnischen Entwickler CD Projekt Red.
Das beliebte Action-Rollenspiel wurde 2020 bei Release von heftigen Startproblemen und einem dementsprechend negativen Medien-Echo begleitet. Dennoch war die Welt von Cyberpunk 2077, welches selbst dem Pen’n’Paper-Rollenspiel Cyberpunk 2020 von 1988 basiert, angefüllt mit faszinierender Architektur, schrägen Typen und finsteren Verschwörungen von Großkonzernen. Kurzum, es gab eine schier unendliche Anzahl von Geschichten aus dieser Welt zu erzählen.
Wie der Spieler im Game wird der Protagonist David Martinez seinem Alltag entrissen. Er findet sich nach dem Tod seiner Mutter plötzlich mit dem Rücken zur Wand wieder. Es wird schnell klar, dass man in Night City 2077 nichts zählt, wenn man nicht genügend Geld zur Hand hat. David kann weder für das Begräbnis seiner Mutter aufkommen, noch für die Miete der gemeinsamen Wohnung oder das Schulgeld, um seine Ausbildung fortzusetzen. Er setzt alles auf eine Karte und lässt sich das Implantat einsetzen, welches er bei seiner Mutter gefunden hat. Sein erstaunliches Talent mit dieser fordernden Technik umzugehen rückt ihn schließlich in den Fokus einiger Interessengruppen, von den ungehobelten Edgerunners bis in die Spitze zweier Großkonzerne.
Eine gnadenlose Welt
Cyberpunk: Edgerunners lebt im Wesentlichen von zwei Dingen: seiner faszinierenden Welt und brutaler Action. Wie im zugrunde liegenden Spiel sind die Macher nicht zimperlich, wenn es um die Darstellung von Sex und Gewalt geht. Die Straßen beherbergen Obdachlose und Verrückte, skrupellose Banden kontrollieren die Viertel um die riesigen Wolkenkratzer herum. Und die wohl größte Gefahr geht von den Cyber-Psychos aus, denen der Umgang mit den Implantaten und die damit einhergehende Entmenschlichung den Verstand gekostet hat. Gerade letzteres wird im Verlauf der Serie immer wieder thematisiert, hier finden sich auch ihre stärksten Momente.
Gleich zu Beginn wird man Zeuge eines blutig-brutalen Amoklaufs, der nur von einem speziellen Sondereinsatzkommando beendet werden kann. Hier werden keine Gefangenen gemacht. Auch im weiteren Verlauf der Geschichte gehen die Mitstreiter von Edgerunner Maine, zu denen David stößt, wenig zimperlich bei der Ausführung ihrer Aufträge vor. Kolleteralschaden wird achselzuckend in Kauf genommen, auch wenn sich die Macher aussparen, großflächig Zivilisten über die Klinge springen zu lassen. Dies ist auch durchaus wichtig, da man ansonsten schon schnell die Sympathie für David und seine Kumpane verloren hätte.
An anderer Stelle nimmt sich Cyberpunk: Edgerunners auch die Zeit, das Innenleben seiner Charaktere zu beleuchten. Jedoch bleiben bis auf David und Lucy die meisten eher blass. Das ist jedoch zu vernachlässigen, da schnell feststeht, dass die beiden das Zentrum der Geschichte bilden. Die Weichen in der Erzählung werden fast immer durch die Interaktion zwischen ihnen gestellt. Das trägt allerdings auch dazu bei, dass Cyberpunk: Edgerunners nicht allzu tief in seine eigene Welt vordringt. Die Komplexität etwa eines Ghost in the Shell SAC_2045 geht ihm vollkommen ab. Doch das ist zu verschmerzen, denn immerhin gibt es eine spannende Story und großartig inszenierte Action. Und was den Stil, in dem das alles umgesetzt wird, angeht, geht die Serie wirklich all in.
Grandios bebilderte Sci-Fi-Action
Das, was die Serie heutzutage aus der immensen Konkurrenz abhebt, ist seine grandiose Optik. Die flirrende Zukunftsmetropole erstrahlt zwischen den dunklen Gassen in bunten Farben, gerne neon. Der Look des Spiels wurde kongenial auf die Serie übertragen. Es gibt überall eine Vielzahl an Details zu entdecken, so viel, dass man es beim ersten Hinschauen gar nicht erfassen kann. Es gibt wohl kaum eine andere Serie, die ihre Welt so schön und überbordend bebildert wie Cyberpunk: Edgerunners. Man könnte glatt darin versinken. Als besonderer Clou erweisen sich dabei HUD-Einblendungen, wenn die Charaktere miteinander kommunizieren. Dies erinnert einen immer wieder daran, dass sie alle über das allgegenwärtige Cyberspace vernetzt sind und nicht mehr auf das gesprochene Wort angewiesen.
Um sich in den Action-Szenen noch etwas abzuheben, experimentieren die Macher mit Wechseln im Stil und vor allem der Farbpalette. So wirken viele der blutigen Auseinandersetzungen schon leicht surreal, wie auch die gelegentlichen Ausflüge in den Cyberspace. Das nimmt zum einen der Gewalt etwas ihrer Schärfe, erhöht aber auch die Spannung im Hinblick auf die jeweils nächste Action-Sequenz ungemein. In diesen Szenen wird Cyberspace: Edgerunners zu einer spektakulären Achterbahnfahrt in Anime-Form. Das ist stellenweise dermaßen faszinierend, dass man es glatt in Dauerschleife laufen lassen könnte.
Nur die Synchronisation, die sehr an den Sprech der 90er-Jahre erinnert, wirkt anfangs gewöhnungsbedürftig. Das ist aber so gewollt, da auch der Score, wie im Spiel, auf eben diese Ära verweist. Sowieso finden sich für das geübte Cyberpunk-Auge allerlei Anspielungen an Cyberpunk 2077, aber auch an viele verschiedene Filme und Serien aus dem Cyberpunk-Subgenre.
Unser Fazit zu Cyberpunk: Edgerunners
Auch wenn Cyberpunk: Edgerunners erzählerisch ruhig ein wenig ambitionierter hätte ausfällen dürfen, kommt man nicht umhin, die grandiose Optik und die überbordernd brutale Action der 10 Folgen einfach nur zu genießen. Fans von Cyberpunk 2077 werden sich sofort heimisch fühlen, während Neulinge sicherlich ein bis zwei Episoden brauchen könnten, um sich einzugewöhnen. Denn Cyberpunk: Edgerunners macht sich nicht die Mühe, seine Welt zu erklären, sondern wirft die Zuschauerinnen und Zuschauer mitten ins Geschehen. Das macht aber auch einen Teil seines Reizes aus. Und wenn es dann erstmal rund läuft, gestattet dieser wilde Ritt ohnehin keine Längen. Für gestählte Anime- und/oder Cyberpunk-Fans, oder solche, die es werden wollen, können wir also nur eine volle Empfehlung aussprechen.
Die 10 Folgen von Cyberpunk: Edgerunners stehen seit dem 13. September 2022 auf Netflix zum Abruf bereit!
Unsere Wertung:
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