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Der Hauptmann

Robert Schwentke kehrt nach 13 Jahren mit Der Hauptmann zum Deutschen Film zurück und zeigt uns seine erste historisch angelehnte Arbeit. 

TitelDer Hauptmann
Jahr2018
ProduktionslandDeutschland, Frankreich, Polen
RegieRobert Schwentke
DrehbuchRobert Schwentke
GenreDrama, Kriegsfilm, Historienfilm
DarstellerMax Hubacher, Milan Peschel, Frederick Lau, Bernd Hölscher, Waldemar Kobus, Alexander Fehling, Samuel Finzi
Länge119 Minuten
FSKab 16 Jahren freigegeben
VerleihWeltkino
Der Hauptmann Cover © Weltkino Filmverleih
Der Hauptmann Cover © Weltkino Filmverleih

Handlung von Der Hauptmann

Der Hauptmann spielt in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs. Dort findet der junge Gefreite Willi Herold auf der Flucht eine Hauptmannsuniform. Ohne zu Überlegen streift er die ranghohe Verkleidung und die damit verbundene Rolle über. Schnell sammeln sich versprengte Soldaten um ihn – froh, wieder einen Befehlsgeber gefunden zu haben. Aus Angst enttarnt zu werden, steigert sich Herold nach und nach in die Rolle des skrupellosen Hauptmanns und verfällt dem Rausch der Macht.

Der Hauptmann - Gefreiter Willi Herold (Max Hubacher) mit seiner neuen Uniform © Weltkino Filmverleih
Der Hauptmann – Gefreiter Willi Herold (Max Hubacher) mit seiner neuen Uniform © Weltkino Filmverleih

Hintergrund von Der Hauptmann

Historisch

Die Geschichte von Der Hauptmann basiert zu großen Teilen auf einer wahren Begebenheit. Der 19-jährige Wehrmachtssoldat Willi Herold fand im April 1945 tatsächlich die Uniform eines Hauptmanns und verwandelte sich vom einfachen Gefreiten zu einem grausamen Despoten.

Nachdem er am 3. April an der Nordwestfront von seiner Einheit getrennt wurde, schlug er sich alleine und ohne Marschbefehl gen Norden in Richtung Bentheim durch. Dort fand er im Inneren eines liegengebliebenen Militärfahrzeuges eine Kiste mit der Uniform eines hochdekorierten Hauptmanns. Auch die Soldaten, die er im Laufe des Films um sich versammelt, gab es wirklich. Allerdings wird die Gesamtzahl der Soldaten inzwischen auf ca. 80 geschätzt, wobei die Kerngruppe aus 12 Männern bestand. Auch das sog. Lager II gab es. Es war eines von 15 Konzentrations-, Straf- und Kriegsgefangenenlagern, die im Emsland verteilt waren.




Dreharbeiten

Die 41 Drehtage fanden in der Nähe von Breslau, Polen und in und um Görlitz statt. Da Der Hauptmann hauptsächlich Außenaufnahmen zeigt und es sich die Geschichte im Spätwinter und zum Frühlingsbeginn zugetragen hat, drehte Robert Schwentke zwischen Februar und April 2017. Das Arbeitslager wurde eigens für den Film in Polen errichtet und wieder gesprengt um das Ganze so realistisch wie möglich zu simulieren. Allerdings wurde das Lager proportional nicht im Detail getreu des Originals gebaut. Dies war, laut Robert Schwentke, pure Absicht. Denn obwohl die Geschichte aus Sicht des- und der Täter erzählt wird, sollte die Umgebung, die sich aus Erinnerungen der Opfer speist, entsprechend ungenau sein.

Der Hauptmann - Max Hubacher und Milan Peschel
Der Hauptmann – Max Hubacher und Milan Peschel © Weltkino Filmverleih

Kritik / Analyse

Überleben

Der Hauptmann zeigt uns diverse Facetten der menschlichen Natur, die wir einfach nicht gerne sehen. So abstrakt und grotesk es uns in Friedenszeiten auch vorkommen mag, dass aus einem Flüchtenden, um sein leben bangenden kleinen Soldaten, ein despotischer Hauptmann wird, auf dessen Befehl ca. 125 Landsleute hingerichtet wurden, so sehr sollten wir die Umstände nicht aus den Augen verlieren. Es geht ums nackte Überleben. Welche Auswüchse der menschliche Überlebensinstinkt entwickeln kann, haben wir schon in diversen Filmen gesehen.

Hier erleben wir den puren Überlebenskampf von Soldaten, die hauptsächlich ihre Kameraden zu fürchten hatten. Denn die Unterscheidung zwischen „von der Einheit getrennten“ und „Deserteuren“ war kaum noch nachzuvollziehen. Somit muss man die Frage der moralischen und ethischen Bewertung, sowohl des Gefreiten Herold, als auch seiner ihm folgenden Soldaten einer genauen Prüfung unterziehen. Schwentke schafft es, der Figur des Hauptmanns genug Unsicherheit ausstrahlen zu lassen um klarzustellen, dass sich dieser keineswegs der Tragweite seiner Handlungen bewusst ist, aber auch die nötige Rücksichtslosigkeit um das eigene Überleben dem Wohl der Anderen überzuordnen.

Der Hauptmann - Willi Herold`s letzte Stunden als Gefreiter
Der Hauptmann – Willi Herold`s letzte Stunden als Gefreiter © Weltkino Filmverleih

Die Macht

Und hier geht es nicht um Star Wars. Hannah Arendt schrieb in ihrem Buch „Macht und Gewalt„:

……Wenn wir von jemanden sagen, er habe Macht, heißt das in Wirklichkeit, dass er von einer bestimmten Anzahl von Menschen ermächtigt ist, in ihrem Namen zu handeln.

Der Hauptmann und seine Schergen
Der Hauptmann und seine Schergen © Weltkino Filmverleih

In Der Hauptmann wird deutlich, wie machtlos ein Befehlshaber ohne Befehlsempfänger ist. Nur langsam und mühsam, immer kurz vor der Enttarnung, kann Willi Herold Untergebene um sich scharen. Auch hier wird feinfühlig und eindrucksvoll gezeigt, wie unwohl sich der falsche Hauptmann dabei fühlt, einen anderen Kameraden zu befehligen. Wie das Erlernen von Lesen und Schreiben entdeckt Willi nach und nach die Zusammenhänge und den Grad der Macht, die ihm die Uniform verleiht. Obwohl immer und unverkennbar eine Spur der Unsicherheit zu sehen ist, ergibt er sich irgendwann ganz seiner Rolle.

Er wirkt in der Interpretation des Film allerdings mehr wie Stück Treibgut, das von den Gegebenheiten und Geschehnissen der Momente mitgerissen wird. Wann immer nötig, um nicht entdeckt zu werden, gibt er die Richtung vor. Meistens allerdings treibt er auf der Welle der Zeit. Der Grad seiner Macht erschließt sich ihm nicht wirklich selbst. Er wird ihm fast schon aufgezwungen. Als Opfer der Ereignisse um ihn herum, wird er zum Täter.

Was will uns der Film sagen?

„Nichts“ – Nein, er will zeigen. Laut Robert Schwenkte soll der Film jegliche Aussage, jegliche Bewertung in die Hände der Zuschauer legen. Er soll seine eigenen Antworten finden. Vor allem auf die Frage: „Wie hätte ich selber gehandelt?“. Und gerade weil es für die meisten von uns, die sich derartige Situationen nicht wirklich vorstellen können, schlicht unmöglich ist, diese Frage zu beantworten, wirkt der Film wie eine Art Hausaufgabe im Philosophie Unterricht. Es gibt kein Gut oder Böse. Es fehlen komplett die Charaktere mit denen man sich identifizieren kann. Dieser Film gibt einem, wenn überhaupt, nur ganz kurze Momente der Sympathie oder Empathie für bestimmte Personen. Wenn uns Der Hauptmann überhaupt etwas sagen will, dann ist es: „Jeder von uns könnte zum Hauptmann werden“

Inszenierung

Robert holte sich zum neunten Mal mit Florian Ballhaus den Sohn der Kameralegende Michael Ballhaus in Boot. Je nach Stimmung und Anforderung wechseln die Bilder zwischen hartem, kurzen found footage, sanften Begleitfahrten und eindrucksvollen Totalen. Der historische Stoff bekommt durch die Regiearbeit von Schwentke teilweise satirische, groteske und sehr abstrakte Züge. Aber er verliert sich nicht in dem Wahn, dem Film seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Wann immer es nötig ist, wirkt der Film dreckig, schmutzig, kantig und authentisch. Letzteres ist natürlich der Entscheidung gezollt, das Ganze in s/w zu zeigen.

Hierfür gab es laut Schwentke mehrere Gründe. Einer davon ist eine Anekdote vom Altmeister Martin Scorsese, was den Film WIE EIN WILDER STIER betrifft. Da geht es um das Blut, das in Rot einfach zu Präsent gewesen wäre und von der Geschichte abgelenkt hätte. Der zweite Grund war die Ästhetik: Der Film sollte optisch eine abstrakte Qualität ausstrahlen. Es gibt sogar Hollywood-typische Zeitlupen zu sehen, die aber nicht zum Zwecke der Effekthascherei verkommen, sondern das Ausmaß der Zustände lediglich unterstreichen.

Der Hauptmann - SA Führer Schütte (Bernd Hölscher)
Der Hauptmann – SA Führer Schütte (Bernd Hölscher) © Weltkino Filmverleih

Darsteller

Hierzu werde ich keine langen Reden schwingen. Der Cast ist perfekt besetzt. Der junge Max Humbacher, der in der Schweiz schon mit 9 Jahren Theatererfahrungen gesammelt hat, wuppt die Hautfigur spielend. Es ist auch kaum was zu einzelnen Leistungen zu bemerken, da alle Darsteller auf dem selben Niveau agieren.

Der Hauptmann - Gefreiter Herold aka Hauptmann Herold
Der Hauptmann – Gefreiter Herold aka Hauptmann Herold © Weltkino Filmverleih

Fazit

Weder moralischer Zeigefinger noch Geschichtsunterricht. Dieser Film ist ein sehr gelungener Hybrid aus der schlichten Darstellung einer skurrilen Episode der späten Kriegstage und der Zuschaustellung tiefster menschlicher Abgründe. Mit temporären Anleihen an „Catch me if you can“ schafft es dieser Film erstaunlicherweise diesen erschreckenden Bildern und Taten ein Augenzwinkern abzuringen, sodass der Zuschauer auch mal durchatmen kann. Lediglich der Ton ist unangenehm grell, mit zu viel Mitteltönen durchsetzt, was zur Folge hat, dass sogar ein „turn it up“ Liebhaber wie ich fast Kopfschmerzen bekam. Sehenswert ist der Film vor allem für Fans des deutschen Kinos fernab der üblich weich gespülten Romantik-Komödie.

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Zuletzt aktualisiert am 10. November 2022 um 18:10 . Wir weisen darauf hin, dass sich hier angezeigte Preise inzwischen geändert haben können. Alle Angaben ohne Gewähr.

Hier die Bewertung der MovicFreakz – Redaktion:

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© Weltkino Filmverleih

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