Die Boshaftigkeit der Menschen nimmt in Die Jagd von Thomas Vinterberg unmenschliche Ausmaße an…
Titel | Die Jagd |
Jahr | 2012 |
Produktionsland | Dänemark |
Regie | Thomas Vinterberg |
Drehbuch | Thomas Vinterberg, Tobias Lindholm |
Genre | Drama |
Darsteller | Mads Mikkelsen, Thomas Bo Larson |
Länge | 120 Minuten |
FSK | Ab 12 Jahren freigegeben |
Verleih | Wild Bunch Germany |
Kleine Einleitung und Inhalt
Heute erzähle ich nichts über das Schöne am Leben, wie wundervoll Familie und Freunde sind oder dass es sich immer für etwas zu Leben lohnt. Denn das tut es ganz einfach nicht immer. Tatsächlich ist das einzig Schöne an Die Jagd sein Hauptprotagonist und sein Charakterdarsteller, der wundervolle Merkmale eines perfekten und aufrichtigen Menschen aufweist und dafür mit Hass und Wut überflutet wird.
Lucas (Mads Mikkelsen), Kindergärtner, wird vorgeworfen, sich vor einem Kind im Kindergarten, entblößt zu haben. Dass beuhauptet zumindest die kleine Klara (Annika Wedderkopp). Und wenn ein Kind das sagt, ist der Alarm groß. Die Polizei wird informiert, die Eltern werden informiert und Lucas und seine engsten Freunde denken sich nicht mehr zu kennen. Was die Jagd zeigt, ist nicht mehr und nicht weniger, als das boshafte und animalische Verhalten von uns Menschen.
Im Folgenden nehme ich Teile der Handlung vorweg, da für die Bewertung von Relevanz.
Kritik
Dass ist ein ernstzunehmendes Thema, von dem wir hier sprechen. Und im echten Leben würde es uns, als eines dieser Elternteile dieser kleinen Kinder, vermutlich genauso gehen, wie diesen in Die Jagd. Sie hören dem Kind zu, sind verantwortungsvolle Eltern. Sie wissen aber gar nicht um die wahre Lage und vermuten keine Lüge hinter den Aussagen ihres Kindes. Die Jagd zeigt, dass die Wahrheit für den Menschen nicht im Vordergrund steht und die kindliche Naivität, sowie das Ideen- und Fantasiezentrum eines Kindes, keine Grenzen kennen. Sie machen vor nichts und niemandem halt und zumindest das Kind weiß noch gar nicht, was Richtig und Falsch ist.
Aber wie unterscheidet sich das Erwachsensein vom Kindsein? Das Verhalten von uns allen ist voll kindlicher Naivität, denn wir sind nur Menschen. Ich lehne mich mal ganz weit aus dem Fenster und stelle klar, dass Die Jagd natürlich auf wahren Begebnissen beruht, auch wenn die Handlung keineswegs eines echten Falles entspricht.
Dennoch, es gab schon Fälle, in denen Unschuldige lebenslänglig für etwas gebüßt haben, dass sie nicht begangen haben. Der Mensch ist noch immer das scheußlichste und gefährlichste Tier. Und das nur, weil sich der Mensch von den übrigen Tieren unterscheidet. Und zwar im Merkmal Vernunft und Sprache. Was sich zunächst gut anhört, kann dem Sprichwort „Hochmut kommt vor dem Fall“ gerecht werden, je nach dem, wie man damit umgehen möchte. Bereits Johann Gottfried Herder machte auf diesen Unterschied und den Ursprung der Sprache aufmerksam. Dennoch ist und bleibt der Mensch ein Säugetier. Ein Tier, wie jedes andere auf dieser Welt.
Der Mensch kann oftmals nicht zwischen Recht und Unrecht unterscheiden. Aber oftmals ist es des Menschen größtes Ziel, das Recht nicht zu erkennen. Das Gerücht um die sexuelle Entblößung vor einem Kind, durch Lucas, geht schneller rum als Mord und es interessiert sich niemand für Lucas und seine Wahrheit. Er bleibt stumm für die Ohren der Menschen. Selbst sein bester Freund, der es anfangs nicht wahr haben möchte, vergisst ihn schnell wieder. Er vergisst all die Jahre Freundschaft und bemüht sich kein Stück, sich mit ihm zu unterhalten und womöglich noch die Wahrheit herauszufinden.
Was auch schwer werden könnte, denn man glaubt dem Kind, unabhängig vom Alter, was überaus verständlich ist. Wenn sie aber erst später die Wahrheit sagen würde, hieße es, sie habe nur Angst und sie wüsste nicht, was sie tut. Ein Teufelsdreieck, aus dem Lucas nicht mehr herauskommt. Der Ruf eines pädophilen wird auf ewig auf ihm lasten und sein Leben bis zum Ende verfolgen. Dass man sich das Ganze 120 Minuten angucken muss und weiß, dass er es nicht war bzw. einfach nichts passiert ist, sorgt ganz gekonnt dafür, dass man die Eltern des Kindes und sogar das Kind für einige Momente verflucht.Mag sich an dieser Stelle Paradox anhören, aber Thomas Vinterberg kann einfach verstörende Filme gut umsetzen. Er weiß um die Thematik und spielt mit unseren Gefühlen, gerade ob der brisanten Handlung.
Beweise für Lucas Unschuld finden, ist indes sehr schwer. Gerade wenn ein noch so junges Kind davon berichtet. Auf der einen Seite ist man hingezogen zu sagen, dass sich alle Beteiligten mit dem Kind mehr hätten unterhalten müssen, vielleicht auch mit einem echten Psychologen. Auf der anderen Seite, wäre es eines unserer Kinder, würden wir aus reiner Verwirrtheit genauso reagieren, ganz davon ab, ob es nun stimmt oder nicht.
Wir würden nur unser Kind schützen wollen und den Menschen verluchen, der eine pädophile Ader in sich zu haben scheint. Wir würden ihn hassen, die Straßenseite wechseln, wenn wir ihn sehen, seine Fenster mit Steinen einschmeißen und seinen Hund ermorden. Einiges davon wäre verständlich. Es passiert im Film genau so. Was der Film aber deutlich machen will, ist der Konflikt, zwischen dem, was man vermeidlich weiß und dem, was die Wahrheit ist. Man wird verleitet zu sagen, dass kleine Kinder nicht wissen, was sie sagen. Aber das stimmt auch wieder nicht. Es ist grausam, wie eindeutig und brillant Die Jagd uns dieses Thema näherbringen möchte.
Eigentlich gehen sowohl Kindergarten, als auch Freunde hier, einen verständlichen Weg, aber der Glaube, dass die Wahrheit immer siegt und die Wahrheit immer ans Licht kommt, geht vollends flöten. Aber so ist die Wahrheit nunmal. In solchen Situationen ist der Mensch bequem. Es gibt einen Schuldigen, den man vor die Wand stellen und demütigen kann. Er wird sich nicht großartig wehren, denn es bildet sich immer eine Gemeinschaft. Da hält der Mensch wiederum mit anderen Menschen zusammen. Ihr merkt schon, dass Ganze ist ziemlich komplex. Aber darum geht es bei der Wahrheit. Nicht immer kommt sie ans Licht und nicht immer wird man sie finden.
Fazit
Was Thomas Winterberg hier zelebriert ist nicht weniger als die vollkommene und unbeschönigte Wahrheit des Verhaltens des Menschen. Denn vollkommen egal, ob die Menschen in diesem Drama wissen, dass er es getan hat oder nicht, sie hassen ihn, weil es einfacher ist, als sich mit den Tatsachen und dem Leid auseinanderzusetzen. Mads Mikkelsen ist dabei in der stärksten und besten Rolle, die ich je bei ihm gesehen habe. Er spielt unglaublich intensiv und authentisch und rührte mich zutiefst. Sein Gesichtsausdruck ist unbeschreiblich und wohl ein Grund, weshalb nur er die Rolle bekommen sollte. In seinem Gesicht steckt Freude, aber immer zugleich auch unsagbares Leid, dass man ihm in jeder verdammten Sekunde abkauft. Was das Schauspiel angeht, hätte man ganz einfach nicht mehr daraus machen könne. Die Ernsthaftigkeit des Themas hätte nicht besser der Realität angepasst werden können und beruht wie gesagt auf absolut wahren Tatsachen. Ähnliche Fälle hat es schon gegeben und wird es immer wieder geben. Mit den Worten einer jeden Akte X Folge: Die Wahrheit ist irgendwo da draußen….
Unsere Wertung:
Kundenbewertungen Die Jagd [Blu-ray]* Amazon Unverb. Preisempf.: € 9,69 Du sparst: € 1,70 | Kundenbewertungen Die Jagd* Amazon Unverb. Preisempf.: € 7,49 Du sparst: € 1,50 |
©Wild Bunch Germany
Oh, der Film hat mich Nerven gekostet!!! Da kann man noch so unschuldig sein, es bleibt immer etwas haften. Wieder einmal ein gradioser Film mit Mads Mikkelsen, und das im klassischen skandinavischen Stil.
Hallo Andrea,
wirklich sehr passend und überaus gut beschrieben. Teilweise war es kaum zu ertragen, was Lucas (Mads Mikkelsen) in Die Jagd mitmachen muss. Eine tolle Gesellschaftskritik, ja sogar die Offenlegung und Hinterfragung an die Menschlichkeit selbst…sehr schwere, aber ebenso tiefgründige Kost, die bei jedem hängen bleiben sollte…!… Und Mads Mikkelsen….der pure Wahnsinn…mehr kann ich dazu nicht sagen.. 🙂