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Judith O'Dea als Barbra in Die Nacht der lebenden Toten

Die Nacht der lebenden Toten

Vor über 50 Jahren debütierte George A. Romero mit Die Nacht der lebenden Toten nicht nur als Spielfilmregisseur, sondern erschuf ein Werk, das Jahre später nicht nur als Kultfilm gelten sollte, sondern auch im Museum Of Modern Arts aufgenommen wurde und mit dem Eintrag in der National Film Registry als erhaltenswertes Kulturgut Fortbestand hat.

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TitelDie Nacht der lebenden Toten (OT: Night Of The Living Dead)
Jahr1968
LandUSA
RegieGeorge A. Romero
DrehbuchJohn A. Russo, George A. Romero
GenreHorror
DarstellerDuane Jones, Judith O’Dea, Karl Hardman, Marilyn Eastman, Keith Wayne, Judith Ridley, George Kosana
Länge96 Minuten (Originalfassung) | 93 Minuten (30th Anniversary-Fassung)
FSKab 16 Jahren freigegeben
VerleihSplendid Film
Mediabook-Cover von Die Nacht der lebenden Toten
Cover des deutschen Mediabook. | Die Nacht der lebenden Toten © splendid film

George A. Romero – sozialkritischer Visionär

George Andrew Romeros Steckenpferd waren bis zu seinem Tode die wandelnden Toten. Er selbst kommentierte diesen Umstand selbstironisch mit den karibischen Wurzeln seiner Familie (vgl. Seeßlen, 2010). Ganze sechs Filme hat er in seinem …Of The Dead-Zyklus verwirklicht.

Auch wenn sich Romero klar im Horror-Genre und dessen Untergenre der Zombiefilme positioniert, so gehen seine Werke über die banale Zurschaustellung von Gewalt und Endzeit-Feeling hinaus. Die Filme der Zombie-Hexalogie beinhalten stets sozialkritische Kommentare und beziehen sich auf gesellschaftliche Umstände zum Zeitpunkt ihrer Entstehungen. Zu einer bissigen (pun intended) Gesellschaftskritik mit Zombies gehören aber eben auch Fressorgien und frischfleischlüsterne Zombies.

Romero möchte die Gewalt aber nicht zum reinen Unterhaltungsfaktor verkommen lassen, sondern diese als stilistisches Mittel verwendet wissen. Entsprechend verständnislos äußerte er sich 2008 gegenüber der New York Times über Torture Porns:

I don’t get the torture porn films […] They’re lacking metaphor. For me the gore is always a slap in the face saying: ‘Wait a minute. Look at this other thing.

(Katrina Onstad, Horror Auteur Is Unfinished With the Undead)

Entsprechend prangern vor allem Die Nacht der lebenden Toten und seine beiden Nachfolger (leider zeitlose) Missstände an: Rassismus, Kapitalismus und Militarismus stellen für Romero den Stachel im Fleisch der amerikanischen Gesellschaft dar.

Abseits seiner Zombiefilme blieb er dem Horror-Genre treu, in das kollektive Gedächtnis hat er sich aber mit großer Wahrscheinlichkeit wegen seiner Untoten gebrannt. Das Budget seiner Filme zeigte sich vor allem bei seinen jüngsten Werken als sehr variabel. Romero ließ sich jedoch nie davon abhalten, seine Visionen bestmöglich umzusetzen. So hat er als Autorenfilmer die Drehbücher zu seinen Regiearbeiten stets selbstständig verfasst. Die unterschwellige Sozialkritik gehörte dabei ebenso zu seinem Markenzeichen wie sein kauzig-sympathisches Erscheinungsbild.

Duana Jones als Ben in Die Nacht der lebenden Toten
Ben (Duane Jones) riskiert die Flucht. | Die Nacht der lebenden Toten © splendid film

Die Nacht der lebenden Toten

Das Auto schlängelt sich durch triste Landschaften und wird von seinem Fahrer unbeirrt zu seinem Ziel navigiert: Einem Friedhof mitten im Nirgendwo. Ein Geschwisterpaar entsteigt dem Vehikel, schreitet nach stundenlanger Fahrt den Friedhof auf der Suche nach einem Grab ab. Dort wird ein Gesteck abgelegt, doch plötzlich umschlagendes Wetter zwingt Beide zur Umkehr. Auf dem Rückweg wird der Bruder von einem ominösen Mann attackiert und verstirbt. Die Frau, Barbra (Judith O’Dea), flüchtet. Nach ziellosem Umherstreifen findet sie Zuflucht in einem scheinbar verlassenen Farmhaus.

Noch bevor der unbeholfen umherwankende Mann in Erscheinung tritt, legt Regisseur Romero einen düsteren Schleier des Unbehagens über die Kulisse. Während sich das Auto über die Straßen windet, nehmen düstere Klänge den Zuschauer in unheilschwangeren Empfang. Aus dem Autoradio tönt zudem eine Meldung über Empfangsstörungen aus unbekannten Ursachen. Der Auftakt gibt sich große Mühe, den harmlosen Ausflug mit fadem Beigeschmack zu würzen.

Es vergehen nur Minuten und Johnny (Russel Streiner) liegt mit gebrochenem Genick im Rasen und Barbra befindet sich auf der Flucht. Die bis eben noch unterschwellige Bedrohung ist in blanken Terror umgeschlagen. Als sie im Farmhaus noch eine entstellte Leiche findet, ergibt gar nichts mehr Sinn. Was ist hier geschehen? Was hat es mit den wankenden Menschen auf sich, die sie langsam aber stetig verfolgen?

Mit der filmischen Expertise jüngerer Generationen mögen diese Fragen ohne zu Zögern zu beantworten sein. Denkt man sich in die Kinosäle vor über 50 Jahren zurück, liegt die heutige Abgeklärtheit auf Horror-Szenarien und filmische Gewalt noch in ferner Zukunft. Nicht umsonst gilt Die Nacht der lebenden Toten als Muster für den Horror- und insbesondere Zombiefilm, wie man ihn heute kennt.

Zwei Zombies knabbern Menschenfleisch in Die Nacht der lebenden Toten
Die Zombies sind gefräßig und nimmersatt… | Die Nacht der lebenden Toten © splendid film

Horror in der sozialen Struktur

Nicht verwunderlich also, dass Die Nacht der lebenden Toten zu seiner Premiere die Fachpresse irritiert, wenn nicht eher noch schockiert hat. So wurde der Streifen seinerzeit als reines Ekel-Kino verdammt und der Kontext hinter der Fassade des Horrorfilms völlig verkannt. Denn mitnichten hat Romero sich hier nur oberflächlichem Inhalt wie größtmöglichem Effektfeuerwerk hingegeben. Angesichts der Entstehungszeit, thematisiert Romeros Debüt als Spielfilmregisseur dennoch eine ganze Ladung kontroverser Inhalte.

Denn schon 1968 tobte sich Romero am gesellschaftlichen und politischen Subplot aus. Am augenscheinlichsten fällt dabei wohl die Besetzung der Hauptrolle mit Duane Jones aus. George Seeßlen führt in seinem Werk George A. Romero und seine Filme an, dass das Drehbuch nie die Hautfarbe Bens thematisiert. Die Wahl, diese Rolle von einem farbigen Darsteller verkörpern zu lassen, unterstreiche aber nur mehr dessen Außenseiterrolle. Denn genau diese erlaube ihm einen distanzierteren Blick auf die Geschehnisse als es den anderen, gesellschaftlich involvierteren Figuren möglich wäre. Nur so ist ihm das rationale Denken und Handeln möglich, zu welchem sich seine Mitstreiter nicht in der Lage sehen.

Weiterhin seziert Romero das als sicher geltende Gefüge der Institution Familie. Familie Cooper, bestehend aus Ehemann und Vater Harry (Karl Hardman), dessen Frau Helen (Marilyn Eastman) und deren Tochter Karen (Kyra Schon), offenbart ein desaströses Patriarchat. Auch Barbra wird im Verlauf des Films von ihrem eigenen Bruder, mittlerweile untot, in die Masse der Zombies gezerrt.

Auch vor Medienschelte macht Romero nicht Halt. Während um die Protagonisten die bedrohlichen Zombies zum Greifen nah sind, scheint niemand die Bedrohung wirklich zu verinnerlichen. Erst als eine Nachrichtenübertragung die Ahnung der Überlebenden zur offensichtlichen Gewissheit macht, nehmen diese ihre aussichtslose Lage als solche wahr.

Kyra Schon als Karen Hooper mit blutigem Gesicht und hervorgestrecktem Arm in Die Nacht der lebenden Toten
Karen (Kyra Schon) ist nicht mehr das brave Kind der Familie Cooper…  © splendid film

Fiktive Gewalt – reale Grundlage

Auch in puncto Gewalt scheute sich Romero nicht, dem Zuschauer Kontroverses zuzumuten. Gemessen an dem, was er einige Jahre später gemeinsam mit Tom Savini in Dawn Of The Dead und Day Of The Dead abliefern würde, zeigt sich Night Of The Living Dead regelrecht zahm. Dennoch präsentiert Romero auch hier schon verstümmelte Körper, Knochen und Fleisch nagende Untote. Trauriger Höhepunkt ist wohl die Szene, in der die zombifizierte Karen Cooper ihre Mutter mit einer Maurerkelle ersticht.

Doch selbst diese Szene wird im Finale noch auf bittere Weise getoppt. Wenn Ben als einziger Überlebender durch das Farmhaus schleicht, wird er von der hypothetischen Ordnungsmacht nicht als Mensch, sondern als wandelnder Toter identifiziert – und kurzerhand erschossen. Der folgende Abspann wird von Fotografien begleitet, wie man sie aus dem zu dieser Zeit üblichen Material von Kriegsberichterstattern aus Vietnam kennt. Spätestens hier offenbart Romero eine weitere Dimension in Die Nacht der lebenden Toten. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Films dauerte der Krieg bereits über zehn Jahre an, debattiert wurde die US-amerikanische Beteiligung zu diesem Zeitpunkt jedoch erst seit wenigen Jahren.

Die kriegslüsterne Bürgerwehr kommt dabei dem amerikanischen Militär gleich. In ihren überlegenen Kriegsgeräten wähnen sie voreilig den zweifelsfreien Sieg und gehen mit einer schauerlichen Arroganz auf die Jagd nach den Untoten. Neben Schießeisen scheint der beste Wegbegleiter der Truppen vor allem eins zu sein: Alkohol. Dass Ben letzten Endes durch die schießwütigen Ordnungs“hüter“ sein Leben verliert, hat jedoch andere Ursachen als übermäßigen Alkoholkonsum. Durch seine dunkle Hautfarbe wird er automatisch als Gefahr interpretiert und, ohne zu hinterfragen, eliminiert.

Schon zuvor greift Romero dieses engstirnige Feindbild der dunklen Hautfarbe auf, ohne es seine Protagonisten explizit aussprechen zu lassen. Aber in jeglicher Kommunikation zwischen Ben und Harry Cooper schwingt latenter Rassismus mit.

Fazit zu Die Nacht der lebenden Toten

Vor über 50 Jahren ist George A. Romero mit Die Nacht der lebenden Toten ein Meisterwerk geglückt. Im Laufe der Zeit reifte er zu einem wahren Klassiker heran, der nicht nur für Romero den Beginn einer einmaligen Filmreihe markierte, sondern das Zombie-Genre im Ganzen beeinflusste – wenn nicht gar revolutionierte.

Damals verkannt, gilt das Werk heute als schützenswertes Kulturgut des Museum Of Modern Arts. Durch seine inhaltliche Brisanz, die weit über guts & gore hinausging, hat Romero einen Film geschaffen, der augenscheinlich eine Horrorgeschichte erzählt, hinter dieser Fassade aber zeitlose Kritik an der Gesellschaft übt.

„Sie kommen um dich zu holen, Barbra!“

Übrigens: Frühe Kopien Die Nacht der lebenden Toten gelten dank eines Fauxpas des damaligen Filmverleihs in den USA als gemeinfrei. Sicherlich ein Grund, weshalb man sich den Film auf seiner englischen Wikipedia-Seite zu Gemüte führen kann…

Ebenfalls interessant: Romeros Klassiker wurde bereits im Jahr 2000 beschlagnahmt. Dieser juristische Fehltritt wurde von der BPjM sogar eingeräumt – die Beschlagnahme und folgende Indizierung im Jahr 2009 ergaben sich aus einer Verwechslung mit dem gleichnamigen Remake von Tom Savini. Aufgrund vermuteter Inhaltsgleichheit besteht die Indizierung noch heute – und noch so lange weiter, bis ein Gericht die Inhaltsgleichheit ausschließt. Da aber eben eine Beschlagnahme erging, muss der Film auf dem Index geführt werden, auch wenn die Kinofassung mit einer Jugendfreigabe und entsprechendem FSK-Siegel versehen ist.

Unsere Wertung:

 

 

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