Drecksau verspricht derben Humor und diesen liefert er auch verdammt souverän ab. Doch es verbirgt sich noch so viel mehr hinter dem Streifen, als es zunächst den Anschein haben mag. Lest im Folgenden, was Drecksau zu einem einzigartigen, aber auch eigenwilligen Seherlebnis macht!
No data available.Worum geht’s in Drecksau?
Bruce intrigiert und manipuliert, wo er nur kann. Er ist der Inbegriff eines Misanthropen, wie er im Buche steht. Zudem ist er drogenabhängig, frauenfeindlich, hat vor nichts und niemandem Respekt und suhlt sich in seinem eigenen verabscheuungswürdigen Verhalten. Als eines Tages eine mögliche Beförderung in greifbare Nähe rückt, beginnt er bei seinen Polizeikollegen Gerüchte zu streuen, um selbst letzten Endes gut dazustehen. Rücksicht auf Verlust nimmt er dabei nicht im Geringsten.
Bloß verstrickt sich Bruce immer weiter in seinem intriganten Netz aus Verwirrung und Manipulation, sodass er sich schon bald mit sich selbst konfrontiert sieht. Und wenn es einen Menschen auf diesem Planeten gibt, den Bruce am allermeisten hasst, dann ist dieser Mensch er selbst. Nun ist es an ihm, zu entscheiden, ob er sich aufrafft und sein Leben auf die Reihe bekommt, oder ob er weiterhin unter dem Deckmantel einer Drecksau versucht, sich selbst zu leugnen.
Schwarzhumorig und verboten unterhaltsam
„Wieso bist du zur Polizei gegangen, Bruce?“
„Polizeiwillkür, Bruder.“
„Und du wolltest sie ausmerzen, richtig?“
„Nein. Ich wollte mitmischen.“
Nach der Sichtung von Drecksau fühlt man sich jedenfalls dreckiger und möchte sich am liebsten waschen. Mit dem Hauptcharakter Bruce bekommt man als Zuschauer ein wundervoll versautes, durchtriebenes und manipulatives Schwein von Polizist, dass sich einem vor Abscheu, aber auch Belustigung, der Magen umdreht. Der Humor ist hierbei stets düster und vor allem schwarz und englisch gehalten, zu jeder Zeit jenseits des guten Geschmacks und allzeit unter der Gürtellinie. Des Weiteren ist Drecksau dank der stimmigen Songauswahl und den Close-Up-Einstellungen der Kamera treibend und lebhaft inszeniert. Durch direkte und vielsagende Blicke von Bruce in die Kamera wird zudem nicht zu selten die vierte Wand durchbrochen, was für ein außergewöhnliches Seherlebnis sorgt und den Betrachter direkt in diesen schmutzigen Alptraum mit hineinzieht.
Mehr als eine einfache Komödie
Drecksau verläuft in drei Phasen. Zunächst ist der Streifen einfach nur schräg, verdammt lustig und dreckig, dann abgründig und psychopathisch und zu guter Letzt eigentlich tieftraurig, deprimierend und ein ziemlicher Schlag in die Magengrube. Und doch ist Jon S. Bairds hervorragender Genremix stets mit einem verschmitzten Augenzwinkern inszeniert, sodass diese Wirkung nicht zu erdrückend wird. Oder wird sie es doch? Im Übrigen ist es sehr wahrscheinlich, dass der Streifen bei weiteren Sichtungen noch mehr Anklang finden könnte, da die Erwartungshaltung bei der Erstsichtung eine völlig andere war. Denn erwartet hatte ich hier eigentlich eine dreckige Komödie. Diese habe ich auch bekommen, doch letzten Endes ist Drecksau so viel mehr.
Bitterböser Beigeschmack
Mit der Zeit lässt der Streifen immer weiter die Hosen herunter. Dann hinterlässt Drecksau einen bitterbösen Beigeschmack und der Seelen-Striptease seiner Hauptfigur Bruce beginnt. Sein selbstzerstörerisches Verhalten mündet zum Schluss in einer Läuterung, die unter die Haut geht. Trotzdem verspürte ich Mitleid, was letzten Endes eventuell sogar für die ein oder andere vergossene, männliche Träne sorgte. Natürlich nur eventuell, versteht sich. Drecksau stellt dem Publikum die stete Frage, ob es okay ist, über solche Themen wie Homophobie und Sexismus zu lachen und verursacht ein bewusst schlechtes Gewissen. Vor allem im Bezug auf die Sympathie für Bruce. Doch wie schafft es der Streifen, den Charakter Bruce so nahbar und durchaus sympathisch zu machen?
Eine tragische Figur
Unter dem Deckmantel von Bruce‘ Ruchlosigkeit verstecken sich eine waschechte Psychose, Wahnvorstellungen und tiefsitzender Kummer. Der Narzisst, Rassist und Schwulenhasser projiziert das Bild von sich selbst, dass er wertloser Abschaum ist, auf alle Menschen um ihn herum. Er wagt sich nur an schwache und dumme Frauen, um sein angeknackstes Ego zu befriedigen. Derweil hat er furchtbare Panik, sich einzugestehen, dass er schwach ist und verdammt viel Angst vor der Welt hat. Hiermit haben wir den Grund, weshalb der Charakter Bruce, wenn auch nur bis zu einem gewissen Grad, so nahbar ist. Nun stellt sich letztlich natürlich die Frage, ob auch ein jeder eine zweite Chance verdient hat?
Ein begnadeter Hauptdarsteller
James McAvoy (Split, Glass, Atomic Blonde) entpuppt sich ein weiteres Mal als unglaublich wandelbarer Schauspieler. In einem Interview erzählte er, dass er sich zur Vorbereitung auf seine Rolle zwei Monate lang jeden Abend eine halbe Flasche Whisky und reichlich ungesundes und fettiges Essen zu Gemüte geführt hat, sodass er sich beim Dreh so übel fühlen konnte, wie es die Rolle von ihm verlangt. Dabei gestaltet sich sein Verhalten als Bruce als wunderbar widerwärtig und bitterböse. Es häufen sich so viele beiläufig und toll inszenierte Kleinigkeiten seines absurden und radikalen Verhaltens wie zum Beispiel das Ausdrücken einer Zigarette auf der Couch seines Freundes oder das ständige, unterschwellig manipulative Verhalten, dass er verbal auf seine Mitmenschen loslässt. Die Dialoge sind gleichwohl düster, dreckig und der schwarze Humor springt einem mit nacktem Hinterteil voran ins Gesicht.
Doch auch die weiteren Rollen sind hervorragend besetzt und eigentlich kann man sich den gesamten Cast auf der Zunge zergehen lassen. So haben wir zum einen den wirklich wundervollen Eddie Marsan (Mogli – Legende des Dschungels, Atomic Blonde), dem die Rolle als unsicherer Gegenpart zu McAvoys Charakter wie auf den Leib geschneidert wirkt. Aber auch Imogen Poots (I Kill Giants, Green Room) oder Jim Broadbent (Cloud Atlas) bilden nennenswerte und gern gesehene Hingucker.
Mein Fazit zu Drecksau
Bei keinem Film blieben mir die Lacher so sehr im Halse stecken wie bei Drecksau. Was für ein kaputter Film und was für ein Schlag in die Fresse. Der Humor ist wunderbar kontrovers, radikal, schwarz und ganz sicher nichts für Jedermann. James McAvoy spielt hier schlichtweg virtuos auf und der Film ließ mich mit Erstaunen zurück. Drecksau ist definitiv und ohne jeden Zweifel ein eindrucksvoller, sowie einzigartiger Streifen und für mich jetzt schon ein Stück weit Kult.
Unsere Wertung: