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Christine und Marie "telefonieren" auf die altmodische Art und Weise in Effacer l’historique © Les films du Worso - No Money Productions - France 3 Cinéma - Pictanovo - Scope Pictures – 2019

Effacer l´historique

Mit Effacer l´historique lässt sich eine echte genretechnische Rarität im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale finden. Die Komödie beziehungsweise Satire aus Frankreich beschäftigt sich mit der Digitalisierung unserer Gesellschaft. Wie humorvoll ihr das gelungen ist, könnt ihr im Folgenden lesen.

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TitelEffacer l´historique
Jahr2020
LandFrankreich, Belgien
RegieBenoît Delépine, Gustave Kervern
DrehbuchBenoît Delépine, Gustave Kervern
GenreKomödie
DarstellerBlanche Gardin, Denis Podalydès, Corinne Masiero
Länge110 Minuten
FSKnoch nicht bekannt
Verleihnoch nicht bekannt
Denis Podalydès als Bertrand und Blanche Gardin als Marie in Effacer l’historique © Les films du Worso - No Money Productions - France 3 Cinéma - Pictanovo - Scope Pictures – 2019
Denis Podalydès als Bertrand und Blanche Gardin als Marie in Effacer l’historique © Les films du Worso – No Money Productions – France 3 Cinéma – Pictanovo – Scope Pictures – 2019

Worum geht es in Effacer l´historique?

Marie lebt von der Beihilfe ihres Ex-Mannes und so richtig will sie ihr Leben nicht auf Beine bekommen. Als dann auch noch ein peinliches Sextape in Umlauf gerät, will sie dieses unter allen Umständen beseitigen, bevor ihr früherer Gatte oder gar deren gemeinsamer Sohn Wind davon bekommen. Währenddessen hat auch Bertrand Schwierigkeiten mit der modernen Welt. Am Telefon kann er nicht Nein sagen und lässt sich zu allen möglichen Angeboten überreden. Zum alledem leidet seine Tochter unter Cyber-Mobbing. Christine hingegen ist süchtig nach Serien und kommt in ihrem Beruf als Uber-Fahrerin in den Bewertungen der Fahrgäste nicht über einen Stern hinaus, was zu weniger Angeboten für sie führt. Alle drei Figuren stellen sich daher gegen den digitalen Wandel und erklären diesem den Krieg.

Christine (Corinne Masiero), Betrand (Denis Podalydès) und Marie (Blanche Gardin) überlegen, wie sie mit ihren jeweiligen Problemen umgehen können in Effacer l’historique © Les films du Worso - No Money Productions - France 3 Cinéma - Pictanovo - Scope Pictures – 2019
Christine (Corinne Masiero), Betrand (Denis Podalydès) und Marie (Blanche Gardin) überlegen, wie sie mit ihren jeweiligen Problemen umgehen können in Effacer l’historique © Les films du Worso – No Money Productions – France 3 Cinéma – Pictanovo – Scope Pictures – 2019

Gelungene, humorvolle Momente

Effacer l´historique sticht aus der Menge der für den Goldenen Bären nominierten Filme allein schon aufgrund seiner heiteren Grundstimmung heraus. Diese Digitalisierungssatire vermag es nämlich herrlich skurrile Situationen zu kreieren und stellt somit eine willkommene Abwechslung im sonst doch eher sehr ernsten Wettbewerb dar. Viel mehr als die Figuren selbst sind es die Situationen, in denen sie sich befinden, die so urkomisch daherkommen, dass einige Lacher garantiert sind. Was kann man denn tun um seine eigene Sternewertung aufzupolieren oder gegen das Cyber-Mobbing vorzugehen, dem die eigene Tochter vorgesetzt ist? 

Das Regieduo, bestehend aus Benoît Delépine und Gustave Kervern, erschafft eine Welt, in der die Digitalisierung und die mit ihr verbundene Globalisierung omnipräsent sind. Die einzelnen Personen sind praktisch nicht mehr handlungsfähig. Selbst um eine kaputte Holzlatte des Bettes zu reparieren, muss aufgrund des speziellen Fabrikats ein Ersatzteil aus Asien eingeflogen werden und hängt nun aber auf dem Weg nach Frankreich fest. Trotz oder gerade aufgrund des digitalen Wandels stagniert das individuelle Leben. Effacer l´historique fängt dabei die Vielfalt der möglichen Schwierigkeiten, die Menschen im Umgang mit den Möglichkeiten des Internets haben können, etwas überspitzt aber im Grunde doch realistisch ein. Immer wieder gelingt es den Regisseuren, die auch gemeinsam das Drehbuch verfasst haben, das Publikum mit Momenten zu konftrontieren, die man nur allzu gut aus der eigenen Erfahrungswelt heraus kennt. Wie kann man sich beispielsweise all die verschiedenen Passwörter für digitale Foren merken?

Christine und Marie "telefonieren" auf die altmodische Art und Weise in Effacer l’historique © Les films du Worso - No Money Productions - France 3 Cinéma - Pictanovo - Scope Pictures – 2019
Christine und Marie „telefonieren“ auf die altmodische Art und Weise in Effacer l’historique © Les films du Worso – No Money Productions – France 3 Cinéma – Pictanovo – Scope Pictures – 2019

Es bleibt viel Klamauk

Die Welt ist durch Spezialisierungen geprägt. Niemand ist mehr in der Lage seine Umwelt vollends zu verstehen und bei eventuellen Problemen selbst Hand anzulegen. Wenn etwas nicht funktioniert, ruft man einen Experten. Selbst die privaten Einkäufe kann man sich am einfachsten digital bestellen. Die drei Hauptfiguren hängen allerdings noch im predigitalen Zeitalter fest. Natürlich besitzen sie alle ein Smartphone mit größtmöglichen Flatrates und riesige Flachbildschirme, doch adäquat damit umgehen können sie nicht. Sie begreifen nicht die Dimensionen, die mit den technischen Möglichkeiten, wie etwa der ständigen Verfügbarkeit eines Ton- und Videoaufnahmegerätes, einhergehen. Überholt uns also der digitale Wandel mit all seinen Konsequenzen? Zumindest die Protagonisten und Protagonistinnen in Effacer l´historique scheinen mit der modernen Welt überfordert zu sein. Dass diese drei auch heißblütige Anhängerinnen und Anhänger der Gelbwesten sind, führt zu einem politischen Statement, das allerdings relativ umkommentiert stehen gelassen wird.

An dieser Stelle beginnt der Streifen allerdings etwas zu plakatierend zu werden. Niemals geht es darum, weshalb unsere Gesellschaft mittlerweile auf diese Weise funktioniert und was sich die Menschheit davon verspricht. Auch wenn Effacer l´historique gut beobachtete Alltagssituation aufgreift, so fehlt es doch letztendlich an einer tiefergehenden Analyse. Tun wir all das nur, weil wir zu viel Langeweile haben und setzen wir uns in unseren täglichen Umgebungen mit so vielen unnützen Dingen einfach nur auseinander, weil wir es können? Der Film von Benoît Delépine und Gustave Kervern bleibt in diesen Gesichtspunkten erstaunlich naiv und begnügt sich mit den Situationsalbereien, die zweifelsfrei in dieser Form funktionieren. Dafür sind auch die Figuren letzten Endes zu kauzig geschrieben und gespielt, als das man sie als realistisch und im Sinne eines Selbstbezuges akzeptieren könnte.

Bertrand schweigt die gelbe Weste aus dem Auto in Effacer l’historique © Les films du Worso - No Money Productions - France 3 Cinéma - Pictanovo - Scope Pictures – 2019
Bertrand schweigt die gelbe Weste aus dem Auto in Effacer l’historique © Les films du Worso – No Money Productions – France 3 Cinéma – Pictanovo – Scope Pictures – 2019

Naivität statt Cleverness

So überladen, wie die dargestellte Welt, inszeniert das Regieduo diese auch. Mal grobkörnig, mal gestochen scharf, mal in Dutch-Angels und mal in gewohnten Kameraperspektiven kreiert es ein vielfältiges, aber auch undurchsichtiges und verwirrendes Bildangebot, welches jedoch auch zur Komik einiger Situationen beiträgt. An dieser Stelle muss die herrlich abstruse Auswahl verwendeter Songs im Soundtrack hervorgehoben werden, die stets skuril, aber durchaus passend eingesetzt wird.

Man kann Effacer l´historique als einfachen Klamauk bezeichnen, der an einigen Stellen gewisse Wahrheiten über unser Leben im 21.Jahrhundert auf den Punkt bringt. Allerdings würde eine solche Aussage zu kurz greifen. In seiner Hommage an die „Abgehängten“ unserer Gesellschaft findet sich leider auch Arroganz und zugleich Verharmlosung der tatsächlichen Probleme wieder. Besonders radikal bringt es die letzte Einstellung des Films auf den Punkt, in der tausende von Drohnen und Satelliten um die Erden kreisen. Als sei es die Welt von selbst, die sich ändert. Die entscheidenden Zusammenhänge in Bezug auf den Technologisierungswunsch einer möglicherweise gebildeten Elite werden nicht thematisiert und auch Ohnmacht und Handlungsunfähigkeit einzelner Menschen (das Datenschutzprobleme sei in diesem Zusammenhang genannt) angesichts des Standes der Technik werden schlicht zu stark bagatellisiert und für den nächsten Gag missbraucht.

Marie lässt sich das Sextape zeigen in Effacer l’historique © Les films du Worso - No Money Productions - France 3 Cinéma - Pictanovo - Scope Pictures – 2019
Marie lässt sich das Sextape zeigen in Effacer l’historique © Les films du Worso – No Money Productions – France 3 Cinéma – Pictanovo – Scope Pictures – 2019

Unser Fazit zu Effacer l´historique?

Alles in allem erhält man mit dem Wettbewerbsbeitrag Effacer l´historique (übersetzt „Verlauf löschen“ oder „Geschichte löschen“) eine durchaus willkommene Abwechslung in Form einer lustigen, aber im Endeffekt auch recht naiven Komödie, die mehr hätte sein können. Die Situationskomik funktioniert und zeichnet sich insbesondere durch herrlich skurrile Alltagsbeobachtungen aus. Daher kann man mit dem Streifen durchaus seinen Spaß haben und gut unterhalten werden. Erstaunlicherweise weist der Film allerdings wenig über sich hinaus und begnügt sich mit simplen Albernheiten. Damit ist der Streifen leider nicht ganze so geistreich und modern, wie er es möglicherweise sein möchte. Dennoch ist er einer der unterhaltsamsten Streifen des diesjährigen Wettbewerbs und das hat doch auch etwas für sich.

Unsere Wertung:

 

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