Mit Emma präsentiert uns Foto- und Videokünstlerin Autumn de Wilde eine moderne Jane-Austen-Verfilmung mit starker Optik und großartigem Cast – allerdings auch einigen Längen. Ob sich der Film dennoch lohnt, auch wenn man kein Austen-Fan ist, erfahrt Ihr in unserer Rezension.
Titel | Emma |
Jahr | 2020 |
Land | Großbritannien |
Regie | Autumn de Wilde |
Drehbuch | Eleanor Catton |
Genre | Komödie, Romanze, Drama |
Darsteller | Anya Taylor-Joy, Mia Goth, Johnny Flynn, Bill Nighy, Miranda Hart, Josh O’Connor, Callum Turner, Rupert Graves, Gemma Whelan, Amber Anderson, Connor Swindells |
Länge | 125 Minuten |
FSK | ab 0 Jahren freigegeben |
Verleih | Universal Pictures |
Darum geht es in Emma
Emma Woodhouse (Anya Taylor-Joy) ist 21 Jahre alt, sieht blendend aus und stammt aus gutem Haus. Wir schreiben das Jahr 1815. Emma und ihr Vater sind Angehörige der Gentry, des englischen Landadels. Sie leben auf einem Landsitz in der Nähe von London. Emma ist gebildet, verwöhnt und ein wenig hochnäsig. Ihr liebstes Hobby: Freundinnen mit guten Partien zu verkuppeln. Für Harriet (Mia Goth), die aus verarmten Verhältnissen stammt und in einem Mädchenpensionat lebt, hat sie den Dorfvikar Mr. Elton (Josh O’Connor) vorgesehen. Daher rät sie ihr, den Heiratsantrag des Farmers Robert Martin abzulehnen.
Zu spät merkt Emma, dass Elton eigentlich nur ein Auge auf sie geworfen hat. Auch wenn sie ihm einen Korb gibt, muss sie nun für Harriet einen Anderen finden. Als Kandidaten treten auf: der vermögende Frank Churchill und der in einem museumsartigen Schloss lebende George Knightley (Johnny Flynn). Bei all diesen amourösen Reigen vergisst sie indes, dass auch sie sich verlieben könnte.
Etikette und Stand sind alles
Das ist der Stoff, aus dem entweder gewaltige Dramen oder amüsante Komödien entstehen. Emma ist ein Stück weit beides. Vom Verleih als Satire beworben bietet der Film indes auch viele ernsthaftere Momente. Wie schon die Romanvorlage Jane Austens, an die sich Regisseurin Autumn de Wilde und Autorin Eleanor Catton zumindest dem Geist nach sehr genau halten, ist Emma ein Spiegelbild der britischen Gesellschaft des beginnenden 19. Jahrhunderts. Einer Zeit, in der das Zeigen von Gefühlen nicht gerade zu den angesagten Tugenden zählte. Etikette und Stand sind auch für Emma alles.
Entsprechend ihrem gesellschaftlichen Ansehen ist Emmas soziales Engagement im Grunde Ausdruck ihrer Arroganz. In Harriet sieht sie anfangs zumindest weniger die Seelenverwandte als das Objekt ihrer Fürsorge – und ihres Einflusses. Das Kümmern als Akt der Selbstveredelung, aber auch als Instrument der Macht. Entsprechend beschreibt sie Harriet gegenüber ihr Verhältnis zu den Martins: „Die Martins entstammen genau jener Gesellschaftsschicht, mit der ich leider nichts anfangen kann. Ein oder zwei Ränge darunter könnte mich interessieren. Wären sie sehr arm, könnte ich hoffen, ihnen behilflich sein zu können, aber ein Bauer hat keine Hilfe von mir nötig und ist meiner Beachtung nicht würdig.“
Emma – eine Heldin, die keiner mag
Jane Austen selbst soll über ihre Figur gesagt haben: „Ich werde eine Heldin schaffen, die keiner außer mir besonders mögen wird.“ (I am going to take a heroine whom no one but myself will much like). Ein Eindruck, der in dem Maße verschwindet, wie man Emmas Fassade zu durchschauen weiß. In einer Zeit, in der es als unschicklich gilt, Gefühle zu äußern, sind Irrungen und Wirrungen von Lust und Liebe programmiert. Es gibt Missverständnisse zuhauf. Und wenn die Fassade bröckelt, tritt auch bei Emma der herzensgute Kern zu Tage.
Die Chemie stimmt
Und das geschieht mit zauberhafter Leichtigkeit, was nicht zuletzt dem hervorragenden Ensemble zu verdanken ist. Anya Taylor-Joy verleiht Emma eine subtile Ambivalenz, so hochmütig wie auch verletzlich. Doch vor allem Mia Goth als Harriet zieht alle Register emotionaler Stimmungslagen von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt. Das Zusammenspiel der beiden Hauptdarstellerinnen ist großartig, die Chemie stimmt einfach.
Nicht zu vergessen Bill Nighy, der in Emma einmal mehr in unnachahmlicher Weise den schrullig distinguierten Briten mit etlichen Marotten gibt. Er stellt Emmas Vater als übertriebenen Hypochonder dar, der beim ersten Anzeichen von Schnee in Panik zu geraten droht und vor jedem Fenster einen krank machenden Windzug befürchtet. Vorm Kamin umstellt er sich mit Paravents, dies aber wohl nicht nur, um der Zugluft vorzubeugen. Es ist auch ein Zeichen sozialer Distanzierung, dient indes in einem wohlmeinenden Moment zum Herstellen von Intimität. Übrigens: Das nervöse Spiel seiner Finger wäre einer weiteren näheren Betrachtung würdig.
Längen mit optischer Opulenz
Die Figurenvielfalt von Emma erschwert allerdings gerade am Anfang des Films die Orientierung – zumindest bei allen, die mit der literarischen Vorlage oder früheren Verfilmungen des Stoffes nicht vertraut sind. Einige Längen erleichtern den Zugang auch nicht gerade. Es braucht seine Zeit, bis man mit den Charakteren warm wird. Bis dahin muss man sich halt mit einer anderen Qualität dieser Jane-Austen-Verfilmung begnügen: der optischen Opulenz.
Autumn de Wilde kommt von der Fotografie und hatte vor Emma bislang nur Musikvideos gedreht. Vielleicht ist es diesem fotografischen Blick geschuldet, dass die Kameraarbeit für einen modernen Film ungewöhnlich statisch ausfällt. Fahrten und Schwenks sind auf das Nötigste beschränkt und werden meist dann eingesetzt, wenn es einer Figur im Raum zu folgen gilt. Es sind äußere Bewegungen, weniger die inneren, die einen Wechsel des Kamerastandorts veranlassen.
Symmetrie und Eleganz
Diese fehlende Unruhe hat bei Emma durchaus Vorteile. Denn sie hilft, sich länger auf die Bilder einzulassen. De Wilde liefert Aufnahmen von malerischer Schönheit, teils wie klassische Gemälde aufgebaut. Das korrespondiert mit historischer Genauigkeit bei den äußerst detaillierten Kostümen und kunstvoll gestalteten Frisuren. Symmetrie und Eleganz prägen die Ästhetik des Films. Auch die Schauplätze sind exzellent gewählt: wunderschöne Landschaften und historische Gemäuer entsprechen dem Zeitkolorit. Die Innenaufnahmen entstanden ebenfalls zum Teil in zeitgenössischen Gebäuden. Da passt es, dass ein Großteil der verwendeten Musik aus klassischen Stücken etwa von Mozart oder zeitgenössischer Folklore besteht. Der gesamte Score wird dabei gekonnt eingesetzt, um Stimmungen zu vertiefen und Gefühle zu akzentuieren, ohne jemals aufdringlich zu wirken.
Eine farbenfrohe Epoche wird lebendig
Die Genauigkeit in Fragen des Details spiegelt sich auch in den Farben wider. Denn wie man heute aus Rekonstruktionen weiß, war die Mode der damaligen Zeit bedeutend bunter als die erhaltenen, aber verblassten Kleider vermuten lassen. Entsprechend farbenfroh sind auch die Bilder, mit denen de Wilde die Epoche Emmas wieder auferstehen lässt.
Auch wenn die Bezeichnung Satire ein wenig zu weit gegriffen scheint, steckt Emma doch voller gelungener komödiantischer Elemente. Wenn die Pensionatszöglinge um Harriet mit ihren roten Umhängen ihrer Wirtin im Gänsemarsch über die Straßen folgen, könnte das auch einem Disney-Cartoon entstammen. Die Szene bei einer Weihnachtsfeier, als die unbedarfte Äußerung Eltons, es könne ja noch Schnee geben, zu einer Massenpanik unter den Gästen führt, ist Slapstick pur.
Wenn Emma über ihren Vater sagt: „Ich bin eine echte Enttäuschung für ihn. Ich bin zu selten unpässlich“, lässt das schmunzeln. Und bei den durch Pfützen patschenden Schritten Harriets bei ihrer ersten unbeholfenen Wiederbegegnung mit Mr. Martin mischt sich Witz mit Poesie.
Unser Fazit zu Emma
Es sind diese kleinen Momente, die einen wesentlichen Reiz von Emma ausmachen. Und über gelegentliche Längen hinwegtrösten. Insgesamt hätte die Laufzeit von mehr als zwei Stunden sicher an der ein oder anderen Stelle gekürzt werden können. Sieht man von Ang Lees Sinn und Sinnlichkeit einmal ab, der die Messlatte aber auch sehr hoch legte, hebt sich Emma von den oftmals biederen Jane-Austen-Verfilmungen mit moderner Frische und Lebendigkeit ab. Wobei das Kunststück gelang, trotz dieser Modernität dem gesellschaftskritischen Geist des Romans näher zu kommen als die Vorgänger.
Emma erscheint am 16. Juli 2020 auf DVD und Blu-ray.
Unsere Wertung:
Zuletzt aktualisiert am 10. November 2022 um 0:00 . Wir weisen darauf hin, dass sich hier angezeigte Preise inzwischen geändert haben können. Alle Angaben ohne Gewähr. | Zuletzt aktualisiert am 10. November 2022 um 0:00 . Wir weisen darauf hin, dass sich hier angezeigte Preise inzwischen geändert haben können. Alle Angaben ohne Gewähr. |
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