Das Film Festival Cologne 2020 hatte wieder einmal ein vielseitiges Programm mit einigen tollen Filmen parat. Hier erfahrt ihr, welche Filme davon unsere größten Highlights waren.
Das Film Festival Cologne 2020
Das Film Festival Cologne 2020 hatte einige interessante Filme zu bieten. Natürlich gab es so auch deutlich mehr Beiträge als eine einzelne Person schauen könnte, doch unser Redakteur Samuel hat sich eine Woche lang einige Festivalbeiträge angeschaut und stellt euch hier seine Highlights vor. Neben zahlreichen Filmen gab es auch Besuch von Regisseur*innen, wie Zoé Wittock, die über ihre Filme geredet haben. Wie die Jahre davor gab es auch Artist Talks, in denen unter anderem Mads Mikkelsen über sich und seine Arbeit geredet haben.
Feels Good Man
Memes sind inzwischen ein fester Bestandteil unserer Kultur geworden. Bei kaum einem Meme ist dies so deutlich zu erkennen wie bei Pepe dem Frosch. Doch Pepe ist gleichzeitig auch ein Beispiel für die Schattenseiten des Internets. Die Dokumentation Feels Good Man handelt von der faszinierenden Geschichte dieses Comic-Froschs. Die Reichweite von Pepe hätte sich sein Schöpfer Matt Furie niemals vorstellen können, doch was passiert, wenn genau diese Reichweite aus dem Ruder läuft? Der Fokus der Dokumentation liegt auf Matts Kampf, wieder Kontrolle über seine Kreation zu erlangen, denn diese ist unter anderem zu einem Symbol der White Supremacy geworden. Mit viel Humor und einigen schönen Animationen entführt Feels Good Man den Zuschauer auf eine faszinierende Reise in die Internet-Kultur und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft. Somit ist sie besonders für diejenigen interessant, die bereits etwas mit Memes anfangen können und erfahren möchten, wie weit sich diese Subkultur entwickeln kann.
The Twentieth Century
Basierend auf dem Tagebuch des ehemaligen kanadischen Prime Ministers William Lyon Mackenzie King, hat Matthew Rankin einen postmodernen Fiebertraum geschaffen. Daher sehen wir auch kein übliches Biopic, sondern tauchen in den Kopf von King ein. Es entsteht eine Welt, in der ejakulierende Kakteen normal sind und Robbenbabys-Töten ein notwendiges Kriterium für die Kandidatschaft darstellt. Stilistisch lehnt sich der Film stark an den deutschen Expressionismus und Propagandafilmen an. Dadurch sehen Sets, Kostüme und Make Up extrem künstlich aus und erschaffen einprägsame Bilder. Die Handlungsstruktur ist mit seinem sketchartigen Rhythmus etwas gewöhnungsbedürftig, aber sorgt gleichzeitig auch für ein kurzweiliges Tempo.
Die Imperialismus/Faschismus-Kritik wird zwar ziemlich deutlich aufgedrückt, aber satirisch so stark überspitzt, dass es fast schon wieder kryptisch ist. Es verhält sich in vielen Aspekten tatsächlich wie ein Traum, bei dem Zusammenhänge teilweise schwer greifbar sind. Und so wie jeder Traum von verschiedenen Einflüssen gesteuert ist, gibt es hier auch einige popkulturelle Inspirationen. Es stechen unter anderem 1984, Robert Wiene, Nobuhiko Obayashi, Terry Gilliam u. v. m. heraus. Mit seiner Visualität, dem absurden Humor und seiner Verbeugung vor dem Kino verspricht The Twentieth Century eine einzigartige Filmerfahrung für Fans von kreativen Satiren. Dies macht ihn auch zum vielleicht ungewöhnlichsten Film auf dem Film Festival Cologne 2020.
Nine Days
Nine Days handelt von einer kleinen Insel, auf welcher die Seelen der Menschen neun Tage lang leben bevor sie geboren werden können. In dieses neun Tagen entscheidet sich, wer reif genug ist, um der realen Welt standzuhalten. Winston Duke schlüpft hierbei in die Rolle des Interviewers Will, der die Seelen testen und beurteilen muss. Jeder seiner Schützlinge bildet sich ein anderes Bild von der Menschheit. Es entspinnt sich langsam eine gefühlvolle Geschichte um den Kampf zwischen Pessimismus und Optimismus. Besonders die Hauptfiguren Wil, Emma (Zazie Beetz), Kane (Bill Skarsgård) und Kyo (Benedict Wong) bekommen genug Zeit, um eine enge Verbindung zum Zuschauer aufzubauen, wodurch mehrere emotionale Szenen im Gedächtnis bleiben. Auch audiovisuell sorgt Nine Days für eine ergreifende Stimmung, wodurch er besonders im Bezug auf seine Figuren eine menschliche Wärme ausstrahlt, wie sie es kaum ein Film auf dem Film Festival Cologne 2020 geschafft hat.
Jumbo
Wie fühlt es sich für jemanden an, in ein Objekt verliebt zu sein? Diese Frage stellt sich Regisseurin Zoé Wittock mit ihrem Spielfilmdebüt Jumbo, in welchem Jeanne (Noémie Merlant) eine intime Beziehung mit einer Freizeitparkattraktion eingeht. Wegen ihrer Objektsexualität muss sie gegen viel Widerstand ankämpfen. Besonders ihre Mutter fängt an, Jeanne zu hassen. Zoé Wittock ist es wichtig, Jeanne nicht wie eine Verrückte zu inszenieren, sondern den Zuschauer ihre Liebe nachfühlen zu lassen. Dafür gibt sie der Freizeitparkattraktion Jumbo eine richtige Persönlichkeit. Jumbo kann mit seinen Lichtern mit Jeanne kommunizieren und sie haben sogar sehr poetisch inszenierten Geschlechtsverkehr. Es wird so verständlich und gefühlvoll erzählt, dass sich der Zuschauer glatt auch in Jumbo verlieben könnte.
Die 95 Minuten Laufzeit zwingen die Handlung dazu, an manchen Stellen die Konflikte zu einfach wieder aufzulösen. Doch es ist eben auch eine Art Märchen und als dieses funktioniert es sehr gut. Jumbo involviert den Zuschauer emotional in seine Figuren, lässt sie mit ihnen mitleiden und sorgt in einigen Szenen für ein breites Grinsen im Gesicht. Das ist zum einen Noémie Merlants Schauspiel zu verdanken, zum anderen aber auch der von Neon-Lichtern durchzogenen Optik, die so stilsicher ist, dass es auch Zoé Wittocks zehnter Film sein könnte. Die audiovisuelle Achterbahnfahrt untermalt die einfühlsam erzählte Geschichte so passend, dass man Jumbo einfach lieben muss.
First Cow
First Cow spielt in Oregon zur Zeit der Kolonialisierung. Der talentierte Koch Otis “Cookie” Figowitz trifft King-Lu, welcher sich auf der Flucht vor einer russischen Bande befindet. Zwischen den beiden entspinnt sich eine Freundschaft, in der sie sich besonders gut ergänzen. Mit Otis Kochkünsten und King-Lus Sinn fürs Geschäft verkaufen beide ein selbst hergestelltes Ölgebäck. Doch ihr Geschäftsmodell ist nicht ungefährlich, schließlich melken sie für ihr Gebäck heimlich die Kuh eines mächtigen Grundbesitzers. Aus dieser Situation entsteht eine ruhig erzählte Geschichte über Freundschaft, die zwei charmante Protagonisten in den Vordergrund stellt. Es kommt sowohl zu einigen aberwitzigen Szenen wie auch zu sehr einfühlsamen Momenten der Freundschaft. First Cow ist somit der Feel Good Film des Fantasy Filmfest 2020, der erneut beweist, dass die Filmschmiede A24 für Qualität steht.
Oeconomia
In Oeconomia stellt sich Carmen Losmann die Frage, wie unsere Wirtschaft eigentlich funktioniert. Wann wächst die Wirtschaft? Wo kommt das Geld her? Inwiefern spielen Zinssätze eine Rolle? Und vor allem, wird der Kapitalismus irgendwann sogar kollabieren? Richtige Antworten darauf findet sie eher selten, doch genau das macht Oeconomia so besonders. Obwohl man auch einiges über die Zahnräder der Wirtschaft erfährt, spielt der Großteil der Dokumentation auf die Paradoxe des Systems an und zeigt daher besonders gerne die verwirrten Blicke von Bankern, wenn sie vermeintlich einfache Fragen beantworten müssen.
Der Film verfolgt deutlich die Aussage, dass der Kapitalismus auf lange Sicht zu instabil ist, doch Losmann lässt auf beiden Seiten genug Experten zu Wort kommen, um nicht einseitig zu berichten. Es ist eine interessante Doku für jeden, der erfahren möchte, wie verwirrend der Kapitalismus ist und wie stark er von Teufelskreisen und Paradoxa beeinflusst ist. Wenn es nicht so erschreckend wär, wären einige Szenen auch unheimlich witzig.
Another Round
Das Highlight des Film Festival Cologne 2020 war die Vorführung von Another Round. Schließlich erschienen selbst Mads Mikkelsen und Thomas Vinterberg, um über ihren Film zu sprechen. Die Prämisse des Films ist simpel. Vier Lehrer wollen herausfinden, ob ihr Leben nicht einfacher wäre, wenn sie jeden Tag konstant 0,5 Promille halten würden. Doch natürlich bleibt es nicht lange bei dem anfangs geplanten Promille-Wert und das Experiment droht zu eskalieren. Another Round kreiert aus der Idee eine mitreißende Komödie, die besonders in der ersten Hälfte schreiend komisch daher kommt und ab der Mitte immer tragischer wird. Der Film hält eine tolle Balance zwischen Comedy und ernstem Drama, dass für jeden Geschmack etwas dabei ist. Die Hauptdarsteller sind zudem perfekt gecastet und Mads Mikkelsen zeigt erneut, was für ein grandioser Schauspieler er ist. All das macht den Abschlussfilm des Film Festival Cologne 2020 dann auch zu einem der filmischen Highlights dieses Festivals.
Das Film Festival Cologne lief vom 01.10.2020 bis zum 08.10.2020 im Filmpalast Köln.
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