Beim Filmfestival von Cannes gewann A Hero – Die verlorene Ehe des Herrn Soltani den großen Preis der Jury, jetzt erfolgt der Kinostart in Deutschland. Kann das Drama von Regisseur Asghar Farhadi überzeugen? Das verraten wir euch hier!
Titel | A Hero - Die verlorene Ehre des Herrn Soltani |
Jahr | 2021 |
Land | France |
Regie | اصغر فرهادی |
Genres | Drama |
Darsteller | Amir Jadidi, محسن تنابنده, Fereshteh Sadr Orafaee, Maryam Shahdaie, Sahar Goldust, Ehsan Goodarzi, Sarina Farhadi, Ali Reza Jahandideh, Farrokh Nourbakht, Mohammad Aghebati, Saleh Karimai, Ali Ranjbari, Fatemeh Tavakoli, Amir Amiri |
Länge | 127 Minuten |
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Die Handlung von A Hero – Die verlorene Ehre des Herrn Soltani
Der wegen Schulden als Freigänger im Gefängnis sitzende Rami Soltani (Amir Jadidi) gibt bei einer Bank eine verlorene Handtasche mit wertvollen Goldmünzen ab. Diese hätte Rami gefunden und aufgrund seines Gewissens zur Bank gebracht, obwohl er mit dem Gegenwert der Münzen einen Teil seiner Schulden hätte abbezahlen können. Als die Medien und die Gefängnisdirektion von Ramis Tat erfahren, küren sie ihn zu einem Wohltäter und Helden. Doch es kommen auch Zweifel am Wahrheitsgehalt von Ramis Geschichte auf…
Ein selbstloser Held?
Wenn man die Synopsis von A Hero – Die verlorene Ehre des Herrn Soltani liest, bemerkt man, dass es sehr einfach wäre, hier ein konventionelles Drama zu schaffen. Aufgebauschte Emotionalität und abgestandene Klischees könnten hier Fallen sein, in die Regisseur Asghar Farhadi nicht tritt. Mit Rami Soltani gelingt es ihm, eine Person zu beschreiben, die vielschichtiger ist. Und Amir Jadidi gelingt es, die Figur des Rami für die Zuschauer*innen als sympathisch und nahbar darzustellen. Dies ist auch von enormer Bedeutung, da jede Aktion von Rami einer aus seiner Perspektive intrinsisch guten Moral folgt. Dennoch lässt die Figur auch genug Spielraum, um eventuelle Fehler Ramis aufzuzeigen und ihn so auch glaubwürdig erscheinen zu lassen.
Diese Auflösung einer binären Aufteilung von “Gut” und “Böse” hilft der Erzählung Farhadis enorm. Nicht die ultimative Frage nach der Schuld steht nun im Vordergrund, sondern das Schicksal der von den Ereignissen betroffenen Personen. Das ermöglicht die komplexe, eben vielschichtige Darstellung der Figur des Rami. Anders als in der Berichterstattung in den Medien ist dieser nämlich nicht nur Held oder Bösewicht, sondern auch Bruder, Vater und Liebender. Diese verschiedenen Ebenen beeinflussen auch das Bild der Zuschauer*innen von Rami. Denn so wird man selbst ertappt, wie man Ramis Taten reflektiert und bewertet. Denn Asghar Farhadis Erzählung stellt unterbewusst eine Frage an sein Publikum: “Hätte ich auch so gehandelt, wenn ich an Ramis Stelle wäre?”
Wen treffen die Folgen?
Ramis Aktionen ziehen nicht nur Konsequenzen für ihn nach sich, sondern auch für sein Umfeld. Ein Beispiel dafür findet sich in seiner Beziehung zu Mme Radmehr (Fereshteh Sadrorafaii), seiner Geliebten. Sie ist es, die die Handtasche mit den wertvollen Münzen findet und die Handlung dadurch erst lostritt. Sie möchte die Münzen eigentlich nicht abgeben, was in Rami die Gewissensfrage auslöst. Seine Beziehung zu ihr und seine Entscheidung gegen ihren Willen identifiziert sie als eine zentrale Figur seines Konflikts. Doch da Rami noch verheiratet ist, steht sie selbst zwischen den Fronten. Ihre Familie rät ihr von einer Hochzeit mit Rami ab, sie möchte ihn aber nicht verlassen. Dadurch ist sie noch mehr von Ramis Taten abhängig.
Eine weitere wichtige Person im Geflecht ist Braham (Mohsen Tanabandeh). Er ist der Schuldner Ramis und damit der ursprüngliche Grund für dessen Verhaftung. Zu einfach wäre es gewesen, Braham als geldgierigen Bösewicht darzustellen. Allerdings möchte dieser nur sein Geld zurückerhalten, um seine eigenen finanziellen Probleme zu lösen. Dies zeigt auf, dass auch er nachvollziehbare Gründe besitzt, um so zu handeln, wie er es tut. Die wahrscheinlich einzig unschuldige Figur bleibt Ramis Sohn Siavash. Siavash leidet an einem Sprachfehler und wohnt während der Gefängniszeit seines Vaters bei dessen Schwester. Der Sohn kann sich nicht wehren und ist getrieben von der nachvollziehbaren Emotion, seinem Vater helfen zu wollen. In einer Schlüsselszene soll Siavash ein Video aufnehmen, in der er die Unschuld seines Vaters beteuern soll. Die Ausbeutung eines Kindes zur Verbesserung des Standings einer Person ist dort so authentisch und gut getroffen, dass sich dabei ein Klos im Hals bilden kann.
Eine Gesellschaft braucht ihre Sündenböcke
Asghar Farhadi bezeichnet sich selbst nicht als politischen Filmemacher, dennoch repräsentieren seine Filme die iranische Gesellschaft sehr detailliert. Auch A Hero – Die verlorene Ehre des Herrn Soltani macht davor keinen Halt. Besonders interessant ist hierbei auch die Rolle der Gefängnisse. So geht der rapide Aufstieg Ramis in den Medien mit der Strategie der Gefängnisleitung, dadurch einen Todesfall im Gefängnis zu vertuschen, einher. Dieser Fall ist nur ein Sinnbild von vielen für Farhadis Kritik am iranischen Justizsystem. Das Beispiel eines Wohlfahrtsverbandes, der Geld für Gefängniskautionen sammelt, treibt diese Kritik an die Spitze. Wenn in einer Szene abgewogen wird, ob man das gesammelte Geld für Ramis Kaution verwenden soll, oder anstatt seiner einen verurteilten Mörder freikauft, zeigt sich die Perversion des Systems. Dort scheint keine Gerechtigkeit zu existieren, sondern nur ein utilitaristischer Gedanke, der alles lenkt.
Beschleunigt wird der Aufstieg und Fall Ramis durch die Verbreitung seiner Geschichte durch die sozialen Medien. Beispielhaft dafür ist ein Video, welches zuerst als Mittel zur Erpressung gegen Rami verwendet werden soll. Als dieses Video online gestellt wird, wandelt sich sehr schnell die öffentliche Meinung, aus dem Helden Rami wird der Verdammte. Diese Medienkritik ist dabei nicht nur auf den Iran anzuwenden. Auch in der westlichen Welt geht die immer schnellere Vorverurteilung von Menschen mit der Digitalisierung einher. Quellen werden oft nicht mehr geprüft, Informationen aus dem Kontext gerissen. Als Ergebnis bleibt ein Individuum, welches der Meute zum Fraß vorgeworfen wird.
Unser Fazit zu A Hero – Die verlorene Ehre des Herrn Soltani
Mit A Hero – Die verlorene Ehre des Herrn Soltani bringt Asghar Farhadi wohl einen der spannendsten Filme dieses Jahres auf die Kinoleinwand. Er nutzt jede Minute seiner knapp über 2 Stunden Laufzeit, um den Zuschauer zu packen. Dabei wird nicht nur der Blick auf die Hauptfigur Rami gelenkt, sondern beleuchtet alle Aspekte, die mit dem Aufbau und Fall eines medialen Helden zu tun haben. Dieses nüchtern erzählte Drama konnte nicht umsonst einige internationale Preise für sich gewinnen und besonders Fans von gut ausgefeilten Charakteren sollten diesen Film gesehen haben.
A Hero – Die verlorene Ehre des Herrn Soltani startet am 31. März 2022 in den deutschen Kinos!
Unsere Wertung:
© Neue Visionen Filmverleih