Regen kann traurig stimmen, aber auch für Klarheit sorgen. Mit A Rainy Day in New York liefert Woody Allen ein für ihn typisches Alterswerk mit Tiefgang ab. Warum man den Film trotz aller Missbrauchsvorwürfe gegen den Regisseur sehen sollte, erfahrt ihr hier.
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Titel | A Rainy Day in New York |
Jahr | 2019 |
Land | United States of America |
Regie | Woody Allen |
Genres | Komödie, Liebesfilm |
Darsteller | Timothée Chalamet, Elle Fanning, Selena Gomez, Jude Law, Diego Luna, Liev Schreiber, Rebecca Hall, Griffin Newman, Kelly Rohrbach, Suki Waterhouse, Annaleigh Ashford, Cherry Jones, Jonathan Hogan, Taylor Black, Kathryn Leigh Scott, Ben Warheit, Will Rogers, Saskia Slaaf, Shannone Holt, Suzanne Smith, Olivia Boreham-Wing, Gus Birney, Elijah Boothe, Frank Marzullo, Kirby Mitchell, Mary Boyer, Ted Neustadt, Dylan Prince, Jonathan Judge-Russo, Jacob Berger, Cole Matson, Tyler Weaks, Gary Wilmes, Pat Kiernan, Annika Pergament, Don Stephenson, Catherine LeFrere, Patricia Dunnock, Edward James Hyland, Geoff Schuppert, Deniz Demirer |
Länge | 93 Minuten |
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Darum geht es in A Rainy Day in New York
Es soll eigentlich ein romantischer Kurztrip nach Manhattan werden. Gatsby Welles (Timothée Chalamet) will seiner Freundin Ashleigh Enright (Elle Fanning) sein altes Viertel zeigen. Da kommt es gerade recht, dass Ashleigh für die Uni-Zeitung ein Interview mit dem Arthouse-Regisseur Roland Pollard (Liev Schreiber) in New York führen soll.
Natürlich kommt in A Rainy Day in New York alles anders als geplant: Während das naive Landei Ashleigh mit der New Yorker Filmszene abhängt, trifft Gatsby alte Schulfreunde. Spontan springt er als Komparse beim Dreh eines Studentenfilms eines seiner Kumpel ein. Er soll eine Kussszene spielen – mit Shannon (Selena Gomez), der jüngeren Schwester einer Ex-Freundin. Nach erster Verkrampfung klappt das auch, und der Regen beginnt.
Viel mehr sei an dieser Stelle nicht verraten. Mit dem Regen beginnt auch ein Reigen unterschiedlicher Verwicklungen in typischer Woody-Allen-Manier. Gatsby, mehr an Musik und Literatur als an materiellen Dingen interessiert, lässt sich durch das verregnete New York treiben. Geld interessiert ihn nur dann, wenn er es beim Pokern gewinnt, worin er sich vom Rest seiner vermögenden Familie zu unterscheiden scheint. Schließlich landet er gegen seinen Willen bei seiner Mutter auf einer High-Society-Party. Was mit einer überraschenden Wendung endet.
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Verzögerungen durch MeToo-Debatte
Man kann über A Rainy Day in New York leider nicht sprechen, ohne auf die Missbrauchsvorwürfe gegen Woody Allen einzugehen, die im Zuge der MeToo-Debatte erneut aufflammten. Allens Ex-Frau Mia Farrow hatte ihn bezichtigt, 1992 die Adoptivtochter Dylan missbraucht zu haben. Allen hatte dies immer bestritten, zuletzt auch in seiner Autobiografie Ganz nebenbei. Hollywood indes hat ihn zur Persona non grata erklärt. Die Veröffentlichung seiner Autobiografie in den USA wurde durch einen Streik der Verlagsmitarbeiter verhindert. Und auch die Veröffentlichung von A Rainy Day in New York litt unter den wieder aufkommenden Vorwürfen: Ursprünglich sollte die Komödie bereits 2017 auf Amazon Prime veröffentlicht werden. Doch der Streamingdienst zog sich zurück, und der Streifen kam erst Ende des letzten Jahres in Europa ins Kino.
Auch alle Jungstars distanzierten sich von Allen und seinem neuesten Film. Chalamet, Gomez und Hall spendeten ihre Gagen an gemeinnützige Organisationen, und letztere weigerte sich gar, jemals wieder in einem Film von Woody Allen mitzuspielen. Jude Law dagegen hielt nichts von dem Hin und Her um die Veröffentlichung des Films.
Ereignisse, die natürlich auch ihren Schatten auf die Rezeption von A Rainy Day in New York warfen. Einige Kritiker bezichtigten Allen auch hierzulande der Frauenfeindlichkeit, was eigentlich nur für die mangelnde Kenntnis des Allenschen Werks sprechen kann. Doch lässt sich der Film unabhängig von den erhobenen Vorwürfen überhaupt bewerten? Eine Frage, die letztlich jeder für sich beantworten muss – ein klares “Ja” oder “Nein” gibt es hier nicht.
A Rainy Day in New York spült skurrile Figuren hervor
Jenseits dieser diffusen moralischen Debatte kommt mit A Rainy Day in New York ein typischer Woody-Allen-Film ins Heimkino. Es gibt viel Jazz zu hören, es wird unendlich viel und schnell geredet, oft auch als innerer Monolog aus dem Off. Jede Menge skurriler Figuren, die diesmal vielleicht ein bisschen bösartiger gezeichnet sind als sonst, tummeln sich in der verregneten Metropole. Es geht um Kunst und Philosophie, um Sein und Schein, um Romantik, um den Sinn des Lebens und eben den ganzen Rest. Und vor allem um Regen. Von dem Allen mal gesagt haben soll, er sei ihm lieber als Sonnenschein. Regen allerdings in seiner ganzen Doppeldeutigkeit als Metapher für Tränen und Trauer aber auch als Element der Reinigung.
Darüber hinaus ist A Rainy Day in New York eine luftig-leichte Komödie, wie sie nur Woody Allen hinbekommt. In der es wie immer um Sex geht – und den zahlreichen Formen sexueller Verklemmtheit. Wenn Arthouse-Regisseur Pollard etwa von seiner ersten Frau mit ihrem sexy-postmodernen Überbiss schwärmt, oder der als Running Gag prima funktionierende Schluckauf Ashleighs: “Wenn ich sexuell konfus bin, dann hickse ich mich zu Tode.” Gatsbys Bruder hingegen wird impotent beim schrillen Lachen seiner Frau, und auch Gatsbys Verhältnis zu Shannon ist zunächst zwiespältig: “Ich war der Freund Deiner Schwester, und Du warst damals schon prophylaktisch aggressiv.” Dann ist es ausgerechnet ein Gemälde von Hieronymus Bosch, das Gatsby zu einem Kuss animiert.
Angst, Feindlichkeit und Paranoia
Doch wollen wir uns nicht mit “Schamhaarspaltereien” aufhalten. Allen serviert uns diesmal auch ein Plädoyer für die Romantik, nicht ohne es mit einer guten Prise subversiver Ironie zu brechen. So schildert Gatsby seine Liebe zu New York aus dem Off: “Angst, Feindlichkeit und Paranoia – das ist unglaublich aufregend.” Man mag hier einen Seitenhieb auf die Anfeindungen verspüren, denen Allen aktuell ausgesetzt ist. Und auch wenn er Kritik an der Künstlichkeit der Filmwelt übt, in der plötzlich alle Männer scharf sind auf die Natürlichkeit der Unschuld vom Lande in Gestalt der naiven Ashleigh, so sympathisiert er doch mit der Flucht in Träume. Wenn auch eher die älteren. “Alte Filme sind alle so wunderbar realitätsfern”, hört man da. Oder auch: “Die Realität ist was für Leute, die nichts besseres können.” Träume im wirklichen New York zu erfüllen, geht dagegen nur gegen bare Münze. Wie Gatsby leidlich erfahren muss.
So wird A Rainy Day in New York von vielen alten Melodien durchzogen, klassischer Swing trägt die Atmosphäre. Gatsby selbst sagt im Moment der Trauer: “Oh Gott, ich brauch ᾽nen Drink, ich brauch ᾽ne Zigarette, vor allem brauch ich ᾽ne Ballade von Irving Berlin.” Dieser Rückzug ins Romantische endet mit einem Happy End, das in seiner klischeehaftigkeit erneut ironisch gebrochen wird. Und so die ganze Ambivalenz romantischer Gefühle beschreibt.
Lichterfüllte Liebeserklärung an New York
Dabei drückt Allen seine Liebe zu New York in wunderschönen Bildern aus. Altmeister Vittorio Storaro verhilft der Stadt zu einem – trotz Regen – lichterfüllten, warmen Glanz. Und einmal mehr konnte Woody Allen ein Ensemble hervorragender Schauspieler um sich versammeln. Wobei zu hoffen bleibt, dass dies bei A Rainy Day in New York nicht das letzte Mal gewesen sein wird. Timothée Chalamet glänzt als lässiger Charmebolzen. Doch das Highlight ist ganz klar Elle Fanning mit ihrer durchgeknallten Performance. Was anfangs ein wenig nach Overacting aussieht, erweist sich im weiteren Verlauf als passgenaue Karikatur der Landpomeranze mit goldenem Herz. In den Nebenrollen überzeugen Jude Law als überdrehter und von seiner Frau gehörnter Drehbuchautor Ted Davidoff und insbesondere der grandiose Liev Schreiber als depressiv-schwermütiger Regisseur.
Mein Fazit zu A Rainy Day in New York
Mit mehr als 80 Jahren hat Woody Allen mit A Rainy Day in New York noch einmal gezeigt, dass er zu den ganz großen Komödienregisseuren gehört. Der Film ist sicher nicht eines seiner besten Werke – wie ließe sich etwa Der Stadtneurotiker überbieten? Doch enthält Allens jüngstes Werk neben jeder Menge feingeistiger Pointen auch eine kräftige Dosis Kritik an der falschen Künstlichkeit des Kulturbetriebs, ironisch gebrochen in wohlbekömmliche Häppchen. Verpackt in großartig fotografierte Bilder kommt hier eine leichtfüssige Komödie mit Tiefgang daher. Und es bleibt zu hoffen, dass die Vorwürfe gegen Allen, die ja rechtlich noch nicht bewiesen sind, nicht auch schon sein kreatives Aus bedeuten.
A Rainy Day in New York erscheint am 23. April 2020 auf DVD, Blu-ray und als VoD. Als digitaler Download ist der Film bereits seit dem 7. April erhältlich.
Unsere Wertung:
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