Jesse Eisenberg schiebt dem Zuschauer über quälend lange 90 Minuten ein trockenes Knäckebrot in den Mund. Die vermeintlich quirlige Präsentation, unterlegt mit leichtfüßiger Chopin-Musik, kommt so uninspiriert daher, dass man sich fragt, ob der Regisseur den Drehbuchautoren überhaupt leiden konnte, bis man einen Blick in die Credits wirft. Dass der Film in der laufenden Preissaison Aufmerksamkeit erhält, ist einzig und alleine Kieran Culkin zu verdanken. Dem Succession-Alumnus gelingt kompetent ein gewiss anspruchsvoller Drahtseilakt, für den er möglicherweise demnächst Oscar-prämiert sein wird. An der Balance zwischen Tragik und Nervenqual, die Culkin gekonnt hält, scheitert Schauspielkollege Eisenberg. A Real Pain ist eine ziemliche Schlaftablette, die wenig falsch macht, außer dass sie eigentlich nichts wirklich richtig macht. Schlussendlich ist vermutlich jede Routineuntersuchung bei Zahnärzt:innen interessanter – und näher an einem „real pain“.
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16.01.2025A Real Pain ist ein schön unkonventionelles Beispiel dafür, dass es Figuren wie die eines Kieran Culkin heutzutage kaum noch im Kino gibt. Provokativ wie lebenswert, lebensbejahend und doch sehr verzweifelt den Sinn des Lebens suchend. A Real Pain schöpft daraus seine Stärken. Die Figurenkonstellationen schafft Jesse Eisenberg in seiner zweiten Regiearbeit beeindruckend gut und lässt verschiedenste Figuren verschiedenster Herkünfte in Gesprächen kulminieren, die interessieren. Problematisch ist nur, das A Real Pain darüberhinaus trotz seiner eigenen Themen und schwermütigen Gespräche nie die Substanz erreicht, die er mit Leichtigkeit haben könnte - und dadurch wenig bis keinen bleibenden Eindruck hinterlässt.
Neben all den durchaus spannend gewählten Gebieten wie verschiedenen Geschlechterrollen, Platz in der Gesellschaft, Drogen als Flucht der individuellen Lebensdepression und die Aufarbeitung der Geschichte samt Kritik an dem Tourismus-Trubel als unemotionsloses Ventil des Erkennens der Zeit wird dabei kenntlich, fließt jedoch nur so an den Zuschauern vorbei. Jesse Eisenberg spricht jene Themen eher substanzlos an, ohne darauffolgenden die angemessenen und spannenden Aspekte näher zu ergründen und zu vertiefen. Als Tagikkomödie wird A Real Pain dadurch nie wirklich greifbar, auch weil sich der komödiantische Teil nie wirklich durchzusetzen weiß und trotz der sehr schrulligen Figuren zwischen „beinahe nervig“ und „charmant bisweilen lustig“ geschrieben ist, jedoch nie eine greifbare Tonalität einbinden kann: A Real Pain findet keine Mitte, keine funktionale Ebene, alles unter einen Kamm zu scheren, auch wenn bisweilen der Verlauf solide von Eisenberg in die richtige Art von Film getrieben wurde - nur fehlt es an Wucht, an Dramatik und an Tempo.
Eisenberg liefert dafür gekonnte Bilder, eine ausgewogene Inszenierung, erneut tolles Schauspiel, obwohl er sich selbst spürbar zurücknimmt und Culkin die Bühne räumen lässt. Dadurch werden A Real Pain 90 Minuten Kurzweiligkeit erlaubt, die nicht sonderlich nerven, jedoch erstaunlich wenig mit den Zuschauern machen. Reflektieren und anerkennen möchte A Real Pain in einem auslösen. Es ist nicht immer alles gut im Leben des Eigenen und Lebensfreude ist nur temporär, weswegen sich hinter Medikamenten und Drogen versteckt wird, die den Weg des zu beschreitenden Alltags von Einen auf den Nächsten ebnen und die guten Momente erst zulassen. Eisenberg schafft dies anfangs subtil durch visuelles Erzählen, ohne jedoch alles erdenkliche auszusprechen, wird jedoch von seiner eignen Stärke selbst eingeholt, wenn die Figuren im weiteren Verlauf genau das aussprechen, was die Zuschauer bereits zu Kenntnis genommen haben. Richtig stimmig wird A Real Pain deswegen nie. Eisenberg weiß was anzusprechen ist, überfordert sich jedoch mit der Gewichtung der Themen merklich, in denen nie eines brillieren und durchscheinen darf und in denen die Figuren schlichtweg untergehen.
A Real Pain erzählt dabei viel über Zugehörigkeit, Erbe, den Glauben, das eigene Auseinandersetzen mit dem eigenen Körper, plustert sich jedoch so mit Themen auf, das der eigentliche Roadtrip durch Polen vollkommen hinunterfällt und der ansehnlich-emotionale Grundgedanke in den Untiefen der Themenvielfalt verloren geht. Ohnehin fehlt das Gespür für einen mitfühlbaren Verlauf durchaus, auch wenn Jesse Eisenberg selbst einen hervorragenden Einstieg und ein sich sehr stimmig integrierendes Ende liefert. Dabei konkurrieren richtig schöne Ideen und immer wieder gute Momente mit der eher distanzierten Gleichgültigkeit des Gesamtfilmes, der jedoch einen herausragenden Kieran Culkin etabliert und mit einem sehr guten Jesse Eisenberg vor und hinter der Kamera A Real Pain zumindest schauspielerisch und visuell angenehm abzurunden weiß. Leider fehlt darüberhinaus die erzählerisch ausgereifte Raffinesse und der Mut, sich auf einen Bereich eines Themas vollständig zu beschränken und damit richtig auszurichten.