Ari Aster hat mit Hereditary 2018 meisterhaft gezeigt, wie wirkungsvoll eine Melange von Familiendrama und Horrorfilm sein kann. Bereits 15 Jahre früher hat Kim Jee-woon in A Tale of Two Sisters sich daran versucht, beide Genres zu einem schmackhaften Cocktail zu vermischen. Ob das Ergebnis ähnlich köstlich schmeckt, lest ihr in unserer Rezension.
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Titel | A Tale of Two Sisters |
Jahr | 2003 |
Land | South Korea |
Regie | 김지운 |
Genres | Drama, Horror, Mystery |
Darsteller | 임수정, 문근영, 염정아, 김갑수, 박미현, Lee Seung-bi, Woo Ki-hong, Lee Dae-yeon |
Länge | 110 Minuten |
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Worum geht’s in A Tale of Two Sisters?
Erzählt wird die Geschichte der Schwestern Su-mi und Su-yeon. Die beiden Heranwachsenden kommen nach einem offenbar längeren Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik nach Hause zu ihrem Vater Kim Kap-soo und ihrer Stiefmutter Yeom Jeong-a.
Während sie ihrem Vater fast gleichgültig begegnen, hegen sie offenbar großes Misstrauen gegenüber ihrer Stiefmutter. Plötzlich geschehen im Haus seltsame Dinge, wobei sich nach und nach die sehr düstere Vergangenheit der kleinen Familie offenbart.
A Tale…
Wie viele asiatische Horrorfilme, so hat auch dieser ein amerikanisches Remake spendiert bekommen. Mit Der Fluch der 2 Schwestern (OT: The Uninvited) inszenierten Charles Guard und Thomas Guard 2009 ihre recht eigenständige Version des Stoffs und genehmigten sich dabei viele Freiheiten.
Im hier vorliegenden Original handelt es sich indes in weiten Teilen tatsächlich um eine Art Märchen, wie es der Titel suggeriert. Lose basieren die Ereignisse nämlich auf einem koreanischen Volksmärchen mit dem eingängigen Namen “Janghwa Hongnyeon jeon” (übersetzt “Die Geschichte der Rose und des roten Lotus”). Zweifelsohne aber ist A Tale Of Two Sisters ein Märchen für Erwachsene, keine Frage. Denn in den Szenen mit Horroreinschlag wird die Spannungsschraube fast bis zur Unerträglichkeit angezogen. Doch dazu später mehr. Doch verlieren wir erstmal ein paar Worte zum Regisseur Kim Jee-woon.
Der Regisseur
Wenn man sich ein wenig im südkoreanischen Kino der Neuzeit auskennt, dann ist einem der Name Kim Jee-woon zweifelsfrei bereits über den Weg gelaufen. Denn bevor der in Seoul gebürtige Regisseur und Drehbuchautor im Jahr 2013 The Last Stand mit Arnold Schwarzenegger realisierte, und damit auch bei Nicht-Asiakinoliebhabern einen gewissen Bekanntheitsgrad erreichte, baute er sich quer durch die Genres eine beachtliche Reputation auf. Direkt nach A Tale of Two Sisters inszenierte Jee-woon das Krimi-Drama Bittersweet Life, dann den Western The Good, the Bad, the Weird und vor allem die Blaupause eines jeden Rache-Thrillers, den kompromisslosen I Saw The Devil. Spätestens seit diesem Meisterwerk ist Kim Jee-woon im Olymp der Genre-Regisseure angekommen. Doch hatte dieses Erwachsenen-Märchen schon das Potential, ihn auf diese Stufe zu heben, und wurde in westlichen Gefilden nur verkannt?
Bedacht im Aufbau von A Tale of Two Sisters
Bereits in den ersten Minuten des Films merkt man als Zuschauer, dass in der Beziehung zwischen den Töchtern, ihrem Vater und vor allem ihrer Stiefmutter einiges im Argen liegt. Was genau das ist, das bleibt allerdings lange unklar. Erst im letzten Drittel des Films, wenn man schon metertief im Kaninchenbau steckt, werden offene Fragen beantwortet, und es formt sich ein noch düstereres und fatalistischeres Gesamtbild als bisher angenommen. Auf dem Weg dahin verschwimmt die Grenze zwischen Realität und Imagination von Minute zu Minute immer mehr. Was als Familiendrama beginnt, steigert sich langsam, aber stetig, in einen fast schon surrealen Psycho-Horror-Trip, auf dem man auch nach dem Abspann wunderbar rumdenken kann.
Das Drehbuch von Kim Jee-woon schafft es meisterlich, dem Zuschauer Brotkrumen für Brotkrumen hinzuwerfen, und ihn damit auch mal bewusst auf die falsche Fährte zu locken. Bis einem bei den markerschütternden Twists, die eine zweite Sichtung fast obligatorisch machen, vollkommen der Boden unter den Füßen weggezogen wird.
Spannend oder vielleicht doch träge?
Zu der teilweise enormen Spannung von A Tale of Two Sisters trägt vor allem die Atmosphäre des Films bei. Die ruhige und bedächtige Kameraführung, die passend untermalende, aber nie aufdringliche Musik und vor allem das superbe Schauspiel tun dafür ihr Übriges. Nicht umsonst bekamen Yeom Jeong-a für ihre Darstellung der mysteriösen Stiefmutter und Lim Su-jeong für ihre Rolle als Su-mi, die größere der beiden Schwestern, diverse Preise verliehen. Dabei kommt der Film fast gänzlich ohne Schockeffekte aus. Richtige Jump-Scares, bei denen die Akustik voll aufgedreht wird, sucht man dankenswerterweise vergebens.
Die angesprochenen Aspekte könnte man dem Film, je nach Erwartungshaltung, natürlich auch negativ anlasten. Für manche Zuschauer mag das bedachte Tempo zu zäh sein und die ruhige Erzählung schnell in Langeweile ausarten. Für dieses Publikum kommen die Twists, die der Handlung noch eine andere Dynamik verleihen, vielleicht zu spät, als dass noch genug Interesse für den Rest des Films übrig wäre. Zudem mäandert A Tale of Two Sisters, und zwar durchaus bewusst, die ganzen 110 Minuten zwischen Drama und Grusel, wird indes aber nie zum waschechten Horrorfilm. Damit geht er etwas konträr zu modernen Sehgewohnheiten und erfordert ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit von seinem Zuschauer. Darauf muss man sich einlassen wollen, keine Frage. Aber wer dazu bereit ist, erlebt einen einzigartigen Film und eine kleine Genre-Perle aus Fernost.
Mein Fazit zu A Tale of Two Sisters
Mit diesem düsteren Märchen hat Regisseur Kim Jee-woon einen vorzüglichen Genre-Film inszeniert. Irgendwo zwischen tiefschürfendem Drama um eine zerbrochene Familie, emporkriechendem Grusel der klassischen Machart und wunderschönen Bildern findet er seine ganz eigene Nische und hallt dabei auch noch lange nach Ende des Abspanns nach.
Seit dem 15. November 2019 im Mediabook, auf Blu-ray, DVD und digital erhältlich.
Unsere Wertung:
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