Eine Ode an Ridley Scotts Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt: Ikonischer Survival-Horror im Science-Fiction-Gewand.
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Titel | Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt |
Jahr | 1979 |
Land | United States of America |
Regie | Ridley Scott |
Genres | Horror, Science Fiction |
Darsteller | Tom Skerritt, Sigourney Weaver, Veronica Cartwright, Harry Dean Stanton, John Hurt, Ian Holm, Yaphet Kotto, Bolaji Badejo, Helen Horton |
Länge | 117 Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Disney Plus Kaufen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, maxdome Store, MagentaTV, Microsoft Store, Videoload Leihen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, maxdome Store, MagentaTV, Microsoft Store, Videoload, Freenet meinVOD |
Faszination des Grauens
Was soll man zu einem Klassiker des Horrorkinos noch schreiben, was noch nicht zur Sprache kam? Dessen Vermächtnis auf eine langlebige Filmreihe inklusive Spin-Offs und zahlreicher Kurzfilme zum 40. Jubiläum angewachsen ist?
Vermutlich kaum etwas, das heute noch neue Einblicke gewähren kann. Deshalb entscheide ich mich an dieser Stelle dafür, die Besprechung zu Ridley Scotts Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt mit der historischen Bedeutung meiner persönlichen Filmbiografie zu beginnen.
Wer schon meine Review zu Fetus gelesen hat, der mag sich vielleicht noch daran erinnern, dass ich in filmischer Hinsicht lange Zeit von meinem Elternhaus beeinflusst war – sowohl hinsichtlich der Inhalte als auch der Altersfreigaben. So stand in Vaters Filmregal um die Jahrtausendwende unter anderem die Alien-Saga bis zum damals finalen vierten Teil. Das elterliche Prüfgremium beschied damals “Freigegeben ab 14 Jahren”. Und tatsächlich: Ich wollte mir die erste Sichtung nicht in angespanntem Zustand anschauen, immer in der Furcht, eventuell erwischt zu werden.
Stattdessen habe ich dutzende Male die VHS-Hüllen in die Hände genommen, die Inhaltsangabe und Bilder verschlungen – und in der frühjugendlichen Faszination entstanden so die tollsten Vorstellungen vom Alien, dem Horror, der Action und Gewalt. Über diese Naivität wird mancher nur müde lächeln, denn da lief im vergleichbaren Alter vermutlich die ultrabrutale Horroshow: Tanz der Teufel, The Thing, Ein Zombie hing am Glockenseil etc. pp.
Bedenkt man allerdings die Zeit, sollte diese Faszination, die sich nur aus Erzählungen, Inhaltsangaben oder Bildern aus Fernsehzeitschriften nährte, nachvollziehbar sein. Kein Breitbandinternet, kein YouTube, kein Netflix oder Amazon Prime Video. Keine Möglichkeit, sich mal eben schnell einen Trailer anzuschauen, die Handlung nachzulesen oder den Film auf die Schnelle zu streamen. Die einzigen mir bekannten Fakten waren die widernatürliche Geburt des Xenomorph und dessen biomechanische Erscheinung.
Das Alien in Alien
Und selbst hätte ich den Trailer gekannt – dieser ist für heutige Verhältnisse ausufernd langweilig, weil nahezu nichtssagend. Aber genau aus diesem Grund ungeheuer effektiv. Denn hier ziehen den geneigten Zuschauer nicht eine Aneinanderreihung möglichst aufgeblasener Actionsequenzen in das Geschehen, sondern ansprechendes Editing, beklemmendes Sounddesign und ein verheißungsvoller Filmtitel. Der Trailer zu Alien schafft es tatsächlich, nur anzudeuten und beinahe alle Inhalte der Fantasie des Zuschauers zu überlassen.
Tatsächlich wird selbst das Vorhandensein eines Aliens trotz selbsterklärendem Titel nicht klar belegt. Die einzigen Hinweise auf eine unbekannte Lebensform stellen eben jener Filmname und der, für den Bruchteil einer Sekunde zu sehende, aus dem Ei hüpfende Facehugger dar. Sowohl der Facehugger als auch der Xenomorph wurden vom Schweizer Künstler Hans Rudolf Giger entworfen. Kennt man andere Werke HR Gigers, überrascht das Design des Alien nicht wirklich, weiß mit seiner Symbiose aus Lebewesen und Maschine aber auch heute noch zu fesseln.
Das Wesen beeindruckt als perfekte Tötungsmaschine. Hoch ätzende Säure als Blut, ein zweites Gebiss, athletische Erscheinung und eine glatte Körperoberfläche: Das Alien ist pure Biomechanik.
Darüber hinaus vereint der Lebenszyklus eines Xenomorph Thanatos und Eros. Der Facehugger, selbst monströse Kreuzung aus menschlicher Hand und Geschlechtsteilen, pflanzt seinem Opfer durch brutalen Fellatio einen Embryo ein. Wenn sich dieses neue Leben dann sprichwörtlich Bahn bricht, werden sämtliche Glücksmomente einer natürlichen Geburt ad absurdum geführt. Regisseur Ridley Scott gefiel die Designentscheidung Gigers, so etwas Erhabenes wie Sex und Zärtlichkeit zu einem pervertierten Akt der Gewalt werden zu lassen. Sehr zum wohligen Leidwesen der Zuschauer, die im Jahre 1979 Außerordentliches zu verdauen hatten.
Die Crew in Alien
Die Besatzung des Raumfrachters Nostromo holt sich bei einer vermeintlichen Rettungsmission einen tödlichen Parasiten an Bord, der die Crewmitglieder zusehends dezimiert…
Mit an Bord befinden sich außerdem einige spätere Hollywood-Größen. John Hurt (u. a. Oxford Murders, Harry Potter und der Stein der Weisen, Der Elefantenmensch) beispielsweise darf dem vom Facehugger befallenen Kane sein Gesicht leihen. Ian “Bilbo” Holm (u. a. Der Herr der Ringe-Filme, eXistenZ, From Hell) mimt den undurchsichtigen wissenschaftlichen Offizier. Yaphet Kotto (in Running Man an der Seite von Arnold Schwarzenegger, Freddy’s Finale – Nightmare on Elm Street 6) und Harry Dean Stanton (u. a. Eine wahre Geschichte – The Straight Story, The Green Mile, Twin Peaks) spielen das einfache, aber herzliche Mechaniker-Duo. Veronica Cartwright (u. a. Der Flug des Navigators, Six Feet Under) spielt die unsichere Lambert und eine von gerade einmal zwei Frauenrollen im Film. Tom Skerritt (u. a. M.A.S.H., Top Gun, Ted) gibt den väterlichen Kommandeur des Raumschiffes
Last but not least natürlich noch Sigourny Weaver (u. a. Ghostbusters-Reihe, Avatar, Chappie, Sieben Minuten nach Mitternacht) in ihrer späteren Paraderolle als Leutnant Ellen Ripley. Weaver wird in Alien die Ehre zuteil, die erste echte (Action)Heldin Hollywoods zu spielen. Allerdings ist sie hier noch keine waffenstarrende Kampfamazone, sondern genauso verängstigt und verzweifelt wie ihre Kollegen. Ihr erster Auftritt als Ripley offenbart sich deshalb mehr als Überlebenslauf denn -kampf. Sie weint, sie flüchtet – aber vor allem handelt sie bedacht und ist dank ihres Intellekts nicht nur ihren Besatzungskameraden, sondern auch dem Xenomorph voraus. Beispielsweise ist sie es, die als Einzige die Quarantänevorschriften berücksichtigt wissen möchte.
Die Atmosphäre
Wie auch die Crew der Nostromo ist der Zuschauer im Gewirr der labyrinthartigen Gänge verloren und leichtes Opfer des außerirdischen Biests. Bei Alien ist eine paradoxe Klaustrophobie am Werk. Um sich gegen die unendlichen Weiten des Weltalls zu wappnen, pfercht man sich ein in Raumfrachter, die ihrerseits fremdgesteuert durch das schwarze Nichts gleiten. Ohne Möglichkeit zur Flucht ist man abhängig von technischer Funktionstüchtigkeit und trotz unendlicher Freiheit mit sich allein gefangen. Die berühmte Tagline zum Film kommt deshalb nicht von ungefähr:
“In space no one can hear you scream.“
Scott weiß diese Hilflosigkeit, die Angst vor dem Verlorengehen und allein sein, für sich zu nutzen. Angesichts der lebensfeindlichen Bedingungen im Weltraum sollte die Nostromo als sicherer Hafen, Wärme und Geborgenheit spenden. Doch mit dem Eindringen des außerirdischen Parasiten wird der heilige Rückzugsort der Crew zur Falle.
Das vertraute zu Hause erscheint mit einem Mal nicht sicher und behütet. Hinter jeder Ecke oder Öffnung könnte der Tod lauern. Überall zischt es, Dampf strömt aus und nimmt die Sicht. Später zehrt zusätzlich ein ständiger Alarmton am Nervenkostüm des Zuschauers und der Besatzung. Der tödliche Gast nähert sich stets aus dem Hinterhalt, nutzt die Schwächen seiner Opfer aus und massakriert sie erbarmungslos.
Sein unvorhersehbares Auftauchen, die stillen, hochpräzisen Bewegungen und ein Handeln frei von jeglicher einschränkenden Emotionalität lassen die Begeisterung des Wayland-Yutani-Konzerns nachvollziehbar erscheinen, den Organismus als biologische Waffe einzusetzen.
Interessant auch, wie Alien Fantheorien und Mysterien lange vor Foren oder sozialen Netzwerken angefeuert hat. Was hat es mit dem sogenannten Space Jockey auf sich? Die Chitin überzogenen Wände? Der außerirdische Organismus insgesamt? Der zum 25. Jubiläum präsentierte Director’s Cut sorgt teils für tiefere Einblicke und offenbart den Verbleib von Skerritts Charakter.
Für wen interessant?
Natürlich für alle jene, die den Nervenkitzel in den endlosen Weiten des Alls suchen – ganz egal, ob mit Alien aufgewachsen oder Millennial. Ridley Scotts Nägelkauer ist schlichtweg zeitlos. Angesichts heutiger Sehgewohnheiten mag er langatmig erscheinen, er nutzt die Zeit bis zum großen Twist aber andächtig, um seine unterschiedlichen Charaktere einzuführen und deren Beziehungen untereinander zu etablieren.
Mit dem Xenomorph hat HR Giger ein Wesen erschaffen, welches auch noch nach 40 Jahren ungeheuer faszinierend und grauenerregend zugleich ist. Sicherlich fallen einige Bewegungen des kostümierten Alien-Darstellers (Bolaji Badejo) etwas steif aus, aber in der Gesamtheit überzeugt Alien mit fürchterlich fesselndem Artdesign, einer erfrischenden Figurenkonstellation, bei der über lange Zeit gar nicht klar ist, wer sich als Held entpuppen wird, und nicht zu vergessen Jerry Goldsmiths ikonischer Main Title, der sich verträumt und düster zugleich gibt.
Zu guter Letzt sorgt Weavers im beängstigend stillen Epilog für eine gehörige Portion Sexappeal. Wenn ihre Ripley, nur mit knapper Unterwäsche bekleidet, bedacht durch die Rettungskapsel tastet, ist das einerseits beklemmend wie sexy und unterstreicht dabei noch einmal zusätzlich ihre Verletzlichkeit. Neben dieser haben einige weitere Szenen Filmgeschichte geschrieben: Das Ei mitsamt Facehugger. Die explosive Geburt des Aliens und die (ungespielten) erschrockenen Reaktionen der Darsteller. Besagte knapp bekleidete Ripley. Der Space Jockey.
Für wen also interessant? Vor allem für alle, die Kinogeschichte nachholen wollen – und alle wiederkehrenden Nostromo-Reisende. Und vor allem für: Mich. Meine Erwartungen als 14-jähriger wurden übertroffen und jede erneute Sichtung fühlt sich gleichermaßen wie Heimkehr und unerwartete Reise an.
Unsere Wertung:
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