Jean-Pierre Jeunet beendet die klassische Alien-Quadrilogie mit Alien – Die Wiedergeburt, einem Bonbon voll knalliger Effekte und grotesker Mutationen.
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Titel | Alien - Die Wiedergeburt |
Jahr | 1997 |
Land | United States of America |
Regie | Jean-Pierre Jeunet |
Genres | Science Fiction, Horror, Action |
Darsteller | Sigourney Weaver, Winona Ryder, Dominique Pinon, Ron Perlman, Gary Dourdan, Michael Wincott, Kim Flowers, Dan Hedaya, J.E. Freeman, Brad Dourif, Raymond Cruz, Leland Orser, Carolyn Campbell, Marlene Bush, David St. James, Rodney Mitchell, Robert Faltisco, David Rowe, Garrett House, Rod Damer, Mark Mansfield, Daniel Raymont, Cris D'Annunzio, Steven Gilborn, Robert Bastens, Rico Bueno, Alex Lorre, Ronald Ramessar, Nicole Fellows, Tom Woodruff Jr., Joan La Barbara, Archie Hahn, Eddie Yansick, Nito Larioza, David Prior, Nicholas Talone, Brad Martin, Wanda De Jesus, Alec Gillis |
Länge | 109 Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Disney Plus Kaufen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, maxdome Store, MagentaTV, Microsoft Store, Videoload Leihen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, maxdome Store, MagentaTV, Microsoft Store, Videoload, Freenet meinVOD |
Jean-Pierre Jeunet weist eine abwechslungsreiche Filmografie auf. Er wandelt gekonnt zwischen grotesker Gesellschaftssatire (Delicatessen), romantischem Feel-good-Movie (Die fabelhafte Welt der Amélie) oder düsterem Fantasy-Drama (Die Stadt der verlorenen Kinder). Jeunet begeistert in seinen Werken immer wieder mit verschrobenen und skurillen, aber liebenswerten Charakteren. Auch eine fantasievolle und liebevolle Gestaltung findet sich eigentlich ausnahmslos in seinen Filmen wieder.
So mag es im ersten Moment irritierend erscheinen, dass für Alien – Die Wiedergeburt ein Regisseur verpflichtet wurde, der sich oftmals mit seiner knalligen und bunten Inszenierung auszeichnet. Bisher stellte die Alien-Reihe schließlich düsteren Creature Horror im Science Fiction-Gewand dar.
Alien – Die Wiedergeburt
Der Untertitel des vierten Films im Alien-Franchise kommt nicht von ungefähr: Ripley, vor 200 Jahren zum Wohle der Menschheit heroisch auf Fiorina verstorben, wird von der United Systems Military geklont. An Bord eines gigantischen Raumkreuzers wird so die heranwachsende Alien-Königin aus Ripley gewonnen. Mit Hilfe einer Söldnertruppe werden Zivilisten auf den Kreuzer geschleust – das Militär erhofft sich so, Aliens züchten zu können. Doch es kommt, wie es kommen muss: Die Aliens können sich befreien. Söldner und Besatzung kämpfen nunmehr um ihr Überleben. In all diesem Chaos steckt die geklonte Ripley und hadert mit ihrer neuen Identität…Kampf für die Menschen oder Mutterinstinkte für die Xenomorphen?
Das Skript von Alien – Die Wiedergeburt hat keine vergleichbare dramatische Reise hinter sich wie Alien³, ist jedoch auch nicht ohne Weiteres freigegeben worden. Anbetracht der Grundprämisse – aus Ripleys Genen wird geklont – stellt sich aber dennoch die Frage, wie die ganze Handlung überhaupt ins Rollen gebracht werden sollte. Denn Ripley stürzt sich im Vorgänger schließlich in einen gigantischen Schmelzofen. Das nach einem solchen Abgang überhaupt noch klonbares Material übrig sein soll, ist fraglich. Aber sei es drum, die Alien-Filme sind nun einmal Science-Fiction.
Die Alien-DNA
Obwohl sich der allgemeine Handlungsablauf jedes Alien-Films ähnelt (eine Schar Menschen wird von einem oder mehreren Xenomorphen gejagt), ist es den verschiedenen Regisseuren zu verdanken, dass jedes Werk einen individuellen Anstrich erhält.
Ridley Scott hat mit Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt einen subtilen Nägelkauer geschaffen, der mit klaustrophobischer Atmosphäre, einem nahezu unsichtbaren Gegenspieler und einer toughen, aber verletzlichen Heldin aufwartet . James Cameron nahm sich dieses Grundgerüsts an und brachte mit Aliens – Die Rückkehr einen Actionthriller im Science-Fiction-Gewand hervor. Dort überwog die Action, dennoch wurde auch hier die Spannungsschraube auf Anschlag gedreht. David Fincher hingegen näherte sich mit seinem Alien³ wieder mehr dem Erstling an. Dort überwog wieder die Düsternis und Isolation, wenngleich sich der Film schon als deutlich drastischer und zeigefreudiger in Sachen Gewalt präsentierte, als man es sonst von der Reihe gewohnt war.
Man durfte also gespannt sein, welchen Fußabdruck der Franzose Jeunet dem Kanon des Alien-Universums hinzuzufügen vermochte.
So verschrien der dritte Teil lange Zeit war (oder vielleicht auch noch heute ist?), ist dieser doch noch deutlicher Kind seiner Vorgänger. Alien – Die Wiedergeburt hingegen betritt hinsichtlich der vorhergehenden Filme teils tief verschlungene und wenig ausgetretene Pfade. Er nimmt das vorhandene genetische Material seiner filmischen Vorfahren und treibt die Evolution durch Mutation voran. Ob diese Mutation förderlich war, mag jeder Zuschauer für sich entscheiden. Evolutionsbiologisch gesprochen, findet der vierte Teil der Saga jedoch eine Nische und besetzt sie erfolgreich.
Alien goes gore
Dem Zuschauer kann Jeunets Beitrag zu den Alien-Filmen durchaus wie ein Kulturschock vorkommen. Wo sich die Vorgänger in ihrer Quintessenz doch immer wieder auf Spannung besannen, pfeift Jeunet auf Subtilität oder Suspense. Hier wird nicht geklotzt, sondern gekleckert. Es wird eine bunte und fetzige Geisterbahnfahrt präsentiert. Und tatsächlich: In meiner Jugend hat mir dieser deutlich offensivere Ansatz sehr zugesagt. Die Aliens wurden schrill und laut, bunt und effektheischend.
Alien – Die Wiedergeburt wird unter Jean-Pierre Jeunets Regie zur Groteske aufgebohrt. Wo die Tode in den vorherigen Teilen der Reihe oftmals eine dramatische Note innehatten, zieht Teil 4 das Ableben teilweise schon ins übersteigert Komödiantische. Vor allem, wenn General Perez (Dan Hedaya: Die üblichen Verdächtigen, Blood Simple, Mulholland Drive) der Hinterkopf vom ausfahrbaren Kiefer eines Aliens perforiert wird, kippt die Szenerie ins Slapstickhafte. Der General kann noch ein Stück Hirn hervorpuhlen, dies verdutzt betrachten und mit sich verdrehenden Augen schlussendlich umkippen. Das schamlose Frönen in all dem Schleim und Blut bereitet aber diebischen Spaß, da es einfach unverschämt gut aussieht. Die Aliens sehen so schön schillernd-schleimig aus, wie nie zuvor, und lässt man die ausfahrbaren Mäuler erst ihr hungrig-blutiges Treiben verrichten, werden gleich ganze Trupps von Wissenschaftlern und Soldaten zerlegt.
Im späteren Verlauf werden dann auch gerne Gesichter verätzt, Schädel zermatscht oder derer gleich zwei von einem Chestburster zerfetzt. Unvergessen wird wohl der Abgang des Xenomorph-Mensch-Hybriden sein. Wo sonst werden dem geneigten Zuschauer die Folgen eines ungesunden Druckgefälles in einem Raumgleiter so herzzerreißend demonstriert wie hier?
Die Flugbegleiter
Auch heute gefällt Alien – Die Wiedergeburt noch ausgesprochen gut – man muss sich aber bewusst sein, einen völlig anderen, einen entfesselten Film der Reihe serviert zu bekommen. Der Genuss des Films ist stark abhängig von der Bereitschaft des Publikums sich von etablierten Figuren und deren Entwicklung zu lösen. Tatsächlich muss man sogar so weit gehen und attestieren, dass die Figur Ripley völlig umgekehrt wird. Sie ist nicht mehr die emotionale, sorgende und im richtigen Moment harte Frau, sondern eine seltsam entrückte Figur geworden. Statt auf irgendeine Weise vom Geschehen beeindruckt zu sein, wirkt sie distanziert und unnahbar. Stellenweise wirkt sie ebenso zynisch wie desinteressiert.
Völlig konträr verläuft hingegen die Sequenz im Versuchslabor, wo Ripley und ihre Mitstreiter auf die Überreste der missglückten Klonversuche stoßen. Dort wird die bis dahin eiskalte Heldin plötzlich sentimental und melancholisch. Die Trauer und der Schock werden in dieser Szene problemlos fühlbar. Nur wird dieser emotionale Höhepunkt von der einen auf die andere Sekunde weggebrannt und fühlt sich letzten Endes wie ein Fremdkörper im sonst so locker leichtfüßigen Effektreigen an.
Ripleys Begleiter erhalten ebenso wenig Substanz, hin und wieder blitzen aber ganz nette Interaktionen zwischen den Figuren durch. Highlights sind klar Dominique Pinon (Delicatessen, Die fabelhafte Welt der Amélie) und Ron Perlman (Hellboy, Drive), die mit ihren Frotzeleien zu unterhalten wissen. Allein: Dieser Humor ist für einen Alien-Film ungewohnt, für manchen sogar unpassend. Sonst dient der Cast mehr als Staffage und zur Erhöhung des Bodycounts.
Ambivalent präsentiert sich die zweite Hauptfigur. Winona Ryder (Stranger Things, Durchgeknallt, Edward mit den Scherenhänden) mimt die Androidin Call. Was Ripley an ungewohntem Zynismus ausstrahlt, macht Call mit ihrer steten Weinerlichkeit wieder wett. Die Identifikation mit den beiden Hauptcharakteren wird so erschwert, da sie scheinbar durchweg in extremen Gefühlslagen verharren.
Special Edition
Wie auch schon bei den Vorgängern erschien von Alien – Die Wiedergeburt eine Special Edition. Diese zeichnet sich in erster Linie durch zusätzliche Charakterszenen aus. Diese können jedoch als verzichtbar deklariert werden, da die Figuren deswegen auch nicht spannender gestaltet sind. Erwähnenswert ist hier die Schlusssequenz, die Call und Ripley auf der Erde, genauer im zerstörten Paris zeigt. Die Kinofassung ist übrigens die von Jean-Pierre Jeunet favorisierte Schnittfassung des Films. Der Eindruck kommt nicht von ungefähr, ist diese doch etwas kompakter und hat vor allem die deutlich stimmigeren Credits zu Beginn des Film zu bieten.
Das Ende einer Science-Fiction-Ära
Mit Alien – Die Wiedergeburt wurde Ripley zu neuem Leben verholfen, doch die originale Quadrilogie endet mit diesem Ableger. Heute weiß man, dass Ridley Scott die Reihe fortführt (Prometheus, Alien: Covenant, Alien: Awakening), was auf große Hoffnung, schlussendlich aber eher auf Skepsis und Kritik der Fans stieß. Die neuzeitlichen Fortsetzungen schmälern aber bei aller Kritik natürlich nicht die Klasse der ursprünglichen Reihe. Denn gerade dies zeichnet sich durch ihre Vielseitigkeit aus.
Teil eins liefert Terrorkino deluxe, Teil zwei hingegen setzt auf große Actionmomente, vergisst aber auch die Spannung nicht. Im dritten Teil wird eine Tragödie ersonnen, bei der die depressive Grundstimmung ständiger Begleiter ist. Und Jeunets Abschlussfilm, wechselt erneut die Marschrichtung hin zur überzogenen Groteske, die sich lachend im Schleim und Gekröse suhlt. im Endeffekt ist keiner dieser vier Filme schlecht, nur legt jeder Film einen anderen Fokus. Die Rezeption durch den Zuschauer erfordert eine gewisse Offenheit gegenüber den ständig neuen Ansätzen. Wem dies gelingt, sollte von allen Filmen gut bis sehr gut unterhalten werden.
Mein persönliches Ranking nach dieser Review-Reihe lautet zusammengefasst folgendermaßen:
Alien³ > Alien > Aliens > Alien – Die Wiedergeburt
Unsere Wertung:
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