Nach neun Jahren beschert uns Pixar mit Alles steht Kopf 2 ein Sequel zu seinem innovativen Meisterwerk Alles steht Kopf. Freude, Kummer, Angst, Ekel oder Wut? Wir verraten euch, was der neue Pixar in uns ausgelöst hat.
Titel | Alles steht Kopf 2 |
Jahr | 2024 |
Land | United States of America |
Regie | Kelsey Mann |
Genres | Animation, Abenteuer, Komödie, Drama, Familie |
Darsteller | Amy Poehler, Maya Hawke, Kensington Tallman, Liza Lapira, Tony Hale, Lewis Black, Phyllis Smith, Ayo Edebiri, Lilimar, Grace Lu, Sumayyah Nuriddin-Green, Adèle Exarchopoulos, Diane Lane, Kyle MacLachlan, Paul Walter Hauser, Yvette Nicole Brown, Ron Funches, James Austin Johnson, Yong Yea, Steve Purcell, Dave Goelz, Kirk R. Thatcher, Frank Oz, Paula Pell, June Squibb, Pete Docter, Paula Poundstone, John Ratzenberger, Sarayu Blue, Flea, Bobby Moynihan, Kendall Coyne Schofield |
Länge | 97 Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Disney Plus Kaufen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, maxdome Store, MagentaTV, Microsoft Store, Videoload Leihen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, maxdome Store, MagentaTV, Microsoft Store, Videoload, Freenet meinVOD |
Die Handlung von Alles steht Kopf 2
Riley, auch mit 13 noch begeisterte Hockey-Spielerin und inzwischen in ihrer neuen Heimat San Francisco angekommen, stellt fest, dass das Teenageralter einige komplizierte Gefühle und Identitätsfragen mit sich bringt. Neue Emotionen werden in ihrem Kopf im Kontrollzentrum aktiv, erzeugen Chaos und animieren Riley zu Handlungen, die zum Teil weder ihre Freunde noch ihre Eltern verstehen. Anders gesagt: Willkommen in der Pubertät!
Pixar-Episode 28: Eine neue Hoffnung?
2023, ausgerechnet im Jahr des feierlichen 100. Geburtstags, stand bei Disney tatsächlich alles Kopf. Es war eine desaströse Zeit für das Image und die Finanzen des “House of Mouse”. Daran waren nicht ausschließlich die Filme schuld, sie standen aber doch im Zentrum der Aufmerksamkeit. Wish, Indie 5, The Marvels …: Nichts zündete bei der Kritik, beim Publikum oder an den Kinokassen.
Etwas besser lief es immerhin für Elemental, Pixars letztjährigen Beitrag zu Disneys Filmografie. Das Werk wurde wohlwollender aufgenommen als davor Lightyear und endete besonders im US-Kino und auf Disney+ als überraschend großer Publikumserfolg. Pixars Mission mit seinem 28. Werk Alles steht Kopf 2 scheint folglich klar: diese positive Kurskorrektur fortzusetzen.
Die Vorzeichen könnten schlechter sein. Regie-Debütant Kelsey Mann (Party Central) liefert uns mit Alles steht Kopf 2 das Sequel zu einem der weltweit erfolgreichsten und populärsten Pixar-Originale – ein wirtschaftliches Kalkül, das bislang nahezu immer für Disney aufging. Doch ist der Film unser Geld an den Kinokassen wert? Knüpft er adäquat an den ersten Teil von 2015 an und bietet endlich wieder “echte Pixar-Qualität”?
Welche Emotionen weckt Alles steht Kopf 2?
Bereits zu Beginn des Films haben wir aufgeatmet. Genauer gesagt haben wir erst einmal viel gelacht. Über viele witzige Momente, die wirklich zünden, ob Meta-Jokes, Wortspielereien oder kinderfreundlicher Slapstick.
Der Humor funktioniert, weil die Chemie stimmt. Das gilt besonders für die altbekannten Figuren Kummer (Philine Peters-Arnolds), Freude (Nana Spier), Wut (Hans-Joachim Heist), Angst (Olaf Schubert) und Ekel (Tanya Kahana). Sofort fühlen wir uns bei ihnen wieder wie zuhause, fiebern mit und begegnen mit amüsiertem Staunen den neuen Emotionen: Zweifel (Derya Flechtner), Neid, Ennui und Peinlich. Sie können auf ihre Weise mitreißen: Während Peinlich zusammen mit Kummer für entzückend niedliche Momente sorgt, fasziniert Zweifel als engergie(drink)geladenes Alter Ego von Freude.
Was all diese personifizierten Emotionen zwischen “Überzeugungssystem”, Kontrollzentrum und Langzeitgedächtnis erleben, begeistert einmal mehr mit Rasanz, Action und Einfallsreichtum. Die Reise durch die gewohnt fantasievoll und quietschbunt gestalteten Bezirke in Rileys Kopf – diesmal etwa auf einem wortwörtlichen Bewusstseinsstrom schwimmend oder von einem “Brainstorm” davongerissen – wird Kinder in seliges Staunen versetzen und Erwachsene zusätzlich auf anderen Ebenen unterhalten.
Und die für gute Pixar-Filme typischen bewegenden Szenen? Ja, die gibt es auch. Eine davon erleben wir, wenn Freude in einem unerwartet düsteren Moment die Frage in den Raum stellt, ob sie im Leben von Erwachsenen womöglich keinen Platz mehr hat. Das trifft zielsicher – zumindest den älteren Teil des Publikums –, und bleibt nicht der einzige emotionale Augenblick des Films.
Wir können also festhalten: Wie sein Vorgänger erzählt Alles steht Kopf 2 nicht einfach nur von Emotionen, sondern löst diese auch erfolgreich aus.
A wholesome Plot (with some Holes)
Noch etwas teilt der Film mit seinem Vorgänger: die Plot-Konstruktion. Das Gefühlspersonal der Kontrollzentrale wird wieder einmal getrennt, wodurch die eine Hälfte die Untiefen von Rileys Kopf durchquert, während die andere in der Zentrale zurückbleibt und dort ihr Unwesen treibt. Hierbei sind beide Erzählstränge wie gehabt mit den Ereignissen in Rileys Außenwelt verbunden. Rileys Erlebnisse folgen dabei einem betont simplen Prinzip: Freundschaft, Entzweiung, Versöhnung – das absolut vorhersehbare Dramedy-Einmaleins. Diese Einfachheit kommt dem Storytelling allerdings zugute, da die Erzählung sich statt aufs Was aufs Wie konzentrieren kann: die Beziehungen zwischen den Figuren und die fantasiereiche Ausgestaltung von Rileys Innenwelt.
So weit, so gut. Nur leider ist gerade der Plot in dieser Innenwelt aus unserer Sicht nicht richtig rund. Einerseits hat sich Pixar hier um eine übergeordnete Klarheit und Linearität der Handlung bemüht, was der Verständlichkeit zugute kommt. Andererseits wiegt daher umso schwerer, dass auf der Reise zum McGuffin und zurück längst nicht alle Erzählstationen nachvollziehbar miteinander verbunden sind. Speziell einige Übergänge im vorletzten Akt sprengen zum Teil (buchstäblich!) die Grenzen jeder Logik. Dass das auf den ersten Blick kaum auffällt, liegt an einem alten Trick: Die hyperaktive Action lässt uns als Zuschauer:innen kaum Gelegenheit, über Plot Holes und Unstimmigkeiten überhaupt nachzudenken. Das mag ein fragwürdiges Mittel sein, sorgt aber erfolgreich dafür, dass unterm Strich dann doch der Spaß überwiegt, den man an der Erzählung um dieses bunte Gefühlschaos hat.
Gelungene Darstellung der Pubertät?
Apropos Gefühlschaos: Pubertät in einem Kinderfilm? War da nicht was mit erwachender Sexualität? Im Vorfeld scherzte das Internet darüber, wie Pixar das wohl handhaben würde. Das Ergebnis wirkt nicht wie eine verkrampfte Vermeidungsstrategie, sondern durchaus stimmig.
Riley ist mit 13 noch sehr jung und ihre Pubertät hat gerade erst eingesetzt. Da steht – auch wenn sie durchaus den ein oder anderen Schwarm hat – noch ganz anderes als Sex oder das erste Date im Vordergrund. Dadurch bleibt Riley ausreichend Raum für Ziele und Interessen, die sich nicht dem althergebrachten weiblichen Rollenbild entsprechend in der Suche nach dem “Traummann” erschöpfen. Ihr geht es vor allem um Identität und Freundschaft. Die Pubertät begegnet uns so als eine Zeit, in der eine Person ihren Charakter weiter ausdefiniert und ihren Platz im sozialen Gefüge sucht.
Riley wird hierbei angenehm authentisch dargestellt. Eher unscheinbar und schlacksig, auch mal unsicher oder unbeholfen. Eben wie eine normale Teenagerin, in der sich jüngere Zuschauer:innen leicht wiederfinden können. Ähnlich wirklichkeitsnah sind die Situationen, in die sie gerät. Damit liefert der Film ein authentisches Bild der Pubertät und nimmt das breite Spektrum der damit verbundenen Themen und Emotionen weit über das Naheliegendste hinaus angemessen ernst – eine willkommene Abwechslung!
Wie “Pixar” ist dieser neue Pixar?
Es gibt diese ungeschriebenen Pixar-Gesetze, diese Liste an Vorzügen, auf die man bis heute bei jedem neuen Pixar-Film hofft. Löst Alles steht Kopf 2 endlich einmal wieder die großen Versprechen ein, die frühe Meisterwerke wie Toy Story 2, Wall-E oder Die Unglaublichen etablieren konnten?
Machen wir doch den Check:
- Funktionieren Humor und Emotionen? Definitiv!
- Spricht der Film sowohl Erwachsene als auch Kinder an? Absolut. Er funktioniert auf mehreren Ebenen und damit für praktisch jedes Alter.
- Setzt die Animation neue Maßstäbe? Sie ist fraglos hochwertig, knüpft nahtlos an den ersten Teil an und spielt zumindest einmal mit experimentelleren Stilen… wir haben von Pixar aber schon weit Innovativeres gesehen.
- Zündet das Storytelling? An sich ja, aufgrund der kleineren Plot-Schwächen werden die Höhen von Meisterwerken wie Die Unglaublichen oder Die Monster AG jedoch nicht erreicht.
- Ist der Film clever? Durchaus. Ein kluger Kniff ist etwa, das Hockeyspiel als Metapher für Teamwork zu nutzen. Mühelos wird so die Botschaft transportiert, dass alle Emotionen bzw. Mitglieder der Gruppe ihre Berechtigung haben und es auf das richtige Zusammen-Spiel ankommt.
- Hat der Film eine kinderfreundliche, positive Botschaft? Einmal mehr: ja. Teamgeist, Freundschaft, ein guter Mensch sein – das sind die hier vermittelten Werte eines funktionierenden moralischen Kompasses, der einen sicher durch die Pubertät (und darüber hinaus) geleiten kann.
- Ist der Film voller Easter Eggs? Mit Sicherheit – Hinweise zu “A113” und zum Pizza-Planet-Truck nehmen wir gern entgegen!
Unser Fazit: Alles steht … auf solidem Boden
Alles steht Kopf 2 verbucht zweifellos eine Menge auf der Haben-Seite. Er ist ein grundsolider Film für die ganze Familie, bunt und kurzweilig, mitreißend inszeniert und überaus unterhaltsam. Haben wir es also mit einem neuen ”Meisterwerk” des Studios zu tun? Ganz so weit würden wir nicht gehen. Der Vergleich mit der goldenen Pixar-Ära oder der Innovations- und Imaginationskraft mancher kürzlich erschienenen Animationsfilme wie Across the Spiderverse macht deutlich: Alles steht Kopf 2 ist in vielen Kategorien top, aber in keiner bahnbrechend. Nichtsdestotrotz: Das Pixar-Qualitätsversprechen löst der Film weitestgehend ein und ist damit ein würdiges Sequel, das schlichtweg eine Menge Vergnügen bereitet.
Alles steht Kopf 2 läuft seit 12. Juni 2024 im Kino.
Unsere Wertung:
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