In ihrem Erstlingswerk Amulet – Es wird dich finden besticht Schauspielerin Romola Garais mit symbolisch aufgeladener Bildsprache und tiefgründiger Botschaft. Lohnt sich das?
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Titel | Amulet |
Jahr | 2020 |
Land | United Kingdom |
Regie | Romola Garai |
Genres | Horror |
Darsteller | Carla Juri, Alec Secăreanu, Imelda Staunton, Αγγελική Παπούλια, Anah Ruddin, Paul O'Kelly, Elowen Harris, Jacqueline Roberts, Louis Jay Jordan, Perry Jaques, Yonah Odoom, Joey Akubeze, Amanda Quach, Tom Bennett, Charlotte Chiew |
Länge | 99 Minuten |
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Darum geht’s in Amulet – Es wird dich finden
Der Ex-Soldat Tomaz (Alec Secareanu) lebt zu Beginn von Amulet – Es wird dich finden als traumatisierter Kriegsflüchtling in einem heruntergekommenen und überfüllten Elendsquartier einer Stadt, die eigentlich nur aufgrund der gelegentlich vorbeifahrenden Doppeldeckerbusse als London identifiziert werden kann. Er verdingt sich als Tagelöhner auf Baustellen, während er in freien Minuten weiter an seiner Philosophie-Dissertation arbeitet.
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Ein Feuer zerstört die Unterkunft. Im Krankenhaus nimmt sich die Nonne Schwester Claire (Imelda Staunton) seiner an. Sie bringt ihn in dem ebenfalls ziemlich heruntergekommenen Haus von Magda (Carla Juri) unter. Gegen Hilfe bei der Instandhaltung des Gebäudes darf er dort wohnen. Magda mag kaum das Haus verlassen, da sie sich um ihre todkranke Mutter kümmern muss, die sich offenbar im Dachgeschoss verborgen hält. Nicht alles scheint mit rechten Dingen zuzugehen. Und dann gibt es da noch das geheimnisvolle Amulett, das Tomaz im Wald ausgegraben hat. Es zeigt eine weibliche Gestalt mit Muschelkragen.
Frauen im Horror-Genre
Es gibt nicht viele Frauen, die als Regisseurinnen im Horror-Genre Fuß fassen. Frühe Vertreterinnen wie Rachel Talalay (Freddy’s Finale – Nightmare on Elm Street 6) oder Mary Lambert (Friedhof der Kuscheltiere) schufen zwar durchaus beachtenswerte Genrevertreter, blieben in ihren ästhetischen Möglichkeiten aber doch den von männlichen Regisseuren ausgetretenen Pfaden treu. Doch in jüngerer Zeit schaffen es immer mehr Regisseurinnen wie etwa Karyn Kusuma mit Jennifer’s Body oder Jennifer Kent mit Der Babadook, dem Horrofilm mit einer weiblicheren Perspektive frischen Wind einzuhauchen. Die Schauspielerin Romola Garai (Abbitte) kann sich mit ihrem Regiedebüt Amulet – Es wird dich finden da nahtlos einreihen.
Der Film beginnt äußerst ruhig und wortkarg. Das skurrile Bild einer Schranke mit einem Wärterhäuschen mitten auf einem einsamen Waldweg wirkt so absonderlich, wie der Krieg, der dort irgendwo toben soll, absurd erscheint. Tomaz hat sich hierher versetzen lassen, um dem eigentlichen Kriegsgeschehen nicht ausgesetzt zu sein. Es holt ihn in Form einer panisch auf seinen Grenzkontrollposten zu rennenden Frau ein.
Die Szenen in der trügerischen Idylle des Waldes sind Flashbacks, Erinnerungsbilder, die Tomaz im Schlaf heimsuchen. So merkt man schnell, dass er traumatisiert ist. Doch welches Ereignis das Trauma ausgelöst hat, bleibt in Amulet – Es wird dich finden im Dunklen. Das fesselt. Wieso, weshalb, warum? Fragen, die eben nicht nur in der Sesamstraße ihren Zweck erfüllen.
Zwei Gefangene, unterschiedliche Sehnsüchte
Während Tomaz ein Gefangener seiner Erinnerungen ist, ist Magda eben Gefangene des Hauses. Keine Frage, dass sich dabei beide näher kommen. Doch sind ihre Wünsche verschieden. „Ruhe, Frieden, hausgemachtes Essen – was könnte ein Junggeselle mehr wollen?“ fragt Tomaz. Doch Magdas Sehnsüchte gehen tiefer. „Was ist Liebe?“ fragt sie und gibt die Antwort: „Aufopferung!“ Und was ist Romantik? „Ein Anerbieten.“
Wage zu verkünden, wer du bist
Auch wenn der deutsche Zusatztitel von Amulet – Es wird dich finden ein anderes suchendes Subjekt vermuten lässt, geht es doch um die Suche nach sich selbst. „Wage zu verkünden, wer du bist“, lautet die erste Zeile eines Gedichts, in dem diese zentrale Botschaft deutlich wird. Und es geht philosophisch weiter: „Es ist nicht weit vom Ufer des Schweigens zu den Klippen des Sprechens. Der Pfad ist nicht lang, aber der Weg ist tief. Es reicht nicht, hinzuspazieren. Nein, Du musst springen!“
Bis Tomaz in Amulet – Es wird dich finden aber springt beziehungsweise der Film richtig in Gang kommt, dauert es. Erst im letzten Drittel dreht Romola Garai richtig auf und die Handlung explodiert in symbolisch aufgeladenen und bizarren Bildern, die einem Horrorfilm gut zu Gesicht stehen.
Muscheln als Symbole des Bösen
Zuvor aber besticht der Film mit einer ungemein dichten Bildsprache, die sich auf Details konzentriert, und so zusammen mit dem ausgeklügelten Sounddesign eine unheilvolle Atmosphäre schafft. Bilder der abblätternden Tapete, von Flecken, die sich an Decken und Wänden ausbreiten. Und immer wieder Muscheln als Warnung vor dem Bösen. Muscheln, die auch auf dem Amulett zu sehen sind, das Tomaz im Wald ausgegraben hatte.
Und es sind kleine Momente, die Unheilvolles ankündigen. Wenn etwa Schwester Claire ein Bündel Geldscheine in der Gosse entsorgt. Dass Tomaz als einsamer Soldat im Wald ausgerechnet Hannah Arendt liest, dürfte ein weiterer kleiner Fingerzeig auf die subtile Botschaft vom Amulet – Es wird dich finden sein. Schließlich prägte die Philosophin in ihrem Bericht über den Prozess gegen den Nazi-Schergen Adolf Eichmann den Begriff von der Banalität des Bösen.
Horror mit feministischer Botschaft
Man mag einwenden, dass bei dieser Konzentration auf Details und Atmosphäre die Charakterzeichnungen zu kurz kommen. Und auch der finale Twist von Amulet – Es wird dich finden ist wenig subtil. Effektiv ist er dennoch. Das Ende überzeugt mit starker feministischer Botschaft. Und beweist so, dass Frauen als Regisseurinnen im Horror-Genre längst überfällig sind.
Hinzu kommen die durchweg guten darstellerischen Leistungen des international mit einem Rumänen (Secareanu), einer Schweizerin (Juri) und einer Britin interessant besetzten Casts. Wobei vor allem die nicht zuletzt durch die Harry Potter-Filme auch einem jüngeren Publikum bekannt gewordene Imelda Staunton zeigt, dass sie zu den ganz großen britischen Darstellerinnen zählt. Insbesondere in der Originalfassung besticht sie mit ihrer theatergeschulten Intonation. Und Carla Juri bewies sich auch erfolgreich in deutschen Filmen wie Feuchtgebiete, Finsterworld oder Als Hitler das rosa Kaninchen stahl.
Mein Fazit zu Amulet – Es wird dich finden
Amulet – Es wird dich finden ist ein starkes Horror-Debüt einer engagierten Regisseurin. Schwächen in der Charakterzeichnung gleicht Romola Garai durch dichte Bildsprache und Detailbesessenheit mehr als aus. Sicher kein Film für eingefleischte Splatterfans, sondern eine durchdachte, vielschichtige und symbolisch aufgeladene Fabel über Leben, Liebe und Vergänglichkeit.
Amulet – Es wird dich finden erschien am 23. Oktober 2020 als DVD und Blu-ray. Digital ist der Film bereits seit dem 15. Oktober erhältlich.
Unsere Wertung:
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