Alex Garland löste mit seinem Regiedebüt Ex Machina im Jahr 2015 sowohl bei Kritikern als auch beim Publikum Begeisterungsstürme aus. Vor allem Science-Fiction-Fans dürften daher besonders gespannt auf sein neustes Werk Auslöschung sein. Während US-Kinogänger den Film seit einigen Wochen auf der großen Leinwand genießen dürfen, haben Unstimmigkeiten zwischen den beteiligten Produktionsfirmen dafür gesorgt, dass die internationalen Distributionsrechte an Netflix verkauft wurden – seit dem 12. März ist er hierzulande nun auf der Streamingplattform abrufbar.
Titel | Auslöschung |
Jahr | 2018 |
Land | United Kingdom |
Regie | Alex Garland |
Genres | Science Fiction, Horror |
Darsteller | Natalie Portman, Jennifer Jason Leigh, Gina Rodriguez, Tessa Thompson, Tuva Novotny, Oscar Isaac, Benedict Wong, Sonoya Mizuno, David Gyasi, John Schwab, Sammy Hayman, Josh Danford, Kristen McGarrity, Kumud Pant, Honey Holmes, Hiten Patel, Kola Bokinni, Cosmo Jarvis, Matthew Simpson |
Länge | 110 Minuten |
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Weshalb eigentlich nur auf Netflix?
Schon seit einigen Monaten war Alex Garlands mit Spannung erwarteter Science-Fiction-Film Auslöschung wiederholt Inhalt von News und Gerüchten sowohl negativer als auch positiver Natur. Zunächst hieß es, der Film sei bei ersten Testscreenings durchgefallen. Daraufhin kam es zu einem Konflikt zwischen den beteiligten Produktionsfirmen. David Ellison von Skydance Media setzte sich für massive Änderungen vor der Veröffentlichung ein. Am Ende blieb der Film jedoch so, wie Alex Garland ihn vorgesehen hat – und die Kritiker überschlugen sich nach den ersten Pressevorführungen geradezu vor Lob (wir berichteten).
Während US-Kinogänger Annihilation – so der englische Originaltitel – seit dem 22. Februar auf großer Leinwand genießen dürfen, hat es der Film außerhalb der Vereinigten Staaten nicht in die Lichtspielhäuser geschafft. Paramount Pictures ging auf Nummer sicher und verkaufte die internationalen Distributionsrechte an den Streamingdienst Netflix. Es ist ein zweischneidiges Schwert: Auf der einen Seite ist es überaus schade, dass wir den Film nicht im Kino sehen dürfen. Auf der anderen Seite ist es wiederum ein Preis, den wir bereit sein müssen, zu bezahlen. Denn dafür können wir Auslöschung genau so sehen, wie ihn Alex Garland im Sinn hatte – und keine für das Massenpublikum angepasste, vereinfachte Schnittfassung des Produzenten.
Darum geht’s in Auslöschung
Die Biologin Lena (Natalie Portman) wartet seit einem Jahr auf die Rückkehr ihres Ehemannes (Oscar Isaac). Kane war Mitglied einer militärischen Einsatzgruppe, die in die mysteriöse Area X vorgedrungen ist. Es ist ein Gebiet in den USA, das seit einem mysteriösen Vorfall durch einen expandierenden Schimmer umschlossen wird und bisher jeder wissenschaftlichen Erklärung widerstand. Als Kane plötzlich wieder auftaucht, kurz darauf jedoch schwer erkrankt, schließt sich Lena einem Team um die Psychologin Dr. Ventress (Jennifer Jason Leigh) an, um dem Geheimnis des Schimmers selbst auf den Grund zu gehen.
Der Zuschauer ist gefordert
Auslöschung ist einer dieser Filme, die den Zuschauer noch lange nach dem Abspann zum Nachdenken bewegen. Hatte Produzent David Ellison Recht, dass der Film zu kompliziert und schwer verständlich für das Publikum sei? Vielleicht. War seine Schlussfolgerung, den Film deswegen verändern zu wollen, daher korrekt? Aus ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet, mag seine Entscheidung durchaus nachzuvollziehen sein, doch glücklicherweise geht es nicht immer nur um das liebe Geld.
Alex Garland lässt mehr Fragen offen, als er beantwortet. Das kann natürlich zum einen daran liegen, dass Auslöschung auf dem ersten Band einer Buchtrilogie basiert. Es ist aber auch Ausdruck einer bewussten Entscheidung des Regisseurs und Drehbuchautors. Erklärungen sollen nicht auf dem Silbertablett serviert werden. Stattdessen wird ausreichend Raum für Interpretationen gelassen. Garland stellt hierbei verschiedene Hinweise und Motive bereit, die es zu erkennen und zu verwerten gilt. Es geht um Zerstörung und Erneuerung, um Veränderung und Neuanordnung. Wir können und müssen nicht alles im Universum verstehen, nicht alles muss einen Grund haben, und nicht für alles scheint sich uns der Grund erschließen.
Natürlich muss der Zuschauer auch empfänglich dafür sein. Auslöschung ist mit Sicherheit kein Film, den man sich nach einem anstrengenden Tag am Abend anmacht, um sich noch berieseln zu lassen. Der Zuschauer weiß zu jedem Zeitpunkt nur genau so viel wie die Protagonistin. Er scheint geradzu selbst ein Mitglied des Expeditionsteams zu sein, das versucht, hinter das Geheimnis des Schimmers zu kommen.
Der Schimmer – Eine gefährliche Schönheit
Die Area X hinter dem mysteriösen Schimmer wird uns als eine scheinbare Idylle präsentiert. Es ist eine Landschaft unentdeckter Schönheit. Hier und dort blühen Blumen verschiedenster Farben und Ausprägung, die es auf diese Weise gar nicht geben dürfte. Doch die Ruhe ist trügerisch. Immer wieder blitzt der Horror und die Gefahr auf, immer wieder zeigt sich diese Schönheit von ihrer hässlichen Seite.
Dabei inszeniert Alex Garland seinen Film außerordentlich unaufgeregt. Langsame Einstellungen, gemächlicher Spannungsaufbau, ruhige Dialoge. Doch in Analogie zur Area X wird auch hier diese Ruhe wiederholt von kurzen Actionsequenzen unterbrochen. Damit ist die Inszenierung von Auslöschung im Prinzip ein Spiegelbild des Schimmers. Auch hier trügt uns der Schein. Der Soundtrack präsentiert sich dabei treffend dezent. Der orchestrale Score hält sich zurück, um an den geeigneten Stellen schließlich bedrohlichere Ausmaße anzunehmen. Wiederholt wird zudem auf eine akustische Gitarre zurückgegriffen. Es handelt sich um ein wunderschönes Musikstück, bei dem man fast schon traurig ist, dass es nicht häufiger zu hören ist. Gleichzeitig jedoch scheint man darüber froh, weil es durch den diskreten Einsatz nicht an Reiz verliert.
Frauenpower in Auslöschung
Die Besetzung des Films besteht weitgehend aus weiblichen Darstellern. Oscar Isaac (Ex Machina, Star Wars) als Lenas Ehemann Kane hat lediglich eine Nebenrolle. Benedict Wong (Sunshine, Doctor Strange) fungiert nur als Stichwortgeber für die narrativen Flashbacks, in denen Lena über die Ereignisse in der Area X berichtet. Das Expeditionsteam hingegen besteht ausnahmslos aus Frauen. Die Botschaft dahinter ist klar und positiv, nichtsdestotrotz wirkt es etwas gezwungen und aus logischen Gesichtspunkten zumindest ein Stück weit zu hinterfragen. Es ist allerdings in der Tat sehr erfrischend, nicht den typischen Klischee-Macho des Hollywood-Militärs erleben zu müssen. Im Verlauf des Films übernimmt jedoch eine der Frauen zumindest ein paar dieser Charaktereigenschaften, als es zu einer Lagerkoller-Situation in klassicher Das Ding aus einer anderen Welt-Manier kommt. Leider wird sich nicht die Zeit genommen, die psychologischen Gründe eingehender zu thematisieren.
Fazit
Es ist zweifelsohne eine Schande, dass wir Auslöschung hierzulande nicht auf der großen Leinwand genießen dürfen. Gerade die Ästhetik dieses Films wäre prädestiniert für einen Kinobesuch gewesen. Nichtsdestotz müssen wir auch auch froh darüber sein, dass vielleicht nicht zuletzt aufgrund dieser Veröffentlichungspolitik der Film vor starken Änderungen seitens des Produzenten bewahrt wurde. Denn gerade die Komplexität, die Tiefe und das Fehlen eindeutiger Erklärungen machen den Reiz des Films aus.
In seiner Prämisse zeigt Auslöschung dabei eindeutig Parallelen zu Tarkwoskis sowjetischem SciFi-Klassiker Stalker. Fernerhin sind Einflüsse aus Das Ding aus einer anderen Welt, Event Horizon und selbstverständlich Kubricks Meisterwerk 2001 – Odyssee im Weltraum zu erkennen. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass der Film lediglich aus Versatzstücken der Science-Fiction-Tradition besteht. Auslöschung ist an keiner Stelle eine Kopie, sondern steht in seinen Motiven gänzlich eigenständig da. Die Schönheit hinter einer Zerstörung und Veränderungen als Neubeginn sind dabei als zentrale Themen zu erkennen. Doch sind dies nur kleine Hinweise, die uns Alex Garland an die Hand gibt. Statt eindeutige Erklärungen zu liefern, lässt er am Ende vor allem Spielraum zur eigenen Reflexion und zur Interpretation. Ein Film, der zum Nachdenken anregt, sofern der Zuschauer dafür empfänglich ist.