In Bergman Island präsentiert uns Regisseurin Mia Hansen-Løve Szenen einer Ehe. Ob der filmische Ausflug nach Fårö sich lohnt, erfahrt ihr in unserer Kritik!
Titel | Bergman Island |
Jahr | 2021 |
Land | Belgium |
Regie | Mia Hansen-Løve |
Genres | Drama, Liebesfilm |
Darsteller | Vicky Krieps, Tim Roth, Mia Wasikowska, Anders Danielsen Lie, Hampus Nordenson, Anki Larsson, Kerstin Brunnberg, Melinda Kinnaman, Stig Björkman, Magnus Almqvist, Lily Taïeb, Wouter Hendrickx, Gabe Klinger, Joel Spira, Teodor Abreu, Clara Strauch, Jonas Larsson Grönström, Felix Berg, Ingmar Bergman Jr. |
Länge | 112 Minuten |
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Die Handlung von Bergman Island
Das Filmemacher-Ehepaar Tony (Tim Roth) und Christine (Vicky Krieps) reist pünktlich zur Bergman-Woche auf die Insel Fårö, wo der legendäre schwedische Regisseur lebte und einige seiner Werke erschuf. Neben den wahrzunehmenden touristischen Angeboten will das Paar hier über den Sommer ihre eigenen Drehbücher schreiben. Während Tony Ingmar Bergmans Luft atmet und voller Inspiration schnell mit seinem düsteren Skript vorankommt, erdrückt die Omnipräsenz des großen Regisseurs die 25 Jahre jüngere Christine. Sie weiß noch nicht so recht, wohin ihre fiktive Liebesgeschichte führen soll. Dass Tony kaum Interesse an ihrem Schaffen zeigt, belastet dabei zunehmend die Beziehung. Christine flüchtet sich immer mehr in ihr Drehbuch, die Grenzen zwischen Realität und Fiktion beginnen zu verschwimmen…
Persönliche Einflüsse
Wie jeder der sechs vorherigen Spielfilme von Mia Hansen-Løve ist auch Bergman Island semi-autobiografisch. Hansen-Løve ist selbst, ähnlich wie Christine im Film, mit einem 26 Jahre älteren Filmemacher – dem (noch) deutlich bekannteren Olivier Assayas (Irma Vep, Personal Shopper) – liiert. Sie haben ebenfalls ein gemeinsames Kind. Sie lernte ihn bei den Dreharbeiten zu Ende August, Anfang September kennen, bei dem er sie als Darstellerin engagierte. Nach einem weiteren Auftritt in Assayas‘ Liebe Last Lust wechselte sie jedoch zunächst in die Filmkritik; sie schrieb zwei Jahre für die legendäre französische Zeitschrift Cahiers du cinéma, aus der auch schon die berühmten Regisseure der Nouvelle Vague in den 60ern entsprangen.
Folgerichtig landete auch sie auf dem Regiestuhl und nach zwei Kurzfilmen erschien 2007 mit Tout est pardonné ihr erster Spielfilm. 2016 erhielt Hansen-Løve für Alles was kommt mit Isabelle Huppert in der Hauptrolle den Silbernen Bären für die Beste Regie. Bergman Island wurde 2021 wie ihr Erstlingswerk bei den Filmfestspielen von Cannes uraufgeführt und lief im Wettbewerb um die Goldene Palme, mit der allerdings Titane geehrt wurde.
Mythos Bergman
Als Tony und Christine auf Fårö ankommen, wird schnell ersichtlich, dass hier ein fast unheimlicher Mythos um Regisseur Ingmar Bergman aufgebaut wird. Das Ehepaar schläft angeblich in dem Bett aus dem Klassiker Szenen einer Ehe – „der Film, nach dem sich Millionen scheiden ließen“, so die Haushälterin. In Bergmans Kino können einige seiner Filme auf originalen 35mm-Filmrollen gesehen werden, doch ein Platz muss dabei immer frei bleiben: der des großen Regisseurs von Persona und Das siebente Siegel. Paradoxerweise wird gleichzeitig ständig versucht, den Filmemacher zu entmystifizieren. So gibt es als Touristenattraktion eine Bergman-Safari, ein Bergman-Quiz und ähnliche Skurrilitäten. Hier entfaltet Bergman Island auch durchaus subtilen Humor, die Ehrerbietung wird stets auch ein bisschen ironisiert.
Film-im-Film-Struktur
Nicht ganz ernst zu nehmen scheint auch Tony die Arbeit seiner Ehefrau. Als sie von ihren Ideen erzählt, wirkt er eher abwesend. Besonders deutlich wird das in einer Szene, als es in Christines Erzählung um Amy (großartig: Mia Wasikowska) und Joseph (Anders Danielsen Lie) leidenschaftlich wird: Ohne auch nur zu zögern, verabschiedet sich Tony zum telefonieren. Der Kontrast zwischen ihren Wünschen und was ihr Partner ihr tatsächlich bietet, ist nie so stark wie in diesem Moment. Ab hier fantasiert Christine auch bei Tonys Abwesenheit weiter, seine Figur wird immer mehr zum Nebendarsteller degradiert. Stattdessen rücken Amy und Joseph und ihre On-Off-Beziehung in den Mittelpunkt. Fortan wird nicht nur eine flirrende, sommerliche Liebesgeschichte erzählt, auch erleben wir eine Abhandlung der Wechselwirkung zwischen Realität und Fiktion. Kleidungsstücke, Momente, Personen und Gefühle aus Christines Leben fließen auch in ihr künstlerisches Werk ein – das wird mal mehr, mal weniger subtil offenbar.
In seiner Leichtigkeit erinnert Bergman Island – trotz der eindeutig skandinavischen Szenerie – eher an Filme von Éric Rohmer (Meine Nacht bei Maud, Das grüne Leuchten) als an diejenigen Bergmans. Im Kino des französischen Nouvelle-Vague-Regisseurs treffen meist verschiedene Philosophien der Figuren aufeinander – gerne auch vor sommerlicher Kulisse (Sommer, Pauline am Strand, …). Dennoch hat Mia Hansen-Løve ein ganz eigenes Werk geschaffen, inszenatorisch braucht sie sich dabei keineswegs verstecken: Wunderschön und stilsicher fotografiert, clever strukturiert und mit interessantem Score sowie Musikauswahl untermalt – all das ist Bergman Island.
Unser Fazit zu Bergman Island
Die Charaktere in Bergman Island huldigen den schwedischen Meisterregisseur, der Film selbst ist jedoch keineswegs blinde und ehrfürchtige Hommage, er ist französisch durch und durch. Und legt damit eine Leichtfüßigkeit an den Tag, die Bergman abging. Dank toller Schauspieler, schöner Bilder und seiner Sommerlichkeit, ist Bergman Island der perfekte Film für die endlich wieder sonniger werdenden Tage.
Bergman Island erscheint am 11. März 2022 auf DVD sowie digital!
Unsere Wertung: