Der Versuch, einen in Afrika entführten Ingenieur zu befreien, endet in Black Beach in einem Fiasko. Der Vermittler Carlos wird an seine idealistischen Grenzen geführt und in ein Komplott verstrickt. Es geht um Öl und Millionengeschäfte. Vor allem aber um die Frage, wieviel Schaden der eigene Idealismus anrichten kann. Mehr erfahrt ihr in unserer Rezension.
Titel | Black Beach |
Jahr | 2020 |
Land | Belgium |
Regie | Esteban Crespo |
Genres | Drama, Thriller |
Darsteller | Raúl Arévalo, Candela Peña, Lidia Nené, Claude Musungayi, Emilio Buale, Melina Matthews, Paulina García, Babou Cham, Mulle Jarju Salvador, Aída Wellgaye, Jimmy Castro, Fenda Drame, Dairon Tallon, Teresita Evuy, Olivier Bony, Bella Agossou, Fred Adenis, Antonio Buíl, John Flanders, Luka Peroš, Thimbo Samb, Papis Diouf, Julius Cotter, Ronnie Commissaris, Babacar ben Ibrahima Konte, Chumo Mata, Clotilde Boahuri, Astrid Jones, Gaëtan Wenders, Kristof Coenen, Didier Maes, Amber Shana Williams |
Länge | 115 Minuten |
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Darum geht’s in Black Beach
Carlos (Raúl Arévalo) ist ein harter Knochen in der europäischen Geschäftswelt. In Black Beach ist er als Unterhändler spezialisiert auf Firmenkäufe und -verkäufe, wobei er auch vor erpresserischen Methoden nicht zurückschreckt. Doch Carlos hat auch eine NGO-Vergangenheit als Entwicklungshelfer in Afrika. Und die beginnt, ihn einzuholen, als er im Auftrag eines Ölkonzerns die Verhandlungen rund um einen entführten Ingenieur übernehmen soll.
Denn der Entführer ist sein alter Jugendfreund Calixto (Jimmy Castro). Und die vermeintliche Entführung ist ein Fake, eingefädelt von dem autokratischen Regime Gregorio Ndongs (Mulle Jarju Salvador) und der Ölfirma. Der nicht näher benannte afrikanische Staat will ebenso wie das US-Unternehmen das gegen ihn verhängte Embargo aufheben lassen, denn es geht um Millionen. Nach außen hin wird eine demokratische Gesellschaft vorgegaukelt. Die brutale Unterdrückung einer ethnischen Minderheit wird vertuscht. Der verschwundene Ingenieur hatte Dokumente an sich gebracht, die das belegen. Die vermeintliche Entführung durch Calixto sollte ihn in Sicherheit bringen. Carlos gerät zwischen die Fronten und das erst recht, als er erfährt, dass er einen ihm unbekannten Sohn mit Calixtos jetziger Gefährtin Ada (Aída Wellgaye) hat.
Kein Jason-Bourne-Verschnitt
Der Verleih bewirbt den Film als eine Art Bourne-Variante. Das weckt Interesse, welches aber schnell enttäuscht werden dürfte. Denn mit einem Action-Streifen à la Jason Bourne hat Black Beach nicht viel gemein. Zwar mögen schnell geschnittene und mit Wackelkamera gefilmte Sequenzen an den semi-dokumentarischen Stil eines Paul Greengrass erinnern, gehen dabei aber doch weit über die Intentionen eines Actioners hinaus. Das wird schon deutlich an Carlos, der eben nicht bei einer Verfolgung zum parkourgestählten Superhelden mutiert. Carlos bleibt ein ganz normaler Mensch, der zwar sportlich ist und somit seinen Verfolgern eine Zeitlang entkommen kann. Doch all das bleibt auf dem Boden des Realistischen.
Carlos hat Angst, ja sogar Panik, die Hauptdarsteller Raúl Arévalo (Mörderland) überzeugend und vor allem glaubhaft rüberbringt. Ebenso wie seine Verzweiflung angesichts zunehmend hoffnungsloser Situationen. Black Beach zeigt uns die Slums, in denen die ethnische Minderheit dahinvegetieren muss, mit dokumentarischer Direktheit als einzige Müllhalde des Lebens. Die Brutalität der Machthaber wird nahezu körperlich spürbar. Als Kontrast dazu sehen wir die glänzend oberflächliche Fassade der herrschenden Clique samt kokaingeschwängerter Partys. Eine typisch patriarchalische Gesellschaft, in der Frauen nur als Gebrauchsgegenstände dienen und Alles und Jeder ausgebeutet werden. Als Inbegriff der Dekadenz wirkt eine lebende Giraffe im Foyer der palastähnlichen Party-Burg.
Im Kapitalismus bequem eingerichtet
Carlos ist in Black Beach kein skrupelloser Machtmensch, auch wenn er sich in der Welt des globalisierten Kapitalismus bequem eingerichtet hat. Die Konfrontation mit seiner Vergangenheit weckt auch wieder sein moralisches Empfinden. Und dennoch irrt er, wenn er meint, mit seinem weißhäutigen Idealismus den Problemen des schwarzen Kontinents gerecht werden zu können. Denn auch seine naiven Hoffnungen sind geprägt von seiner Haltung, geboren aus der Perspektive des Kolonialherrn.
Das ist ein Grundkonflikt, der gerade in der aktuellen Rassismus-Diskussion für erheblichen Zündstoff sorgt: Kann der Blick eines Europäers auf Afrika der dortigen Situation wirklich gerecht werden? Ist dieser Blick nicht immer von einer gewissen Hybris des vermeintlich Erfolgreicheren geprägt? Entstanden aus einer spezifischen technisch-historischen Situation, die ein Machtgefälle reflektiert – und damit auch verstetigt? Erst vor einigen Monaten etwa gab es in Hannover, meiner Heimatstadt, eine heftige Diskussion um die Teilnahme eines hiesigen Historikers an einem Rassismus-Symposium. Der allseits angesehene Wissenschaftler hatte sich seit Jahrzehnten an der Universität um die Erforschung der afrikanischen Geschichte im Spannungsfeld des europäischen Kolonialismus verdient gemacht und damit auch der Stimme Afrikas im universitären Diskurs Gehör verschafft. Ihm auch nur latenten Rassismus vorzuwerfen, scheint absurd. Dennoch: Von der anderen Seite aus betrachtet, sieht alles anders aus.
Black Beach zeigt eine andere Perspektive
Die Notwendigkeit eines solchen Perspektivwechsels versucht auch Black Beach zu vermitteln. Am deutlichsten wird dies vielleicht in einer Szene im Krankenhaus. Carlos besucht dort Ada, die Mutter seines ihm bis dahin unbekannten Sohns. Kurz zuvor hatte er sie aus dem berüchtigten Gefängnis Black Beach holen können. Anders als in solchen Szenen üblich ist die Kameraposition bei Ada am Bett angesetzt, Carlos ist nur durch das Moskitonetz hindurch sichtbar. Der Film bleibt in dieser Szene bei Ada, will ihre Perspektive einnehmen. Später sagt Calixto zu Carlos: „Die schlimmsten Rassisten sind nicht die, die uns hassen, sondern die Anderen, die sich als unsere Retter aufspielen.“ Carlos erwidert: „Es geht nicht um Rassismus, es geht ums Geld.“ Als würde sich das trennen lassen. Denn beim Geld geht es um Macht, und bei Macht um Unterdrückung.
Zusammenhänge, die Carlos erst zum Schluss allmählich begreift. Er entstammt einer privilegierten Schicht, die sich in ihrer moralischen Überlegenheit sonnt. Seine Mutter ist bei der UNO für Menschenrechtsfragen zuständig. So erhofft er sich auch von ihr Hilfe. Doch sie bleibt ganz Politikerin, zurückhaltend: „Wir haben im Moment schwierige Zeiten“, sagt sie. „Die Chinesen kaufen ganz Afrika auf.“ Dass dabei die indigene Bevölkerung zwischen den Mahlsteinen des globalisierten Kapitalismus zerrieben wird, erscheint ihr offensichtlich eher nebensächlich. Angesichts seines neunjährigen Sohns Calixto jr., der schließlich auch von seiner hochschwangeren Frau Susan (Melina Matthews) nach erstem Zögern herzlich aufgenommen wird, erkennt Carlos schließlich den Wert ehrlicher Gefühle gegenüber berechnender Logik.
Mein Fazit zu Black Beach
Black Beach ist harter Stoff, doch in seiner Grundhaltung absolut ehrlich. Und damit auch aktuell. Denn nicht zuletzt im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung entzündete sich erneut die Frage nach latentem Rassismus auch bei gutmeinenden Weißen. Wer anders als die Unterdrückten könnte die wahre Geschichte der Unterdrückung schreiben? Das kann auch der spanische Regisseur Esteban Crespo nicht. Doch versteht er es, dieses Dilemma geschickt in seine Erzählung einzuflechten – und zum eigentlichen Kern der Geschichte zu entwickeln. Der Weiße kann niemals vollständig die Perspektive des Farbigen besetzen. Aber er kann dort seinen Beitrag gegen Unterdrückung leisten, wo seine Weltsicht sich anwenden lässt. Eine unbequeme Wahrheit, die vielleicht Vielen missfällt. Weshalb die User-Bewertungen im Netz den Qualitäten des Films auch nicht gerecht werden. Abgesehen von der äußerst spannenden Thriller-Handlung ist Black Beach ein wichtiger Beitrag zur Debatte über Rassismus und Kolonialismus, weshalb es bei uns fast volle Toastzahl gibt.
Black Beach ist seit dem 17. Juli digital und seit dem 22. Juli 2021 auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Unsere Wertung:
© Koch Films