Wie viele Filme hat es schon gegeben, in denen junge Männer in den Teufelskreis aus Gewalt und Drogen geraten? Shadow of Violence ist auch so einer dieser Filme, aber er ist dennoch sehenswert.
Titel | Shadow of Violence |
Jahr | 2020 |
Land | Ireland |
Regie | Nick Rowland |
Genres | Krimi, Drama |
Darsteller | Cosmo Jarvis, Barry Keoghan, Niamh Algar, Ned Dennehy, David Wilmot, Simone Kirby, Anthony Welsh, Roisin O'Neill, Hazel Doupe, Toni O'Rourke, Liam Carney, Ryan McParland, Ally Ní Chiárain, Kiljan Moroney, Brian Doherty, Rory Quinn, Peter Newington, Brid Brennan, Barry Keane, Lee Byford, Peggy-Anne Knight, Christopher Livingstone, Stephen McDade, Stephen McGowan, John Paul O'Driscoll |
Länge | 100 Minuten |
Wer streamt? | Kaufen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, maxdome Store, MagentaTV, Microsoft Store, Videoload, Verleihshop Leihen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, maxdome Store, MagentaTV, Microsoft Store, Videoload, Verleihshop, Freenet meinVOD |
Die Handlung von Shadow of Violence
Der ehemalige Boxer Douglas Armstrong (Cosmo Jarvis), den alle nur Arm nennen, lebt in einem abgelegenen Küstenstädtchen in Irland. Nach seiner Profikarriere ist er auf die schiefe Bahn geraten und arbeitet seitdem für die kriminelle Familie Devers, die von Paudi (Ned Dennehy) und Hector (David Wilmot) angeführt wird. Sein bester Freund, ebenfalls Teil der Familie, ist Dympna (Barry Keoghan), der ihn als Schläger und Geldeintreiber überall hin mitnimmt.
Ein Ausstieg aus diesem Milieu scheint unmöglich, dennoch will Arm für seine Ex-Freundin Ursula und den gemeinsamen Sohn Jack da sein. Der Junge leidet an Autismus und eine besondere Förderschule könnte ihm weiterhelfen, aber das Geld ist knapp. Eines Tages eröffnet sich für Ursula eine Perspektive auf ein besseres Leben, aber wird dieses mit oder ohne Arm sein?
Ein Film aus der Vergangenheit
Calm with Horses, so der Originaltitel, ist der Debütfilm von Nick Rowland, der schon 2019 entstand. Damals feierte er auf dem „Torontoer International Film Festival“ Premiere, ehe es im März 2020 kurzzeitig in die britischen Kinos ging. Die Coronapandemie zwang die Kinos zur Schließung und den Film auf die digitalen Plattformen. Damit könnte auch schon ein Hauptgrund gefunden sein, warum die Suche nach einem passenden Verleih in Deutschland so lange dauerte. So erscheint der Film nun vier Jahre später fast heimlich, still und leise unter dem neuen Titel Shadow of Violence über Plaion Pictures (immerhin eine namhafte Referenz auf dem deutschen Markt).
Während der Originaltitel auf die heilende therapeutische Wirkung von Pferden (im Film zu sehen) und die zugrundeliegende Kurzgeschichte von Colin Barrett anspielt, ist das ziemlich generisch klingende deutsche Pendant ebenso passend. Mustergültig fängt Rowland im späteren Verlauf eine Szene am Küchentisch ein, bei der das Fenster vom Tageslicht hell erleuchtet ist. Die drei anwesenden, gewaltbereiten Figuren sind dagegen in tiefe Schatten gehüllt.
Es kommt metaphorisch zum Ausdruck, was die Geschichte von Shadow of Violence von Anfang bis Ende zeigt: Eine niederschmetternde Aussichtslosigkeit, aus dem kriminellen Milieu zu entkommen, den Ort und alle schlechten Einflüsse mit ihm zu verlassen, ein neues Leben woanders zu beginnen. Die Schatten sind immer da.
Du weißt, was passieren wird, aber es ist trotzdem gut
Nick Rowlands Debütfilm ist auf dem Papier die altbekannte Geschichte: Ein eigentlich guter Junge hat eine vielversprechende Karriere (als Boxer) vor sich. Ein tragisches Ereignis (Douglas tötet seinen Kontrahenten im Ring) lässt ihn aber abrutschen. Denn in diesem fast schon dystopisch schroffen und kargen Irland haben junge Männer keine Alternative, sie können nichts erwarten und dürfen auf nichts hoffen.
So gibt es (natürlich) den teuflischen Verführer in Form von Dympna Dever, den Keoghan mit einer grandiosen Verschlagenheit zwischen Freund und gehörntem Bösewicht spielt. Er macht sich die Muskelkraft und gleichzeitige Einfältigkeit von Arm mustergültig zu Dienste. Der massige Ex-Boxer wird zum Mann fürs Grobe, kassiert dafür Drogengeld und kann sich über Wasser halten. Die Einsätze steigen und schließlich soll Arm töten, um loyal zur Familie zu bleiben. Es gibt, wie gesagt, keine Alternative(n).
Auch Shadow of Violence bzw. das Drehbuch von Joe Murtagh weiß, dass es trotz aller krassen Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit, die den Film mit einem eisigen Hauch durchweht, einen Rettungsanker braucht. Für Arm, aber auch für das Publikum, das keine rein schlechte Hauptfigur sehen will.
Mit Ursula und dem kleinen Jack könnte sich Arm retten. Aber die Beziehung liegt in Trümmern, der autistische Junge bleibt für seinen Vater ein Rätsel (warum kann er nicht einfach normal sein?). Ist er überhaupt noch Vater oder nur Unterhaltszahler?
Es sind dies die typischen Konflikte einer männlich geprägten Kleinstadt-Tristesse. Junge Männer, die eigentlich Verantwortung übernehmen müssten, aber bei dem Streben nach dem Richtigen permanent das Falsche tun. Cosmo Jarvis bringt hierfür nicht nur die richtige Physis mit, er findet auch den richtigen Ausdruck, um seinen Arm als eigentlich gutmütigen, aber fehlgeleiteten Riesen nachvollziehbar und trotz allem sympathisch zu machen.
Emotionaler als gedacht, besser als erwartet
Nick Rowland ist sich glücklicherweise total bewusst, dass er eine ziemlich bekannte Geschichte erzählt. Sein Anspruch war deshalb gleichzeitig, dass Publikum auch emotional zu berühren und dadurch ein Stück weit zu überraschen.
Tatsächlich ist seine Inszenierung durchaus selbstbewusst. Der aufwühlende Score steigert die Wirkung vieler vor allem dramatischer Szenen deutlich, ohne allzu leicht in Kitsch abzuwandern. Die weiten Aufnahmen der kargen, aber traumhaft schönen Landschaft Irlands verstärken das Gefühl einer Hoffnungslosigkeit, in der Erlösung unendlich weit entfernt scheint.
Und so bekommt auch Arms Ringen um seine sich entfremdende Familie und generell die Tragik seines bisherigen Lebenswegs deutlich mehr Spielzeit als gedacht. In einer wichtigen Szene gegen Ende darf Cosmo Jarvis sogar minutenlang am Telefon seine Seele ausschütten und dabei wiederholt gegen Heulkrämpfe ankämpfen.
Shadow of Violence ist deshalb ebenso Crime-Thriller wie Familiendrama. Es ist sogar die zentrale Frage in Arms Leben: Kehrt er der Familie Devers, die ihn für ihre miesen Machenschaften missbraucht, endlich den Rücken und gibt dafür Frau und Kind den Vorzug?
Das Zeigen beider Welten entschleunigt den Film immer wieder, lässt ihn handlungstechnisch auf der Stelle treten, damit die Figuren atmen können. Wer sich also nicht völlig in dem Drama verlieren kann, wird bei 100 Minuten nicht ganz ohne Längen auskommen.
Unser Fazit zu Shadow of Violence
Nick Rowlands Shadow of Violence ist ein selbstbewusst inszeniertes und glaubhaft gespieltes Kleinkriminellen-Drama, das mit Cosmo Jarvis und Barry Keoghan in zwei der wichtigsten Rollen grandios besetzt ist. Die Hoffnungslosigkeit junger Männer in der (hier irischen) Einöde ist zwar nicht neu, wird aber mit einer Emotionalität erzählt, die trotz allem mitreißt. Der unweigerliche Reigen aus Drogen und Gewalt ist konsequent, schmerzend und unerbitterlich.
Shadow of Violence erscheint hierzulande über Plaion Pictures am 25. Juli auf Disk sowie on demand.
Unsere Wertung:
© Plaion Pictures