Candyman von Nia DaCosta ignoriert die Geschehnisse vom zweiten und dritten Teil der Serie und ist damit ein direktes Sequel zu Candyman’s Fluch von 1992. In unserer Rezension lest ihr, warum sich diese Wiederbelebung des Candyman-Mythos anschickt, einer der Horrorfilme 2021 zu werden.
Titel | Candyman |
Jahr | 2021 |
Land | Canada |
Regie | Nia DaCosta |
Genres | Horror, Mystery, Thriller |
Darsteller | Yahya Abdul-Mateen II, Teyonah Parris, Colman Domingo, Nathan Stewart-Jarrett, Kyle Kaminsky, Vanessa Williams, Brian King, Miriam Moss, Rebecca Spence, Carl Clemons-Hopkins, Christiana Clark, Michael Hargrove, Rodney L Jones III, Ireon Roach, Breanna Lind, Heidi Grace Engerman, Sarah Lo, Ro White, Mark Montgomery, Torrey Hanson, Cassie Kramer, Sarah Wisterman, Cedric Mays, Alec Silver, Hannah Love Jones, J. Nicole Brooks, Pamela Jones, Genesis Denise Hale, Katherine Purdie, Tien Tran, Mike Geraghty, Aaron Crippen, Dan Fierro, Nadia Simms, Nancy Pender, Johnny Westmoreland, Guy Spencer, Daejon Staeker, Tony Todd, Virginia Madsen, Ben Marten |
Länge | 91 Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Amazon Prime Video, MagentaTV, Amazon Prime Video with Ads Kaufen: Apple TV, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, Microsoft Store Leihen: Apple TV, Amazon Video, Sky Store, Rakuten TV, Microsoft Store |
Worum geht’s in Candyman?
Der Künstler Anthony McCoy (Yahya Abdul-Mateen II) bewohnt mit seiner Freundin Brianna Cartwright (Teyonah Parris) eine schicke Wohnung in Cabrini Green. Ursprünglich als Housing-Project gebaut, ist der Chicagoer Stadtteil mittlerweile komplett durchgentrifiziert.
Während die Auftragslage von Anthony, trotz tatkräftiger Unterstützung seiner Freundin, die selbst Galeristin ist, immer mehr ins Stocken gerät, findet er Inspiration im Mythos um den Candyman. Einem dunkelhäutigen Mann, der in den 1970er Jahren Süßigkeiten an Kinder verteilt hat und von rassistischen weißen Polizisten zu Tode geprügelt wurde. Seither soll er als rachsüchtiger Geist erscheinen, wenn man seinen Namen fünf Mal vor einem Spiegel stehend sagt. Doch als Anthony immer tiefer in das Mysterium um Candyman hinabtaucht, kommen Menschen in seinem Umfeld auf grausame Art und Weise ums Leben.
Alle (fast) auf Anfang
They will say that I have shed innocent blood. What’s blood for, if not for shedding?
Im Jahr 1992 inszenierte Bernard Rose Candyman’s Fluch, basierend auf der Kurzgeschichte The Forbidden von Clive Barker. Aus heutiger Sicht machte der Film den damals schon nicht unbekannten Tony Todd in seiner Rolle als Candyman zu einer absoluten Horror-Ikone. Und da der mit nur 8 Mio. US-Dollar budgetierte Film ein beachtliches Einspielergebnis von circa 26 Mio. US-Dollar verzeichnen konnte, ließen auch die Nachfolger nicht lang auf sich warten.
Doch obwohl Tony Todd sowohl in Die Blutrache (1995) als auch in Der Tag der Toten (1999) in die Rolle von Daniel Robitaille aka Candyman schlüpfte, konnten beide Filme nicht an die positive Resonanz und die Berühmtheit des ersten Teils anknüpfen. Da ist kaum verwunderlich, dass Regisseurin Nia DaCosta mit Candyman ein direktes Sequel zum ersten Teil inszeniert und die Geschehnisse aus den Nachfolgern vollkommen außer Acht lässt. Ob dieses Konzept, dass bei David Gordon Greens Halloween (2018) bereits funktioniert hat, auch hier trägt? Das und mehr klären die folgenden Kapitel.
Matches made in heaven
Für ihre zweite Regiearbeit nach dem von Kritikern sehr gelobten aber bei uns leider eher unbekannte Drama Little Woods, hat sich Nia DaCosta (Jahrgang 1989) also kein leichtes Unterfangen ausgewählt. Unterstützung erhält sie dabei aber von jemandem, der selbst als eine der großen Hoffnungen des Horror-Genre gilt: Get Out und Wir Regisseur Jordan Peele. Denn der steht nicht nur mit seiner Produktionsfirma Monkeypaw Productions hinter dem Projekt, sondern hat auch gemeinsam mit DaCosta und Win Rosenfeld das Drehbuch zu Candyman geschrieben.
Vor der Kamera konnte Nia DaCosta ebenfalls einen sehr interessanten Cast versammeln. Sowohl Yahya Abdul-Mateen II (The Trial of the Chicago 7, die Watchmen Serie) als Anthony als auch Teyonah Parris (Beale Street, Mad Men) als Brianna liefern eine ausgezeichnete Arbeit ab und überzeugen auf ganzer Linie. Auch als Anthony langsam dem Wahnsinn um den Candyman anheimfällt, wirkt die Beziehung zwischen den beiden stets authentisch und ihre Handlungen immer nachvollziehbar. Dabei darf man aber nicht Nathan Stewart-Jarrett als Briannas homosexuellen Bruder Troy unterschlagen, der ebenfalls eine großartige Figur macht.
Ein gutes Gespür
Es ist schlicht bewundernswert, mit welch einem Respekt für die Vorlage (sei es der Film von Bernard Rose oder die Geschichte von Clive Barker) Nia DaCosta hier inszeniert. Es fühlt sich stets vollkommen organisch an, wie sie den Mythos um den Candyman an manchen Ecken und Enden, die ich an dieser Stelle nicht spoilern werde, sinnvoll erweitert, mit neuen Aspekten anreichert und ihn langsam zu einer immer größer werdenden Bedrohung etabliert. Dabei wird auch die, zumindest im ersten Teil, sehr präsente Kritik an etablierten Systemen und Machtgefügen nicht außer Acht gelassen und um das sehr aktuelle Thema der Gentrifizierung ergänzt. Doch verliert Candyman nie aus dem Auge, dass er im Kern ein lupenreiner Genrefilm ist.
Der Horror des Candyman
I am the writing on the wall, the whisper in the classroom!
Denn abseits der Gesellschaftskritik funktioniert Candyman auch als waschechter und unglaublich präzise inszenierter Horrorfilm. Fast vollständig auf Jumpscares verzichtend, erzeugt das Skript eine stetige Bedrohung und damit eine ungemein dichte Atmosphäre. An der Seite von Anthony wird man immer tiefer in die mysteriöse und bittere Geschichte des Candyman gesogen.
Zusätzlich belohnt der Film das Publikum, wenn es dem Geschehen mit der gebotenen Aufmerksamkeit folgt. Eine Disziplin, die moderne Horrorregisseure wie Mike Flanagan und Ari Aster etabliert haben, und die Nia DaCosta hier ebenfalls mit Bravour meistert.
Darauf zahlt auch die tolle Kameraarbeit von John Guleserian ein, der ein zielsicheres Gespür für interessante Winkel und tolle Bildsprache beweist. Dabei blieb mir persönlich eine Szene besonders im Gedächtnis, in der die Kamera aus einem Appartement hinauszoomt, um dann mehrere Stockwerke des Gebäudes in einer Totalen zu zeigen. Im Zusammenhang mit dem, was sich in der Szene im Hintergrund abspielt, ist das schon wortwörtlich großes (Horror-)Kino.
Unterfüttert wird das stimmige optische Gesamtbild vom umwerfenden Sound-Design, welches man am besten im Kino oder respektive in entsprechend motorisiertem Heimkino genießen sollte. Audiovisuell dürfte Candyman damit einer der herausragendsten Horrorfilme des Jahres werden.
Alles on point
Wie auch schon im Original von Bernard Rose ist das Thema Rassismus in Candyman omnipräsent. Dabei wird durch die Gentrifizierung des ehemaligen Housing-Projects Cabrini Green eine sehr interessante Flanke aufgemacht. Durch die Auseinandersetzung der jetzigen Ansässigen mit der Geschichte ihres Stadtteils entstehen Diskussionspunkte, die aktueller denn je sind und denen eine ordentliche Brisanz innewohnt.
Wenn man sieht, dass Jordan Peele am Projekt beteiligt ist, dann kann man sich denken, dass es im Film einige sehr treffende Seitenhiebe auf die weiße privilegierte Bevölkerung und in demselben Zuge auch auf gängige Horror tropes zu entdecken gibt. Zwei Beispiele:
Im Laufe der Geschichte macht sich Brianna auf die Suche nach Anthony und vermutet ihn in einem Waschsalon, der seltsam verlassen scheint. Im Hinterraum öffnet sie dabei eine Tür, hinter der eine Treppe in den bedrohlich-dunklen Keller führt. Sie kommentiert diese Entdeckung mit einem kurzen “Nope”, schließt die Tür und sucht weiter nach Anthony. In der Szene kann man das Kichern der Autoren förmlich hören, die damit unzählige Momente in unzähligen Horrorfilmen persiflieren, bei denen die Figuren eben nicht so klug handeln.
In einer weiteren Szene fragt sich Brianna, wer denn bitte so blöd sei und den Candyman durch fünfmaliges Sagen seines Namens in einen Spiegel herbeiruft. Schnitt. Eine Gruppe hellhäutiger Schülerinnen steht vor dem Spiegel des Toilettenraums ihrer Schule und versucht eben genau das.
Diese Momente sind nicht nur bissige Kommentare auf weiße Menschen in Horrorfilmen. Sie sind auch eine willkommene lustige Auflockerungen in der ansonsten zum Schneiden dichten Atmosphäre des Films.
Blutige Wiedersehen
Neben der bereits angesprochenen dichten Atmosphäre hat Candyman einige kreativ inszenierte Kills zu bieten, die Horror Aficionados ob ihrer Saftigkeit aufhorchen lassen. Auf der Einkaufsliste der SFX-Crew standen neben literweise Kunstblut auch ein paar Gedärme und der ein oder andere Fingernagel. In Sachen Gore legt der Film gegenüber seinem Vorgänger nochmal eine ordentliche Portion nach.
So viel sei gesagt: Die Freigabe ab 16 Jahren lotet der Film allemal aus.
PS: Es gibt sogar ein Wiedersehen ein paar alten Bekannten der Serie. Und eventuell ist Vanessa Williams als Anne-Marie McCoy nicht der einzige Name in dieser Liste.
PPS: Candyman hat den coolsten Abspann der letzten Jahre!
Mein Fazit zu Candyman
Mit knapp 90 Minuten Laufzeit hat Candyman von Nia DaCost kein Filmgramm zu viel auf den Rippen. Unglaublich präzise inszeniert, mit dem gebotenen Respekt für die Vorlage ausgestattet und angemessen modernisiert schickt sich der Film an, die (Horror-)Film-Toplisten des Jahres zu entern. Großes Kino!
Candyman ist ab dem 26. August 2021 im Kino!
Unsere Wertung: