Als Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo 1981 in den deutschen Kinos anlief, avancierte der Film zum großen Diskussionsthema. Von Kritiker:innen gemischt betrachtet, wurde die Literaturverfilmung als Abschreckung zum Thema Drogen bei vielen Jugendlichen behandelt. Nun erscheint der Film erstmalig in 4K restauriert. Doch lässt sich das Schockpotential auch noch heute erfahren? Das erfahrt ihr in dieser Review!
Titel | Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo |
Jahr | 1981 |
Land | Germany |
Regie | Uli Edel |
Genres | Drama |
Darsteller | Eberhard Auriga, Natja Brunckhorst, Peggy Bussieck, Lothar Chamski, Uwe Diderich, Jan Georg Effler, Ellen Esser, Andreas Fuhrmann, Thomas Haustein, Lutz Hemmerling, Daniela Jaeger, Bernhard Janson, Jens Kuphal, Christiane Lechle, Kerstin Malessa, Christiane Reichelt, Kerstin Richter, Cathrine Schabeck, Stanislaus Solotar, Rainer Woelk, David Bowie, Carlos Alomar, Wolfgang Bathke, Renate Küster |
Länge | 138 Minuten |
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Die Handlung von Christiane F. -Wir Kinder vom Bahnhof Zoo
Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo erzählt die Geschichte der zu Beginn der Handlung 13 Jahre alten Christiane Felscherinow (Natja Brunckhorst). Wie auch in der gleichnamigen Literaturvorlage wächst das junge Mädchen in den 70er Jahren in der Berliner Gropiusstadt auf. Gemeinsam mit einer Freundin entdeckt das junge Mädchen die Berliner Diskothek Sound für sich. Inmitten des Rauschs der Musik lernt Christiane auch Detlef (Thomas Haustein) und seine Freunde kennen. Aus der Bekanntschaft mit Detlef entwickelt sich eine romantische Beziehung, gemeinsam mit ihm lernt die Schülerin die wilden Seiten Berlins kennen.
Getrübt wird das Glück durch die Heroinsucht der beiden Liebenden. Christiane taucht immer mehr in den Drogensumpf ab, der ebenfalls heroinsüchtige Detlef kann ihr nicht helfen. Auf dem „Babystrich“ prostituieren sich beide, um sich ihren Konsum zu finanzieren. Ein Portrait zweier Jugendlichen und ihres Kampfes um die Sicherung des nächsten Rausches…
Ein Moloch namens Bahnhof Zoo
Auch Jahre nach der Veröffentlichung von Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo setzen viele den titelgebenden Ort mit der Drogenszene aus der damaligen Zeit gleich. Das Schicksal vieler Drogensüchtigen spielt sich dort ab, die Bandbreite reicht dabei von Obdachlosen zu jungen „Strichjungen“. Die Trostlosigkeit dieser Lokalität setzt der Film sehr gut in Szene. Durch eine sich dauerhaft in Bewegung befindliche Kamera erhält der Film einen dokumentarischen Touch. Auch der Fakt, dass Regisseur Uli Edel einige Rollen mit Darsteller:innen besetzte, die Teil der Drogen- und Prostitutionsszene waren, unterstreichen diesen Anspruch von Realitätsnähe. Des Weiteren blickt der Film auch in die Gropiusstadt. Dort wohnt Christiane mit ihrer Mutter in einer Wohnung im Wohnblock, ihre Schwester zieht zu Beginn des Films aus, damit mehr Platz für sie „übrig sei“. Diese Vorstadthölle gepaart mit den ärmlichen familiären Verhältnissen erläutern schon früh Christianes Wunsch nach einer Realitätsflucht.
Ihre Sehnsüchte sieht sie an den kulturellen Schmelzpunkten Berlins reflektiert. Allem voran die Diskothek Sound wird zum zentralen Ort ihrer nächtlichen Aktivitäten. Da diese auch einen großen Drogenumschlagplatz beherbergt, liegen dort der musikalische und drogeninduzierte Rausch sehr nah beieinander. Die dort angesiedelten Szenen gehören zu den besten des ganzen Films, da dort sowohl auf Christianes Drang nach neuen Eindrücken eingegangen wird, wie auch kompromisslos die Welt junger Drogensüchtiger gezeigt wird. Ähnlich ist es bei einer ikonischen Szene, welche auf einem Konzert von David Bowie spielt. Christiane, die großer Bowie-Fan ist, steht dort in der ersten Reihe und sieht gebannt ihrem Idol zu. Auch hier vermengen sich im rauschhaften Konsum die Ebenen der Drogen und der Musik. Die durchgängig gelungene 4K-Restaurierung verleiht dieser Szene knallige Farben, wodurch sie im Ergebnis als visuelles Highlight des Films hervorsticht.
Das Frage nach der Tonalität
Angesichts der Thematik von Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo steht die Frage im Raum, wie man Themen wie Sucht und Prostitution filmisch aufarbeiten sollte. Dreh- und Angelpunkt der Handlung ist dabei Natja Brunckhorst, Darstellerin der Christiane F. Zwar muss man sich an das etwas hölzerne Schauspiel Brunckhorsts gewöhnen, der zum Zeitpunkt der Dreharbeiten erst 13 Jahre alten Schauspielerin gelingt es dennoch, die Firgur durchaus glaubhaft zu verkörpern. Ein größeres Problem gestaltet sich darin, die Zuschauer:innen mit ihr mitfühlen zu lassen. Das Team aus Regisseur Edel und Drehbuchautor Herman Weigel etabliert zwar zu Beginn deren familiäre Situation, auf der ihr Drang in die Realitätsflucht fußt. Viel spannender wäre es jedoch gewesen, genau diese Ebene weiter zu etablieren und etwaige Konflikte mit etwa der Mutter auszuerzählen.
Besonders in der zweiten Hälfte des Films verliert der Film an Intensität und Bindung zum Publikum. Zwar beinhaltet diese spannende Szenen, wie zum Beispiel die Darstellung eines sogenannten „cold turkey“, eines kalten Entzugs. Dennoch zieht sich der Film hier ungemein, sodass selbst diese dramatische Szenen nicht mehr packen können. Völlig überraschend gestaltet sich das Ende des Films. Dieses wird hastig auserzählt und fühlt sich in Anbetracht der zähen zweiten Hälfte an, als hätte man vergessen, dieses im Skript einzubauen. Im Großen und Ganzen kann sich Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo nicht entscheiden, welche Tonalität der Film besitzen soll. Im Vergleich zur misslungenen Serie Wir Kinder vom Bahnhof Zoo aus 2019 ist die Verfilmung vielschichtiger und zeigt auch die dunklen Seiten des Lebens im Drogensumpf. Dennoch erinnert der Film zu oft an eine Aufklärungs-Dokumentation über Drogenmissbrauch aus Schulzeiten als an einen Kinofilm mit packender Handlung.
Was Blu-Ray und DVD noch zu bieten haben
Abseits der oben genannten technischen Aspekte kommt die neue Veröffentlichung von Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo mit wenigen Extras um die Ecke. Neben Archivaufnahmen des Castings befindet sich noch ein halbstündiges Interview mit Hauptdarstellerin Natja Brunckhorst mit auf der Disc. Während die Castingaufnahmen zwar interessant wirken könnten, aufgrund der Tonqualität des Videomitschnitts jedoch unverständlich bleiben, überrascht dieses Interview. Diese lässt ihre Arbeit am Film innerhalb des Interviews Revue passieren, nicht ohne Kritik an sich selbst zu üben.
Generell ist Brunckhorsts Interview ein spannender Einblick in die Produktionsbedingungen des Films. Die Schauspielerin dekonstruiert verschiedene Mythen rund um die Dreharbeiten des Films und verrät einige Effekte, mit denen die Drogensucht Christianes dargestellt wurde. Merkt man sich nun die von ihr genannten Hilfsmittel und sieht bei einigen Szenen genauer hin, so bemerkt man die Kniffe der Make-up Abteilung im Film. Zum Ende des Interviews verliert dieses leider seinen Fokus. Aus einem Gespräch über den Film wird nun eher eine Werbesendung für ihr neues Regieprojekt. Dennoch ist das Interview ein schöner Einblick hinter die Kulissen, auch wenn sich interessierte Zuschauer:innen sicherlich noch etwas mehr Archivmaterial gewünscht hätten.
Unser Fazit zu Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo
Der Umstand, dass die Faszination rund um das Phänomen Christiane F. größer ist, als die Bekanntheit des Films, ist von vornherein ein schwieriger Stand für den Film. Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo, einst großer Skandalfilm, wirkt knapp 40 Jahre nach seiner Veröffentlichung verstaubt, nur selten erkennt man das Diskussionspotential, welches der Film damals besessen haben muss. Die träge Inszenierung Uli Edels kann über weite Teile jedoch von der Ästhetik des Films kompensiert werden, die 4K-Restauration wirkt sehr gelungen. Besonders alte Fans, die den Film ursprünglich im Kino gesehen haben, werden mit dieser Neuauflage ihren Spaß haben. Wer allerdings noch keine Berührungspunkte mit dem deutschen Kino dieser Zeit hatte, wird sich für Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo nur schwer begeistern können.
Unsere Wertung:
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