Ab dem 4. Oktober 2018 ist Cold Skin – Insel der Kreaturen auf Blu-ray, DVD und Digital erhältlich. Wir haben uns die Monsterparabel von Horrorspezialist Xavier Gens vorab angeschaut und verraten euch, was ihr erwarten könnt.
Titel | Cold Skin - Insel der Kreaturen |
Jahr | 2017 |
Land | France |
Regie | Xavier Gens |
Genres | Horror, Fantasy, Drama |
Darsteller | David Oakes, Ray Stevenson, Aura Garrido, Winslow Iwaki, John Benfield, Ben Temple, Iván González, Alejandro Rod, Julien Blaschke, Damián Montesdeoca, Israel Bodero, Roberto Rincón |
Länge | 108 Minuten |
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Inhalt
Der junge Wetteroffizier Friend (David Oakes) wird zu Beginn des ersten Weltkrieges auf einer einsamen Insel abgesetzt, um in den nächsten zwölf Monaten Sturmdaten zu sammeln. Mit ihm auf dem abgelegenen Eiland ist lediglich der verschrobene Leuchtturmwärter Gruner (Ray Stevenson), der jedoch keinerlei Anzeichen macht, eine freundschaftliche Beziehung zu dem Neuankömmling anzustreben. Bereits in der ersten Nacht ereignet sich ein blutiger Angriff geheimnisvoller Wesen aus dem Meer, dem Friend nur knapp entrinnen kann. Er verschanzt sich daraufhin mit Gruner, der eines der Wesen gefangen hält, in dessen Leuchtturm, wo die wiederholten Attacken der Monster schon sehr bald an allen Nerven zehren.
Hintergrund zu Cold Skin – Insel der Kreaturen
Regisseur Xavier Gens dürfte Genrefans vermutlich vor allem durch sein Debütfilm Frontier(s) ein Begriff sein, der 2007 nicht nur in Horrorkreisen aufgrund seiner hohen Brutalität für Aufsehen sorgte und zur Welle des französischen Terrorkinos gezählt wird. Seine ganze Routine kommt dem Franzosen dabei auch in Cold Skin – Insel der Kreaturen zu Gute. Doch anders als die Inhaltsbeschreibung zunächst vermuten lässt, sind es weniger potenzielle Blutfontänen, die der geneigte Zuschauer hier erwarten darf. Vielmehr besticht Cold Skin durch eine atmosphärische Dichte, die Xavier Gens mit seinem Kameramann Daniel Aranyó in kargen und unterkühlten Bildern einzufangen versteht.
Cold Skin – Insel der Kreaturen basiert dabei auf dem Buch Im Rausch der Stille des katalanischen Schriftstellers Albert Sánchez Piñol. Der Autor ist studierter Anthropologe und war vor seinem Erfolg mit La pell freda (so der Originaltitel) vor allem für seinen historischen Roman Der Untergang Barcelonas bekannt, in dem er den Spanischen Erbfolgekrieg des 18. Jahrhunderts und die daraus folgende Stärkung des zentralistischen Staates zu Ungunsten einer katalonischen Autonomie aufarbeitete. Der Hintergrund des Autors ist auch für das Verständnis von Cold Skin – Insel der Kreaturen von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Denn auch hier dürfen wir uns von der Plotbeschreibung nicht in die Irre führen lassen: Cold Skin ist viel mehr als ein einfacher Monsterfilm.
Cold Skin – Insel der Kreaturen: Mehr als ein Horrorfilm
Die zeitliche (und thematische) Verortung ist dabei nicht zufällig gewählt. Das Buch spielt zur Zeit des Irischen Unabhängigkeitskrieges (1919-1921), während die Handlung für die Verfilmung um einige Jahre an den Beginn des ersten Weltkrieges vorverlegt wurde. Der unmittelbare Kriegskontext ist dabei in beiden Medien imminent. Nicht selten spielt Cold Skin – Insel der Kreaturen mit Elementen eines Kriegsfilms und kann geradezu als Parabel verstanden werden. Wenn Friend sich starr vor Schock an sein Gewehr klammert, als er das erste Mal mit Gruner „in den Kampf zieht“, erinnert das folglich bewusst an Szenen aus Der Soldat James Ryan und anderen Genrevertretern. „Die Ruhe zwischen den Schlachten ist oft härter als die Kämpfe selbst“, erzählt der Protagonist später aus dem Off. Ein Satz, der so auch in den Soldatentagebüchern aus den Grabenkämpfen stehen könnte.
Im Fokus stehen dabei existenzielle Frage über die Natur des Menschen und den Sinn des Lebens. „Töten und unterwerfen, das ist die Art der Menschen“, sagt Gruner und gibt die Marschrichtung für den Film vor. Denn schnell beginnen wir uns zu fragen, wer das eigentliche Monster in diesem Film ist.
Horror trifft Anspruch
Doch neben dieser fast schon offensichtlichen Botschaft lassen sich in Cold Skin – Insel der Kreaturen weitere Ansatzpunkte finden. Denn die mysteriösen Amphibienwesen können gleichermaßen als der seelische Ballast interpretiert werden, der uns unerbittlich verfolgt. Sie repräsentieren die inneren Dämonen, mit denen ein Mensch zu ringen hat. Nicht zufällig heißt es zu Beginn des Films, dass ein jeder, der sich freiwillig in dieses abgelegene Ödland versetzen lässt, augenscheinlich vor etwas davonläuft.
Es gibt jedoch verschiedene Wege, sich seinen Dämonen zu stellen. Man kann sich mit ihnen auseinandersetzen, ja, versuchen sie zu verstehen, sodass man letztlich sogar lernen kann, mit ihnen zu leben. Oder aber man verrennt sich dessen ungeachtet in seinem (Selbst)hass und bekämpft die Dämonen unerbittlich, bis dieser Kampf zum einzigen Lebensinhalt wird und man schließlich verbittert eine Symbiose mit ihm eingeht. Und so schließt sich der Kreis zu dem berühmten Nietzsche-Zitat, das zu Beginn des Films eingeblendet wird: „Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehen, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.” (Kaum zu glauben, dass ich kurz nach meinem Review zu Im Tal von Elah erneut das Nietzsche-Zitat verarbeite).
Inszenierung
Die Computereffekte sind mitunter sehr als solche zu erkennen. Doch macht die stimmungsvolle Regie dieses kleine Manko wett. Xavier Gens kann seine Routine im Horrorbereich ausspielen und eine fast schon prosaische Atmosphäre vermitteln. Das Setting auf dem kargen Eiland zu Beginn des ersten Weltkrieges trägt sein Teil dazu bei. Lediglich der Schnitt erscheint bisweilen etwas rätselhaft. So betritt Friend zunächst einigermaßen unversehrt den Leuchtturm, um in der nächsten Szene nach dreitägiger Bewusstlosigkeit aufzuwachen. An anderer Stelle wird eine stimmige Aufnahme durch abrupten Schnitt gestört, weil sogar die musikalische Untermalung mitten im Takt unterbrochen wird. Derartige Schnitte sind dann doch etwas unglücklich.
Das Creature-Design erinnert übrigens nicht zufällig an die Werke eines Guillermo del Toros. Der verantwortliche Künstler bei Cold Skin – Insel der Kreaturen war zuvor nämlich u.a. an Pans Labyrinth beteiligt. Unter der Maske steckt die international bisher eher unbekannte spanische Schauspielerin Aura Garrido, während man für die beiden männlichen Rollen auf zwei erfahrene Briten zurückgriff. David Oakes (Die Säulen der Erde, Die Borgias), bisher vornehmlich im Fernsehen unterwegs, macht seine Sache gut und schnörkellos, wird jedoch zweifelsohne von seinem Leinwandkollegen in den Schatten gestellt. Ray Stevenson (Thor: Tag der Entscheidung, Black Sails), den ich seit ROM immer wieder gerne sehe, spielt den verbitterten alten Leuchtturmwärter mit unnachgiebiger Intensität. Besonders im ohnehin atemberaubenden Schlussdrittel des Films erschüttert Stevenson den Zuschauer mit seiner Darstellung von Verzweiflung und Wahnsinn seines Charakters. Brillant!
Fazit
Cold Skin – Insel der Kreaturen ist ein atmosphärischer Genrefilm von beeindruckender Intensität. Angefüllt mit Elementen eines Kriegsfilms, kreiert Regisseur Xavier Gens aus der Buchvorlage des katalanischen Schriftstellers Albert Sánchez Piñol ein Werk, das über die gewöhnlichen Konventionen eines Monsterfilms hinausgeht. Das eingeblendete Nietzsche-Zitat deutet bereits zu Beginn des Filmes an, wohin die Reise gehen soll. Und wer bereit ist, sich darauf einzulassen, wird eine philosophische Auseinandersetzung über existenzielle Fragen des Menschseins erwarten dürfen. So erleben wir einen Film, der entgegen der bloßen Plotbeschreibung so viel mehr ist als nur ein Horrorstreifen. Ich weiß nicht, ob man Cold Skin – Insel der Kreaturen noch als Geheimtipp bezeichnen darf. Eine Empfehlung für Genrefans ist er jedenfalls allemal!
© Tiberius Film