Nach Der Staat gegen Fritz Bauer zeigt uns Lars Kraume wieder einen historischen Film. In Das schweigende Klassenzimmer wird der Widerstand von der Staatsebene ins Klassenzimmer transportiert.
Titel | Das schweigende Klassenzimmer |
Jahr | 2018 |
Produktionsland | Deutschland |
Regie | Lars Kraume |
Drehbuch | Lars Kraume |
Genre | Drama, Historienfilm |
Darsteller |
Leonard Scheicher, Tom Gramenz, Lena Klenke, Isaiah Michalski, Jonas Dassler, Ronald Zehrfeld, Florian Lukas, Jördis Triebel, Michael Gwisdek, Burghart Klaußner, Max Hopp, Judith Engel, Götz Schubert, Rolf Kanies
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Länge | 111 Minuten |
FSK | Ab 12 Jahren |
Verleih | Studiocanal |
Plot:
Berlin 1956: 2 ostdeutsche Abiturienten schauen sich während ihres Aufenthalts in Westberlin die Wochenschau an und werden Zeuge vom Aufstand in Budapest. Zurück in Ostberlin wenden sie sich an ihre Mitschüler und wollen während des Unterrichts eine Schweigeminute für die Opfer einlegen. Diese Geste wird vom Bildungsministerium als Widerstand gegen die Staatsordnung gewertet und die gesamte Klasse gerät in Bedrängnis.
Kritik:
Der DDR-Staatsapparat und seine Machenschaften wurden schon in vielen deutschen Filmen kritisiert. Das schweigende Klassezimmer zeigt uns eine Jugend, die gegen ein unterdrücktes Regime kämpft, mit deren ihre Eltern und Lehrer jüngst während der NS-Zeit konfrontiert wurden. Der sozialistische Machtwechsel deutet darauf hin, dass sich die Verhältnisse geändert haben. Durch die erneuten Richtlinien, die von den Autoritätspersonen ausgehen, haben wir es jedoch mit einer Wiederkehr von Unterdrückung zu tun. Die Abiturklasse, die wir hier sehen, möchte für sich selbst entscheiden und rebelliert gegen diese Richtlinien. Sie wehren sich allerdings nicht mit Worten.
Durch das Schweigen werden zwar die Regeln nicht gebrochen, aber sie werden gleichzeitig auch nicht angenommen. Diese Art Widerstand zu zeigen ist die interessanteste Sichtweise im Film. Nur bleibt er auch seinen konventionellen Linien typischer DDR-kritischer Filme treu. Das böse Staatsorgan steht nur für Unterdrückung. Es wird nie wirklich ein Kontrast deutlich. Die positive Energie des Gemeinschaftsgefühls wird nicht entwickelt. Die Klasse findet einfach zusammen, weil es die Umstände verlangen. Es fehlt zudem der genaue Einblick, warum die gesamte Klasse sich gegen die Obrigkeit auflehnt.
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Da keine erkennbaren Zukunftsvisionen vorhanden sind, hat es den Anschein, als würden die Schüler ihre Probleme nur mit Abschaffen statt mit Neuorientierung lösen können. Darum ist schwer nachvollziehbar, warum jeder um sein Abitur fürchtet, da niemals geklärt wird, was sie mit ihrem erweiterten Schulabschluss anschließend machen wollen. Durch diese ständige Unzufriedenheit aller Beteiligten wirkt der Film insgesamt etwas einseitig.
Figuren:
Den Charakteren werden simple, klar verständliche Eigenschaften zugeordnet, bieten dennoch genug Entwicklung für weitere Plot-Twists. Kurt (Tom Gramenz) ist die Führungsperson, die der Klasse den nötigen Widerstandswillen vermittelt. Theo (Leonard Scheicher) als bester Freund agiert als Schlichter zwischen den Fronten. Theos Freundin (Lena Klenke) ist entschlossen, selbstbewusst und erkennt ihre Gefühle für den rebellischen Tom. Das daraus resultierende Liebesdreieck ist zwar fehlplatziert, drängt sich aber glücklicherweise nicht zu sehr der Handlung auf. Erik (Jonas Dassler) ist dagegen anfangs der systemtreue Befürworter, durch eine dramatische Wendung ändert sich jedoch seine Sichtweise.
Dieser tragische Umbruch kann durchaus Mitgefühl erzeugen, auch wenn er ein wenig konstruiert daherkommt. Die natürlichste Figur ist jedoch Theos Vater (Ronald Zehrfeld). Die Beziehung zu seinem Sohn, seine Haltung und seine Präsenz sind ambivalent und wirken stets echt. Diese Ambivalenz fehlt beim Schulrat, verkörpert von Burghart Klaußner und Jördis Triebel, leider komplett. Trotz des guten Schauspiels können diese Charaktere durch ihr einfaches, bösartiges Auftreten nicht vollkommen überzeugen.
Form:
Kameratechnisch wirkt der Film wie eine größere Fernsehproduktion. Es gibt kein Bild, das sich wirklich ins Gedächtnis brennt. Die Einstellungen sind dennoch solide und werden sauber ausgeführt. Bei der Beleuchtung gab es jedoch einen zu starken Kontrastwechsel. Dieser wechselte von einer noch warmen, komfortablen Innenraumsituation zu einer kalten, trüben Außenaufnahme, bei der wir die unterdrückten Jugendlichen sehen. Die Gefühlslage wirkt dann wie eine Schwarzweißmalerei in einem Farbfilm. Die Regie weiß dennoch zu überzeugen. Der Film wird gut voran getrieben und es kommt Spannung auf. Ruhige Situationen werden auch aufgebaut, dann in einem plötzlichen Gefühlsausbruch einzelner Charaktere unterbrochen, wodurch spezielle Schockmomente ausgelöst werden. Auch wenn diese ab und an etwas zu dick aufgetragen werden.
Fazit:
Eine wahre Begebenheit, die energiegeladen und mitreißend verfilmt wurde. Es entstehen interessante Ansätze zum Thema Widerstand. Jedoch wird die Staatskritik sehr einseitig dargestellt und die guten Ideen bleiben zu konventionell. Der Cast agiert überzeugend, trotz einiger überzogener Momente. Es bleibt ein gewöhnlicher deutscher Historienfilm, der nicht viel falsch macht, aber auch nicht groß weiterdenkt.
©Studiocanal