Die viel gefragte Schauspielerin Florence Pugh hat zwischen Marvel-Projekten und Dune 2 noch genug Zeit für einen kleinen Historienfilm bei Netflix? Dann muss Das Wunder aber auch was können. Oder?
Titel | Das Wunder |
Jahr | 2022 |
Land | Ireland |
Regie | Sebastián Lelio |
Genres | Drama, Mystery |
Darsteller | Florence Pugh, Kíla Lord Cassidy, Tom Burke, Niamh Algar, Elaine Cassidy, Ruth Bradley, Toby Jones, Ciarán Hinds, Dermot Crowley, Caolan Byrne, Brían F. O'Byrne, Josie Walker, David Wilmot, Stephen Ball, Mary Murray, Niamh Finlay, John Burke, Emer Casey, Graeme Coughlan, Abigail Coburn, Ava May Taylor, Janet Grene, David Maine |
Länge | 108 Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Netflix, Netflix basic with Ads |
Das Wunder – Die Handlungsangabe
Die englische Nightingale-Krankenschwester Lib Wright (Florence Pugh) wird 1862, 13 Jahre nach der großen Hungersnot, von einer gläubigen Gemeinde in die irischen Midlands gerufen, um eine 15-tägige Untersuchung einer der ihren durchzuführen. Die elfjährige Anna O’Donnell (Kíla Lord Cassidy) behauptet, seit vier Monaten nichts gegessen und sich nur von „himmlischem Manna“ ernährt zu haben. Als sich Annas Gesundheit rapide verschlechtert, ist Lib entschlossen, die Wahrheit herauszufinden, und hinterfragt damit die Frömmigkeit der Gemeinde, die lieber an ihrem Glauben festhalten möchte.
Pugh in der Glaubenskrise
Nachdem Das Wunder mit einer Einführung, die in bester Brecht-Manier in den Räumen eines Filmstudios stattfindet, gleich zu Beginn verdeutlicht wird, dass diese Erzählung von Überirdischem Produkt der Unterhaltungsindustrie ist, geht es begleitet von sphärischen Klängen zurück ins Irland des 19. Jahrhunderts. Florence Pugh ist dabei so etwas wie die Stellvertreterin für den Zuschauer, denn gemeinsam mit ihr wird man in das Dorf gebracht, wo sich das titelgebende Wunder abspielen soll. Sie trifft in der entlegenen Gegend auf eine eingeschworene und von religiösen Werten zutiefst geprägten Gemeinschaft. Das erinnert sehr an die Apple-TV-Serie Die Schlange von Essex. Nicht nur zeithistorisch und logistisch, sondern vor allem auch tonal und inhaltlich. Eine weitere Geschichte vom Konflikt „Glauben versus Wissenschaft“.
Trotz der Tatsache, dass man Pugh inzwischen sehr mit großen Hollywood-Projekten in Verbindung bringt, überstrahlt sie mit ihrer Präsenz hier nicht den Rest der Produktion. Sie ordnet sich dem kleinen, aber für die Menschen damals doch essentiellen Konflikt unter, spielt erneut stark und überzeugend in den ruhigen Momenten. Zweifelsohne ist sie aber hier nicht nur die Protagonistin, sondern auch der Name im Cast, der die Abonnenten zum Zuschauen bewegen soll, die aufgrund des Settings und des religiösen Themenkomplexes sich sonst so einem Werk verschließen würden. Nichtsdestotrotz dürfen die Mitspielenden nicht unter den Teppich gekehrt werden. Insbesondere die junge Kíla Lord Cassidy, die hier personifiziert den fanatischen Teil des Glaubens abbildet, wird zu einem würdigen Konterpart Pughs.
Kostümdrama in beschaulichem Idyll
Das Wunder ist ein kleiner Film, der bei Netflix im Gros der primär der Unterhaltung dienenden Produktionen womöglich unterzugehen droht. Vermutlich wäre dieses Werk bei der Konkurrenz von Apple besser aufgehoben. Daher muss man aber den Streamingdienst für den Mut immer mal wieder solchen vermeintlich sperrigen und nischigen Geschichten eine ungleich größere Plattform zu bieten. Auf inszenatorischer wie technischer Ebene ist das Werk des Oscarpreisträgers Lelio über jeden Zweifel erhaben. Die Dialoge sind exzellent geschrieben, doch der Regisseur weiß insbesondere, wie viel Kraft bei solchen Filmen in der Ruhe liegt. Dadurch manifestiert sich doch ein hoher Grad an Spannung, worin dieses Historiendrama dem angesprochenen Apple-Pendant schon einmal einen Schritt voraus ist.
Die Geschichte handelt auch von einem Mysterium. Es gibt dementsprechend Mystery-, ja sogar Thriller-Elemente, die weder deplatziert noch überraschend kommen. Alles ist perfekt orchestriert. Es wirkt fast wie eine bloße Fingerübung Lelios, aber aus dieser Geschichte soviel an Wucht und unterschwelliger Atmosphäre herauszuholen ist genau die Stärke des Filmemachers. Der Film erreicht nicht ganz die Mehrdimensionalität eines Porträt einer jungen Frau in Flammen. Doch Fans dieses modernen Meisterstücks werden sich in der Idylle Irlands ebenso verlieren und die authentischen Gewänder und die Ausstattung zu schätzen wissen.
Unser Fazit zu Das Wunder
Das Wunder stellt große Fragen des Glaubens im kleinen Rahmen. Die Spannung kommt nicht zu kurz und Florence Pugh führt die Riege namhafter Darsteller mit Bravour an. Mit Sicherheit wird nur ein Bruchteil der Netflix-Kunden überhaupt von dieser Produktion Kenntnis nehmen. Die, die jedoch dem neuen Film von Sebastián Lelio ihre Aufmerksamkeit für zwei Stunden schenken, werden es nicht bereuen. Das historische Drama regt zudem auch zum Nachdenken an und hat dadurch – trotz der zeitlichen und räumlichen Platzierung – einige Aussagen, die man auch im Hier und Heute in Debatten regelmäßig antrifft. Kein Film für Zwischendurch und den leichten Filmabend mit Freunden, aber genau der richtige, wenn man nun in der kalten Jahreszeit sich mal etwas tiefer mit einem Streamingtitel auseinander setzen will.
Das Wunder ist seit dem 16. November bei Netflix abrufbar!
All unsere Reviews und auch viele andere Videos findest du auch auf unserem YouTube-Kanal.
Unsere Wertung:
© Netflix