Das Kurzfilmdebüt der Schauspielerin und Drehbuchautorin Nele Mueller-Stöfen erhielt von der Deutschen Film- und Medienbewertung das Prädikat „besonders wertvoll“. Verdient ihr erster Langfilm Delicious auch eine Auszeichnung?
Titel | Delicious |
Jahr | 2025 |
Land | Germany |
Regie | Nele Mueller-Stöfen |
Genres | Thriller, Drama |
Darsteller | Valerie Pachner, Fahri Yardım, Carla Díaz, Naila Schuberth, Caspar Hoffmann, Julien de Saint Jean, Sina Martens, Johann von Bülow, Nina Zem, Miveck Packa, Tom Rey, Melodie Casta, Joep Paddenburg, Eric Pessey, Thierry Paul, Hugues Cristianini, Laurent Perez, Leslie Granger, Julien Breda, Glenn Marausse, Numa Grimal |
Länge | 102 Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Netflix, Netflix basic with Ads |
Die Inhaltsangabe von Delicious
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Ein Holzhammer für Madame
Popkultur eignet sich hervorragend, um soziale Missstände einem breiten Publikum vor Augen zu führen. The Substance hat im letzten Jahr eindrücklich bewiesen, dass man dabei nicht subtil vorgehen muss. Manche Aussagen müssen laut und deutlich kommuniziert werden – selbst auf die Gefahr hin, dass die Adressaten sie trotzdem überhören. Delicious zeigt dieses Jahr, wie man dabei den Bogen überspannt.
Gleich zu Beginn liefern sich streikende Arbeiter:innen und die Polizei eine Straßenschlacht, bei der die Limousine einer wohlhabenden Familie überrannt wird. Na, habt ihr die Anspielung verstanden? Falls nicht, keine Sorge – die Aussage wird im Laufe der Handlung nicht nur konkretisiert, sondern auch mehrfach wiederholt. Um ihren Standpunkt zu verdeutlichen, nutzt Autorenfilmerin Nele Mueller-Stöfen Dialoge, Analogien und Bilder, die direkt aus dem Sozialkunde-Buch der sechsten Klasse entnommen und stark vereinfacht wurden: Es gibt nur die dekadente Oberschicht und die armen, ausgebeuteten Arbeitnehmer:innen. Graustufen oder die komplexen Zusammenhänge eines Wirtschaftssystems bleiben ebenso außen vor wie die Kritik an der Mittelschicht. Theodora und ihre Freunde versichern der Zuschauerschaft ausdrücklich, dass sich ihr Hass ausschließlich gegen Millionäre richtet. Mueller-Stöfen möchte sich und den meisten Netflix-Abonnent:innen wohl nicht den Spiegel vorhalten. Die Hand, die einen füttert, soll man eben nicht beißen.
Den Braten riecht man von Weitem
Zur endgültigen Visualisierung des mehrfach Erwähnten, scheut das Drehbuch nicht vor einer unfreiwillig komischen Wendung im letzten Akt zurück, die sich durch zahlreiche unübersehbare Hinleitungen früh ankündigt und auf ein berühmtes Zitat der Antikapitalismus-Bewegung anspielt. Da dieses Zitat auch zur Zeit der Französischen Revolution populär war, spielt die Handlung in Frankreich während einer modernen Arbeiterrevolte – da kam sich wohl jemand sehr clever vor.
Wer den „zart angedeuteten“ politischen Unterton bis dahin immer noch nicht aufgeschnappt hat oder zwischendurch eingeschlafen ist, bekommt selbst am Ende der Misere noch eine letzte Chance auf den Lernerfolg – es wird wirklich niemand zurückgelassen. Auch die Promotion wiederholt das Mantra gebetsmühlenartig und Hauptdarsteller Fahri Yardim betont in Interviews, dass er nun seinen Beitrag gegen soziale Ungerechtigkeit leisten will – hoffentlich nicht aus Angst vor den im Klimax gezeigten Konsequenzen. Die simple und stark vereinfachte Botschaft wäre allerdings nur halb so schlimm, wenn sie wenigstens unterhaltsam verpackt wäre.
Ein Parasit spielt lustig auf der Triangel …
Die Story weist deutliche Parallelen zu Parasite, Funny Games und Triangle of Sadness auf. Doch anders als diese Vorbilder verlässt sich Delicious zu sehr auf die erhoffte Wirkung seines kuriosen Finales und verzichtet auf eine stetig wachsende Eskalation. Stattdessen bekommt man ein schön gefilmtes, aber ereignisloses Urlaubsvideo, das von den üblichen Familienkonflikten, einem Smartphone-Diebstahl und der demonstrativen Weigerung, ein Getränk einzuschenken, unterbrochen wird. Um dem Ganzen wenigstens einen Anflug von Thrill zu verleihen, werden die Szenen mit unheilvoller Musik unterlegt und Carla Díaz als Theodora muss durchgehend verschwörerisch in die Kamera blicken, um uns an ihren finsteren Plan zu erinnern.
… die immer gleiche Leier
Auf dem Weg zum Ziel wird jedes noch so abgedroschene Rollenklischee mitgenommen. Die Dame des Hauses ist eine erfolgreiche Unternehmerin, die nicht abschalten kann und sich nach Unbeschwertheit sehnt. Der Herr des Hauses kann mit dem Erfolg seiner Frau nicht mithalten, fühlt sich in der Ehe entfremdet und sucht Trost in einer Affäre. Natürlich haben beide auch die Bindung zu ihren Kindern verloren. Valerie Pachner (Phantastische Tierwesen: Dumbledores Geheimnisse) und Fahri Yardim (Jerks, Tatort) spielen ihre reizlosen Rollen mit der gebotenen Unlust. Angesichts ihrer Darstellungen entsteht der Eindruck, dass ihnen der Drehort viel wichtiger war als das Drehbuch. Kein Wunder, denn ihre unpassende Charakterentwicklung ist ein misslungener Versuch, der Geschichte einen Hauch von Logik zu verleihen. Dem Publikum wird suggeriert, dass ein einziger Satz oder eine minimale Geste von einer Fremden genügt, um ein ganzes Familiengefüge ins Wanken zu bringen. Am Ende wird auch nicht deutlich, warum Theodora überhaupt so einen Aufwand betreibt, um ihr eigentliches Ziel zu erreichen.
Während der gesamten Laufzeit, bleibt kein Raum für Interpretationen. Das Drehbuch und die Inszenierung sorgen dafür, dass alle dem einfachen Verlauf folgen können – sei es durch Nahaufnahmen markanter Details, übertriebenen Gesten, plumpen Dialogen oder der ständigen Wiederholung wichtiger Plot-Details. Wahrscheinlich nahm Mueller-Stöfen an, dass niemand diesem Unsinn die volle Aufmerksamkeit schenken würde.
Unser Fazit zu Delicious
Die Sängerin Tracy Chapman prophezeite einst in ihrem Lied Talkin’ Bout a Revolution, dass die Armen sich auflehnen und ihren Anteil beanspruchen werden. Chapman benötigte nur eine Gitarre und drei Minuten, um die Botschaft auf den Punkt zu bringen. Delicious hingegen mischt den gleichen Kerngedanken in eine umständliche und unlogische Geschichte, würzt sie mit vielen Klischees, lässt alles zu lange garen und serviert den Hauptgang mit einem Twist, der die plakative Aussage nochmals aufkocht. Das Ergebnis ist nicht delikat, sondern ungenießbar.
Delicious ist seit dem 7. März 2025 auf Netflix zu sehen.
Unsere Wertung:
© Netflix