Der Junge, der den Wind einfing ist das Regiedebüt des Oscar-Nominierten Chiwetel Ejiofor und beruht auf einer wahren Geschichte. Ob es diesem vielschichtigen Filmdrama gelungen ist, nicht nur den Wind, sondern auch die Zuschauer einzufangen, erfahrt im Folgenden!
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Titel | Der Junge, der den Wind einfing |
Jahr | 2019 |
Land | Malawi |
Regie | Chiwetel Ejiofor |
Genres | Drama, Historie |
Darsteller | Maxwell Simba, Chiwetel Ejiofor, Aïssa Maïga, Lily Banda, Joseph Marcell, Lemogang Tsipa, Philbert Falakeza, Noma Dumezweni, Khalani Makunje, Robert Agengo, Felix Lemburgo, Raymond Ofula, Rophium Banda, Kelvin Maxwell Ngoma, Edwin Chonde, Fiskan Makawa, Beatus Ble Msamange, Trevor Dominic, Truth Dominic, Rashid Tambala, Latifa Tambala, Fredrick Lukhere, Hestingzi Phiri, Samson Kambalu, Martin Githinji, Melvin Alusa, Amos Chimpokoser, Kelvin Chimpokoser, Eddie Mbugua, George Misinde, Hope Chisano, Aaron Mhone, Noel Mkubwi, James Mhone, Bruno Chitsulo, Hilde Phiri, Lomuthi Jere, Ian Chisekula, Owen Chikanken, Gospel Thawale, Edward Khomamphero, Rodgers Wagawa, Grace Msiska |
Länge | 113 Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Netflix, Netflix basic with Ads |
Geschick und Einfallsreichtum: Die Handlung von Der Junge, der den Wind einfing
William Kamkwamba (Maxwell Simba) ist ein 13-jähriger Junge, der mit seiner Familie in einem kleinen Dorf in Malawi lebt. Er hilft seinen Eltern bei der Landarbeit, verdient sich nebenbei einen geringen Obolus mit der Reparatur von technischen Geräten und geht seit kurzer Zeit in die Schule im Nachbarort. Dort muss er sich zunächst in die Themen einarbeiten, findet jedoch bereits großen Gefallen an technischen und mechanischen Prozessen. Allerdings muss er bald darauf die Schule wieder verlassen, da sein Vater Trywell (Chiwetel Ejiofor) nicht in der Lage ist, die verlangten Gebühren zu zahlen.
Währenddessen haben starke Regengüsse dafür Sorge getragen, dass die Ernte schlecht ausgefallen ist. Eine drohende Hungerkrise steht an der Türschwelle des Landes und die Regierung scheint in Ohnmacht verfallen zu sein. Um den Anbau effizienter zu gestalten, arbeitet William an einer Windmühle, mit deren Hilfe er sich den Wind zu nutze machen möchte. Eine Pumpe von einem Schrottplatz und ein Dynamo, dessen Funktion Williams Plan befeuert hat, sollen dafür sorgen, dass die Bewässerung der Felder ohne menschliches Zutun gelingt. Doch Williams Vater hat Einwände gegen dieses Vorhaben. Tradition und Existenzängste scheinen den Fortschritt im Keim zu ersticken…
Die wahre Geschichte von William und dem Wind
William Kamkwamba stammt aus dem Dorf Masitala in Malawi. Dort machte er 2001 auf sich aufmerksam, indem er eine Windmühle aus natürlichem Material, Gegenständen vom Schrottplatz und Teilen eines Fahrrads baute. Aufgrund der Zahlungsunfähigkeit seines Vaters durfte er nicht weiter zur Schule gehen. Stattdessen nutzte der die Schulbibliothek, um sich selbst Wissen anzueignen.
Nachdem er das Dorf mit seiner Windmühle vor dem Hungertod gerettet hatte, machte er sich auf den Weg, um in Malawi und anschließend in Südafrika zu studieren. Seinen Abschluss erhielt er im Fach „Environmental Studies“ am Dartmouth College in den Vereinigten Staaten von Amerika. Er kehrte nach Malawi zurück, um noch weitere Windmühlen in mehreren Dörfern im ganzen Land zu bauen und die dortigen Familien zu unterstützen. Zudem schrieb er 2010 zusammen mit dem Journalisten Bryan Mealer das Buch „The Boy Who Harnessed the Wind“, welches letztendlich als Vorlage für den Film diente.
Das Debüt wartet
Als Chiwetel Ejiofor von dem noch jungen Lebenswerk von William Kamkwamba erfahren hatte, entschied er sich, diese Geschichte zu verfilmen und hiermit sein Regiedebüt zu geben. Abseits des Potenzials, welches die Handlung des Buches versprach, sah Ejiofor vor allem in dessen visuellen Aspekten cineastische Möglichkeiten. Die Landschaften Afrikas und die Lebensweise der Dorfgemeinden bargen für ihn die Möglichkeit, dem Zuschauer eine impressionistische Sichtweise auf einen Kontinent und seine Bewohner zu geben.
Eine Familiengeschichte mit vielen Extras
In Der Junge, der den Wind einfing geht es vor allem um die Familie Kamkwamba. Der Film ist vordergründig eine Familiengeschichte, die von dem Leben einer afrikanischen Dorfgemeinde erzählt. Die Handlung von Der Junge, der den Wind einfing ist dabei tiefgründiger und vielschichtiger als man im ersten Moment glauben mag. Denn um das Handeln der Familie zu verstehen, muss man die Umstände erkennen, in die deren Leben eingebettet ist.
Ein Konflikt der Generationen
William möchte seinem Vater Trywell helfen, indem er eine Windmühle baut. Diese soll das Wasser aus der Erde an die Oberfläche pumpen und auf diese Weise die Felder bewässern. Alles, was William dazu benötigt, ist das Fahrrad seines Vaters. Es gelingt ihm auch beinahe, ihn mit einem kleinen Modell von der Idee der Windenergie zu überzeugen. Doch Trywell sträubt sich dagegen. Solche Spielereien würden der eigentlichen Arbeit im Wege stehen und die verlorene Zeit sei ein sicheres Todesurteil.
Der Junge, der den Wind einfing weist daraufhin, welche Bedeutung Familie in einem afrikanischen Dorf haben kann und wie wichtig der Zusammenhalt im Sinne des Überlebens ist. Der Alltag wird von Tradition beherrscht; so schreitet Trywell unermüdlich zur Tat, wie es bereits sein Vater vor ihm getan hat, um seine Familie in Notsituationen zu helfen. Nichtsdestotrotz möchte er seinem Sohn eine Ausbildung schenken, um ihm dahingehend ein besseres Leben zu ermöglichen. Ein womöglicher Mangel an Bildung und das Wahren von Traditionen sind letztendlich die Auslöser des väterlichen Missfallens gegenüber dem Vorhaben des Sohnes. Fortschritt und Vertrauen gehen Hand in Hand und können nur in einem Einverständnis der Generationen erfolgreich sein.
Auch Williams Mutter Agnes und seine Schwester Annie sind geprägt von bestimmten Werten. Agnes möchte ihrer Tochter ein Studium ermöglichen, damit Annie es eines Tages besser hat als sie selbst. Sie soll eine unabhängige, gebildete Frau werden. Doch Annie findet sich selbst in einer ausweglosen Situation wieder, da ihr in jenen Notzeiten die Wege versperrt bleiben. Agnes ist letztendlich diejenige, die Trywell davon überzeugt, ihrem Sohn zu vertrauen.
Die politische Ohnmacht eines Landes
In Der Junge, der den Wind einfing spielt die Regierung Malawis eine zentrale Rolle. Nachdem sintflutartige Regengüsse den Großteil der Ernten der Landbevölkerung fortgespült haben, steigen die Preise für Nahrungsmittel aufgrund der Knappheit. Da sich die Regierung mitten in einem Wahlkampf befindet, wird jegliche Hungersnot verneint und die Rezession totgeschwiegen. Als der Stammesälteste Chief Wimbe (Joseph Marcell) auf einer politischen Kundgebung im Rahmen des Wahlkampfes auf die Missstände aufmerksam macht, wird er gewaltsam zum Schweigen gebracht.
Der Junge, der den Wind einfing zeigt auf eine cineastisch-künstlerische Weise, wie die Bevölkerung eines Landes unter politischen Machtkämpfen zu leiden hat. Die Menschen sind von den landwirtschaftlichen Erzeugnissen abhängig. Ein Verneinen der aufkommenden Nöte der Landbevölkerung zeugt von der Inkompetenz der Führungsriege. Diese ist zu Zeiten eines Wahlkampfes lediglich darauf bedacht, ihre eigene Macht zu sichern und nach außen hin ein souveränes Bild vorzuzeigen. Wenn die Preise für Lebensmittel steigen, dann können sich eben nur noch diejenigen Nahrung kaufen, die das entsprechende Kleingeld besitzen. Jene politische Selektion thematisiert Der Junge, der den Wind einfing auf eine eindrucksvolle Weise. Spätestens in den Szenen, in denen eine Nahrungsverteilung zu dörflicher Anarchie führt, wird dem Zuschauer bewusst, wie ein Land unter der Ohnmacht und dem Desinteresse einer politischen Führung zu leiden hat.
Ein klimatisches Leiden
In Der Junge, der den Wind einfing hat Familie Kamkwamba mit der meteorologischen Wandelbarkeit des Wetters im 21. Jahrhunderts zu kämpfen. Eine drohende Sturmfront lässt Trywells Sorgen wachsen, da die Ernte eines ganzen Jahres somit in Gefahr gerät. Letztendlich soll sich die Wettervorhersage bewahrheiten und einen gesamten Landstrich an die Grenze zur Hungersnot treiben.
Der Film präsentiert auf eindrucksvolle Weise und mit einprägsamen Bildern die Auswirkungen des klimatischen Wandels unserer Zeit. Wetterumschwünge und meteorologisch-irreguläres Verhalten können für Menschen in agrarwirtschaftlichen Landstrichen über Leben und Tod entscheiden. Der Junge, der den Wind einfing führt dem Zuschauer vor Augen, welche Auswirkungen unvorhergesehene Regengüsse haben und dass das Ignorieren dieser bzw. deren Auswirkungen zu erheblichen Problemen führen können. Mit natürlicher Tradition allein kann dem Klimawandel kein Einhalt geboten werden. Es bedarf innovativer Ideen, und seien sie so vermeintlich simpel wie eine Windmühle…
Schauspielerischer Glanz in den Weiten Afrikas
Neben den Botschaften, die der Film anspricht und nachhaltig vermittelt, sind vor allem die schauspielerischen Leistungen hervorzuheben. Allen voran Chiwetel Ejiofor und Aïssa Maïga glänzen und überzeugen als Trywell und Agnes Kamkwamba auf ganzer Länge. Die Emotionalität und Authentizität sorgender Eltern, die die beiden routinierten Schauspieler an den Tag legen, fesselt den Zuschauer an die Leinwand. Doch auch die Jung-Stars Maxwell Simba, Lily Banda und Philbert Falakeza als William Kamkwamba, dessen Schwester Annie und sein Freund Gilbert Wimbe können einen erwähnenswerten Einstand leisten. Allesamt sind sie unbeschriebene Blätter der Schauspielwelt, die ihren Rollen Leben einhauchen und der Gemeinschaft einen liebenswerten, filmischen Anstrich verpassen. Auch der restliche Cast um Lemogang Tsipa als Williams Lehrer und Joseph Marcell, der vielen aus The Fresh Prince of Bel-Air in Erinnerung geblieben sein wird, als Chief Wimbe spielen ihre Rollen, ohne das Schauspiel durch Unvermögen zu unterbrechen.
Das Ende einer Krise: Mein Fazit zu Der Junge, der den Wind einfing
Der Junge, der den Wind einfing ist das rundum gelungene Regiedebüt von Chiwetel Ejiofor. In der Machart hat der Film noch einige wenige Möglichkeiten zur Verbesserung. So könnten Ton und Bild noch stimmiger miteinander harmonisieren. Doch letztendlich ist es das Drehbuch und die schauspielerische Erzählung, die dem Zuschauer im Gedächtnis bleiben. Der Film lebt davon, wie die verschiedenen Dimensionen ineinander übergehen und handlungstechnisch voneinander zehren. Individuelle, politische und globale Begebenheiten bedingen sich gegenseitig und scheinen in natürlicher Symbiose zu existieren.
Der Junge, der den Wind einfing ist ein sehr bewegender Film, der rührselig bis zum Ende bleibt und den Zuschauer an den Rand der Tränen bringt. Dabei erscheint Ejiofors Werk in keiner Minute übertrieben dramatisch oder gekünstelt. Die Dramaturgie ist wohl durchdacht und drehbuchtechnisch ein gutes Beispiel, wie man eine wahre Geschichte überzeugend adaptieren kann. Der Junge, der den Wind einfing ist ein Film, der jedem ans Herz gelegt sei, der sich für gegenwärtige Problematiken interessiert und/ oder Vergnügen an cineastischen Musterbeispielen hat. Ein Film, der im kleinen Rahmen als Meisterwerk anzusehen sein kann und dessen metahorizontale Vielschichtigkeit noch lange nachhallen wird…
Der Film ist ab dem 01. März 2019 auf Netflix verfügbar!
Unsere Wertung:
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