In Der Rausch wollen vier Lehrer herausfinden, ob sie unter Alkoholeinfluss leistungsfähiger sind und besser unterrichten können. Was nach lockerleichtem Klamauk klingt, entpuppt sich in Thomas Vinterbergs neuestem Film als deutlich mehr.
Titel | Der Rausch |
Jahr | 2020 |
Land | Denmark |
Regie | Thomas Vinterberg |
Genres | Komödie, Drama |
Darsteller | Mads Mikkelsen, Thomas Bo Larsen, Magnus Millang, Lars Ranthe, Maria Bonnevie, Helene Reingaard Neumann, Susse Wold, Magnus Sjørup, Silas Cornelius Van, Albert Rudbeck Lindhardt, Martin Greis, Frederik Winther Rasmussen, Aksel Vedsegaard, Aya Grann, Gustav Sigurth Jeppesen, Freja Bella Lindahl, Mercedes Claro Schelin, Cassius A. Browning, Maria Ovi, Clara Phillipson, Oskar Kirk Damsgaard, Niels Jørgensen, Le Münster Swendsen, Michael Asmussen, Christina Hildebrandt, Thomas Guldberg Madsen, Per Otto Bersang Rasmussen, Dorte Højsted, Morten Jørgensen, Morten Thunbo, Max Kaysen Høyrup, Waldemar Beer Hansen, Matti Rochler, Milas Hansen, Carl David Schubert Holm-Nielsen, Jens Basse Dam, Jacob Ottensten |
Länge | 117 Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: MagentaTV Kaufen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, maxdome Store, Videobuster, MagentaTV, Microsoft Store, Yorck on Demand, Videoload, Verleihshop Leihen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, maxdome Store, Videobuster, MagentaTV, Microsoft Store, Kino on Demand, Yorck on Demand, Videoload, Verleihshop, Freenet meinVOD |
Die Handlung von Der Rausch
Der norwegische Psychiater und Professor Finn Skårderud ist der Meinung, dass der Mensch mit 0,5 Promille Blutalkohol zu wenig geboren wird. Wer regelmäßig trinkt, ist dadurch tendenziell kreativer, mutiger und leistungsfähiger. Der wenig motivierte Lehrer Martin (Mads Mikkelsen) möchte dieser Theorie mit seinen drei befreundeten Kollegen nachgehen, um sein eigenes Leben anzukurbeln. Denn weder seine Ehe mit Anika noch sein Unterricht der Geschichtsklasse laufen wirklich rund. Als die Eltern seiner Schüler Sturm laufen, weil sie fürchten, dass ihre Sprösslinge den Abschluss nicht schaffen, muss Martin handeln.
Zusammen mit dem Sportlehrer Tommy (Thomas Bo Larsen), dem Musiklehrer Peter (Lars Ranthe) und dem Psychologielehrer Nikolaj (Magnus Millang) beginnt er morgens vor der Arbeit, Alkohol zu trinken. Mit 0,5 Promille mehr erscheinen die Ergebnisse aller Beteiligten durchaus positiv. Der Unterricht wird abwechslungsreicher, erfolgreicher und beliebter bei allen Schülern. Angetrieben von ihren Erfolgen geht die Clique weiter und steigert den Alkoholkonsum mit brisanten Auswirkungen auf das private und berufliche Leben…
Dänische Extraklasse – Thomas Vinterberg & Mads Mikkelsen
Lang, lang ist es mittlerweile her, dass Lars von Trier und sein dänischer Landsmann Thomas Vinterberg die Dogma-95-Bewegung begründeten und dieses künstlerische Manifest in Filmen wie Idioten und Das Fest praktisch umsetzten. Gut 25 Jahre später gehört nicht nur von Trier, sondern auch Vinterberg zu den berühmtesten Filmemachern Dänemarks, die auch in Übersee Fuß gefasst haben. Ein besonderes Highlight stellt Vinterbergs Die Jagd von 2012 dar, der für den Auslands-Oscar nominiert wurde und neben seiner wichtigen Botschaft auch eine beeindruckende Performance von Mads Mikkelsen zu bieten hatte. Eben jener hat sich seit Casino Royale als das internationale Aushängeschild Dänemarks für Schauspielkunst etabliert. In Der Rausch kommen diese zwei renommierten Dänen erneut vor und hinter der Kamera zusammen.
Wieder zeigte sich die US-amerikanische Academy of Motion Picture Arts and Sciences angetan. Sie verlieh Vinterbergs zwölftem Langspieler den Oscar für den besten internationalen Film, zusammen mit einer Nominierung für die beste Regie. Wenig überraschend performt auch Mikkelsen stark in seiner Hauptrolle als Lehrer Martin. Dieser scheint sich über die Jahre immer mehr in sich selbst zurückgezogen zu haben, worunter sowohl sein Beruf als auch seine Ehe leiden. Dabei dauert es allerdings einige Minuten, bis Mikkelsen sozusagen hinter seiner Figur unsichtbar wird und ihr mit seiner enormen Schauspielklasse eine berührende Tragik einhaucht. Zu groß scheint erst einmal Mikkelsens Star-Appeal mit seinem schneidenden Blick, um in ihm den reichlich eingeschlafenen, kaum wirklich am Leben teilnehmenden Normalo Martin zu sehen.
Daneben glänzen vor allem die drei Darsteller Thomas Bo Larsen, Magnus Millang und Lars Ranthe, die das Freundes-Quartett komplettieren. Dass fast alle am Film beteiligten Personen langjährige Wegbegleiter Vinterbergs sind, glaubt man sofort. Der Rausch ist handwerklich ein Genuss. Alleine, weil der Regisseur das eigentlich so alltägliche Geschehen in bestechend schönen Bildern präsentiert.
Auf den Alkohol! Die Lösung…
In der irischen Horrorkomödie Grabbers landen seltsame Tentakelwesen auf der Erde, um deren Bewohner zu verspeisen. Die Lösung? Jede Menge Alkohol, denn die Aliens reagieren allergisch auf Alkohol im Blut ihrer Opfer. Ähnlich klamaukig klingt zunächst die Prämisse von Der Rausch, die reale Grundlage schlägt aber in eine andere Richtung. Denn in keinem anderen Land Europas trinken Jugendliche so viel Alkohol wie in Dänemark. Dass Vinterberg, der auch am Drehbuch mitschrieb, die ausschweifende Trinkkultur seines Heimatlandes einmal genauer unter die Lupe nimmt, ist also naheliegend. Zumal ihn seine Tochter Ida, deren Tod den Film überschattete, zusätzlich darauf aufmerksam machte.
Dabei wird das Trinken in Der Rausch zunächst als halbwegs ernsthaftes Selbstexperiment der vier Lehrer dargestellt: Steigert ein Alkoholwert von 0,5 Promille die soziale Leistungsfähigkeit, ohne dabei Körper und Geist zu sehr zu beeinträchtigen? Parallel kann jeder Zuschauer die Gelegenheit nutzen, seine eigenen Erfahrungen mit Alkohol zu reflektieren. Eine gelöste Zunge und mehr Mut, sich etwas zutrauen, können positive Auswirkungen sein, die auch der Film dementsprechend darstellt. Während Musiklehrer Peter sich endlich traut, den Gesang seiner Schüler durch harsche, aber konstruktive Kritik zu verbessern, macht Sportlehrer Tommy einen Außenseiter zum Leistungsträger seiner Fußballmannschaft. Auch Martin schafft es, seine Geschichtsstunden deutlich unterhaltsamer und vor allem verständlicher für seine Klasse zu gestalten.
In dieser Phase des Films scheinen Nikolaj, Tommy, Peter und Martin ihre individuell geprägte Form von Midlife-Crisis zu überwinden. Doch wenig überraschend steuert Vinterberg seine gesitteten Protagonisten nach einer Feel-Good-Phase ins Drama, was reichlich schematisch wirkt. Wenn die Freunde plötzlich das Trinken bis zum absoluten Limit als neues Experiment ausrufen, ist dem Zuschauer das Ergebnis sonnenklar. Genauso klar sollte es diesen erwachsenen Männern um die 40 sein, die schließlich keine Teenager mehr sind und ihre ersten Erfahrungen mit Bier und Schnaps machen.
…und die Ursache sämtlicher Lebensprobleme
So führt Der Rausch den Alkoholkonsum formelhaft wie zwei Seiten einer Medaille vor Augen. Wer regelmäßig und gewissermaßen aus den falschen Gründen Alkohol trinkt, der manövriert sich unweigerlich Richtung Abgrund. So gelangen die Freunde um Martin beispielsweise zur peinigenden Selbsterkenntnis, dass die eigene Ehe seit längerer Zeit schon vorbei ist oder sich das einsame Singledasein sehr wahrscheinlich nicht mehr ändern wird. Im Fall von Nikolaj ist das rauschhafte Trinken ein Ausbruch aus den Pflichten eines zweifachen Vaters. Komödiantisch darf sich Nikolaj darüber aufregen, dass sein Sohn ins Bett macht, ehe der Papa es ihm im volltrunkenen Zustand gleichtut.
Neben dieser sozusagen moralischen Pflichterfüllung, das Trinken auch mit seinen Schattenseiten darzustellen, stimmt Der Rausch allerdings insgesamt einen lebensbejahenden Ton an. So lebensbejahend, dass jeder Zuschauer für sich selbst entscheiden sollte, ob er das Thema Alkohol hier angemessen dargestellt findet. Wenn der Musiklehrer Peter einem seiner Schüler eine Flasche Schnaps zuschustert und dieser dadurch seine Prüfung erfolgreich meistert, dann ist das nicht unbedingt der beste Kommentar zur Trinkkultur der dänischen Jugend. Der Rausch bietet also keinen besonders tiefgründigen, erkenntnisreichen Einblick in das Thema Alkoholkonsum, streift aber zumindest viele interessante Aspekte. Dabei gelingt es Vinterberg vor allem, eine Leichtigkeit und Kurzweiligkeit zu kreieren, die mit dem emotionalen Finale einen geradezu entwaffenden Charme auf den Zuschauer ausübt.
Unser Fazit zu Der Rausch
Leichtes Drama oder ernste Komödie? Thomas Vinterbergs Der Rausch kommt als lebensbejahendes Feel-Good-Drama daher und nutzt die amüsante Prämisse von betrunkenen Lehrern als Katalysator für ernste Themen. Dabei navigiert Vinterberg meist so stilsicher zwischen den zwei genannten Genres, dass er die Glaubwürdigkeit seiner Figuren weder für Gags noch für überzogene Schicksalsschläge über Bord wirft. Erst das Schlussdrittel wirkt reichlich schablonenhaft und lässt den Eindruck entstehen, dass Vinterberg doch unbedingt zu einem konsensfähigen Abschluss seines Films finden wollte. Den moralischen Zeigefinger dürfen wir Zuschauer ebenfalls heben, dafür gestaltet sich die Auseinandersetzung mit dem Thema Alkohol doch etwas oberflächlich und unkritisch. Das starke Schauspiel, die greifbaren, liebenswerten Charaktere und die hochwertige Inszenierung machen Der Rausch nichtsdestotrotz zu einem gelungenen und empfehlenswerten Filmerlebnis.
Der Rausch läuft ab 22. Juli in den deutschen Kinos!
Unsere Wertung:
© Weltkino