Joachim Triers fünfter Spielfilm Der schlimmste Mensch der Welt wurde 2021 auf vielen Filmfestivals gefeiert. Die norwegische Dramedy wurde sogar zweifach für die diesjährigen Oscars nominiert. Am 2. Juni startet die melancholisch-witzige Geschichte rund um Julie in die Kinos. Ob sich ein Kinogang lohnt, erfahrt ihr in unserer Kritik!
Titel | Der schlimmste Mensch der Welt |
Jahr | 2021 |
Land | Denmark |
Regie | Joachim Trier |
Genres | Drama, Liebesfilm, Komödie |
Darsteller | Renate Reinsve, Anders Danielsen Lie, Herbert Nordrum, Hans Olav Brenner, Helene Bjørnebye, Vidar Sandem, Maria Grazia Di Meo, Lasse Gretland, Karen Røise Kielland, Marianne Krogh, Thea Stabell, Deniz Kaya, Eia Skjønsberg, Ruby Dagnall, Torgny Amdam, Rebekka Jynge, Sigrid Sollund, Are Skeie Hermansen, Siri Forberg, Sofia Schandy Bloch, Anna Dworak, Savannah Marie Schei, August Wilhelm Méd Brenner, Karla Nitteberg Aspelin, Tumi Løvik Jakobson, Jonathan Nielssen, Maren Emilie Haagenrud Buskoven, Olav Stubberud, Martin Gran, Geir Ørnholt, Tobias Klemeyer Smith, Nataniel Nordnes, Trygve Indrelid, Trude Schjelderup Iversen, Zoe Maland Rogers, Jonas Lund, Hildur Kristinsdottir, Johanna Brym Ryg, Thomas Teige, Margrethe Glambek, Ine Jansen, Gisle Tveito |
Länge | 128 Minuten |
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Die Handlung von Der schlimmste Mensch der Welt
Julie ist Ende 20, Buchhändlerin und aufstrebende Autorin. Sie ist unberechenbar, sprunghaft und lässt das ihr Umfeld täglich spüren. Mit ihrem älteren Freund Aksel, einem bekannten Comiczeichner, lebt sie in einer eigentlich glücklichen Beziehung. Nur gibt es einen Haken – er möchte eine Familie gründen, Julie hingegen nicht. Je näher Julie auf die 30 zugeht, reflektiert die junge Autorin und möchte noch einmal frischen Wind in ihr Leben bringen. Sie sieht sich in der Frage, welchen Lebensweg sie einschlägt und ob die Beziehung mit Aksel darin weiterhin eine Rolle spielt, vor schwer zu nehmende Hürden gestellt. Und sie fragt sich auch, ob vielleicht sie das Problem ist und nicht die Menschen, die manchmal fast an ihr verzweifeln…
Das Ende der Oslo-Trilogie
Mit seinen ersten beiden Werken Reprise – Auf Anfang (2006) und Oslo, 31. August (2011) startete Regisseur Joachim Trier eine lose Trilogie über die Osloer Oberschicht, die mit Der schlimmste Mensch der Welt ihren Abschluss findet. In dieser Filmreihe charakterisiert Trier eine Generation von Menschen, die allesamt kreativ, hoffnungsvoll und aufstrebend wirken. Doch aufgrund der Vielzahl an Möglichkeiten fehlt es den Charakteren an wirklich klaren Zielen. Während in Reprise und Oslo, 31. August ein sehr düsterer Weg angestrebt wurde, versetzt uns der Filmemacher mit seinem neuesten Werk in eine melancholische, aber doch hoffnungsvolle Reise.
Das moderne Coming-of-Age für Millenials
Wir begleiten nämlich Julie auf ihrem Weg zur Vervollständigung ihres 30. Lebensjahres. Eine Jahreszahl, die für viele Menschen der sogenannten Millenial-Generation nicht angsteinflössender sein könnte. Eine Zeit, in der viele Menschen wichtige Lebensentscheidungen fällen. Wo möchte ich beruflich am Ende hin? Will ich eine Familie gründen? Baue ich ein Heim? Bürgerliche Fragen, mit denen auch Julie sich stetig mit ihrem Partner Aksel auseinandersetzen muss. Joachim Trier interpretiert hierbei den Weg zur 30 als eine weitere Form des Erwachsenwerdens, als ein Prozess, der ab dem Beginn der Pubertät nicht wirklich endet.
Triers Hauptfigur steht sich nämlich selbst im Weg, weil sie nicht weiß, welche Möglichkeiten sie wahrnehmen soll. Sie lebt in einer glücklichen Beziehung, aber hinterfragt sich stetig, ob sie dies wirklich glücklich macht. Im Film wird generell der große Konflikt der heutigen Endzwanziger aufgeworfen – nämlich die Sehnsucht nach dem perfekten Leben. Der Lebensweg soll wie in einem perfekten Film verlaufen, wo hinter jeder Entscheidung die bestmögliche versteckt sein könnte. Es ist vergleichbar mit der Selbstoptimierungs-Strategie auf Social-Media-Plattformen, worin sich der moderne Mensch stets auf der Suche nach der besseren oder gleich besten Option befindet. Julies Sinnkrise und ihr Umgang mit ihrer Beziehung stellen das Paradebeispiel für diesen Drang nach Verbesserung dar.
Julie – die Hauptfigur, die eine Hauptfigur sein möchte
Das Drehbuch des Regisseur und seines Kollegen Eskil Vogt beweist in der Beschreibung ihrer Protagonistin seine größte Stärke. Julie ist eine sehr komplexe Figur, die universell nachvollziehbar dargestellt wird. Es ist ganz gleich, welchem Geschlecht sich das Publikum zugehörig fühlt, jeder Mensch kann aus ihrer Lebensphilosophie etwas mitnehmen. Ein Beispiel dafür wäre ihr Bedürfnis nach mehr Selbstbestimmung im Leben. Sie wird in ihrer Beziehung unglücklich, weil sie sich wie eine Nebendarstellerin in ihrem eigenen Leben fühlt, völlig ohne Kontrolle. Julie zählt zu einer der spannendsten und aufregendsten Protagonist:innen der letzten Jahre.
Das ist allen voran Renate Reinsve zu verdanken, die einer Naturgewalt gleicht. Ihr Blick, ihr Lächeln und ihre einnehmenden Bewegungen passen perfekt zu ihrer Julie. Im Film wird Julie einmal gesagt, dass sie jegliche Peinlichkeit unternehmen könne und dennoch die anziehendste Person im Raum sein würde. Das fasst es gut zusammen. Das Drehbuch und ihre Hauptdarstellerin gehen Hand in Hand und erweisen sich dabei als Glücksgriff, denn sie bestach auch schon in Oslo, 31. August.
Dasselbe gilt auch für die Nummer zwei im Der schlimmste Mensch der Welt – Anders Danielsen Lie. Der Schauspieler selbst ist ein Liebling von Filmemacher Trier und spielt in allen drei Filmen der Trilogie mit. Das Paar besitzt eine Chemie auf der Leinwand, die ihresgleichen sucht. In einem Streitgespräch zwischen den beiden wird dies verdeutlicht, da der Konflikt sich über mehrere Themen und emotionalen Stationen windet. Selten war ein Beziehungsstreit so aufregend zu beobachten.
Ein optisch-verspielter Look
Der schlimmste Mensch der Welt besticht nicht nur mit ästhetischen fotografierten Sonnenuntergängen der Stadt Oslo. Kameramann Kasper Tuxen erzeugt sehr atmosphärische Bilder, die mit wunderbaren Songs von Art Garfunkel und Harry Nilsson akzentuiert werden. Der Film kreiert darüber hinaus einige sehr kreative Aufnahmen, um die Gefühlswelt ihrer Protagonistin darzustellen. Sei es Julies hingebungsvoller Sprint durch die Innenstadt Oslos, während die Zeit um sie herum einfriert oder ein emotional-aufwühlender Drogentrip. Für Fans von visuellen Spielereien wird einiges geboten.
Unser Fazit zu Der schlimmste Mensch der Welt
Joachim Triers zweifach oscarnominiertes Werk lässt einen am Ende staunend zurück. Es ist eine melancholische Reise durch das Ende der Zwanziger von Millenials und damit ein Abgesang auf eine ganze Generation, die aufgrund ihrer zahlreichen Möglichkeiten sich scheinbar selbst nie gerecht werden kann bzw. will. Aber am Ende von Der schlimmste Mensch der Welt gibt es für sie doch noch einen Hoffnungsschimmer am Horizont, womit wir uns mit einem lachenden und einem weinenden Auge aus dem Kinosaal verabschieden.
Kamera, Schauspiel, Drehbuch – alles überzeugt und fließt dynamisch ineinander, sodass es nichts anderes gibt, als die volle Punktzahl zu zücken. Es ist eines der Highlights der diesjährigen Oscar-Saison und sollte dringend auf der großen Leinwand bewundert werden.
Der schlimmste Mensch der Welt startet ab dem 2. Juni 2022 in den deutschen Kinos!
Unsere Wertung:
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