Mit Der Spitzenkandidat bringt uns Sony Pictures ab Januar einen Ausschnitt der US-amerikanischen Geschichte in die deutschen Kinos. Ob die Wahl des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika im Jahre 1988 auch für uns Europäer interessant anzusehen ist, erfahrt ihr im Folgenden.
Titel | Der Spitzenkandidat |
Jahr | 2018 |
Land | Canada |
Regie | Jason Reitman |
Genres | Drama, Historie |
Darsteller | Hugh Jackman, Vera Farmiga, J.K. Simmons, Mark O'Brien, Molly Ephraim, Chris Coy, Alex Karpovsky, Josh Brener, Tommy Dewey, Kaitlyn Dever, Oliver Cooper, Jenna Kanell, RJ Brown, Alfred Molina, Mamoudou Athie, Ari Graynor, John Bedford Lloyd, Steve Coulter, Spencer Garrett, Steve Zissis, Bill Burr, Kevin Pollak, Mike Judge, Nyasha Hatendi, Margo Moorer, Kenneth Nance Jr., Sara Paxton, Toby Huss, Courtney Ford, Rachel Walters, Randy Havens, Jennifer Landon, Joe Chrest, Mike Lawrence, Lee Armstrong, Jonny Pasvolsky, Jeff Witzke, Michael Crider, Evan Castelloe, Stephanie Allynne, Danny Kang, Evan Kelly, Joe Washington, Jon Meacham, Lucius Baston, Patricia French, Victor McCay, Scott Deal, Carrie Walrond Hood, Joanne Clendining, Tony J. Scott, Christen Orr, David Dillon, Cristina Figarola, Kristopher Charles, Jason Edwards, Gara Coffey, Monica Mears, Kendrick Cross, Matt Bai, Ryan Davenport, Collin Sutton, Bart Hansard, Deadra Moore, Chuck Tedder, Adam Drescher, Theodore Murphy, Gabriel Manak, Milton Saul, Olivia De Paux, Christine Marie Evans, Marc Demeter, Robin Dyke, Enya Flack, Donna Sexton, Ellen Soderberg, Jim Bakker, Tammy Faye Bakker, Tom Brokaw, Johnny Carson, Walter Mondale, Jane Pauley, Maria Shriver |
Länge | 113 Minuten |
Wer streamt? | Kaufen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, maxdome Store, MagentaTV, Videoload Leihen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, maxdome Store, MagentaTV, Videoload |
Der Spitzenkandidat 1988
Der amerikanische Senator Gary Hart ist charismatisch, sieht gut aus und ist seinen politischen Gegnern argumentativ überlegen. Somit besitzt er die besten Voraussetzungen, die Wahl zum Präsidenten im Jahre 1988 zu gewinnen. Sein deutlicher Punktevorsprung auf Bush gerät allerdings ins Wanken, als einige Journalisten beginnen, ihn zum Zustand seiner Ehe zu befragen. Als Vertreter einer traditionellen Familie sollte das Volk, laut diesen, das Recht haben, mehr über das Privatleben des zukünftigen Präsidenten zu erfahren. Da sich Hart jedoch weigert, Auskünfte über eben jenes zu geben, beginnen die Reporter ihn zu verfolgen. Dabei werden Geschichten zu Tage gefördert, welche das Saubermann-Image des Politikers zu erschüttern drohen. Auf einmal scheint sich die Bevölkerung mehr für seine Ehe, als für seine politische Haltung zu interessieren.
Viele diskussionswürdige Fragen
Regisseur Jason Reitman, der bislang eher mit einfühlsamen und charmanten Werken, wie Juno, Thank You For Smoking oder Up In The Air bekannt geworden ist, wendet sich mit diesem Streifen existenziellen politischen aber auch moralischen Themen zu. Wie weit dürfen Journalisten gehen? Dürfen sie sogar die Privatsphäre eines Menschen einschränken, wenn es sich um eine öffentliche Person handelt? Hat die Presse das Recht, die Ausführung der Vorbildfunktion eines Politikers oder einer Politikerin im privaten Raum, auch gegen dessen oder deren Willen, zu überprüfen? Wird die politische Glaubwürdigkeit und Standfestigkeit infrage gestellt, wenn Geheimnisse herauskommen, die nicht dem bisherigen öffentlichen Bild der Person entsprechen?
Der Film stellt all diese Fragen und liefert zum Teil überzeugende Argumente für die beiden rivalisierenden Positionen. So sehen wir die Ereignisse des Jahres 1988 weder ausschließlich aus der Sicht der Familie Hart noch handelt es sich um eine Lobeshymne auf die Bedeutsamkeit einer freien Presse, wie es etwa in Die Verlegerin oder Snowden der Fall ist. In dieser Ambiguität der politischen Aussage des Streifens liegt allerdings auch seine größte Schwäche. Er weiß sich nicht zu positionieren und wirkt aus diesem Grund eher wie eine Dokumentation als ein Spielfilm. Das Publikum bekommt zwar durch die gezeigten Szenen ein Gefühl für die Problematik, fühlt sich allerdings selten direkt ins Geschehen geworfen. Nach der Sichtung des Streifens wird man mehr über die Thematik als über den eigentlichen Film diskutieren.
Schaue ich hier gerade eine Dokumentation?
Diese etwas trockene Art, die Geschichte zu erzählen, wird auch durch die filmischen Mittel unterstützt. Die Bilder haben einen leicht körnigen Stich und besitzen die grau-braune Färbung, die wir von Aufnahmen der 80er Jahre gewohnt sind. Auch die gelegentlichen Zooms der Kamera erinnern an Aufnahmen aus den täglichen Nachrichten oder dokumentarischen Filmen. Selbst die musikalische Untermalung von Rob Simonsen ist zwar treibend und schafft es dadurch, die Hektik des täglichen Pressbetriebes wirksam zu unterstützen, erzeugt aber kaum emotionale Bindung. Die zahlreichen eingespielten Songs wirken allerdings passend. Zum Glück finden wir hier keine Aneinanderreihung gängiger Evergreens der 80er Jahre. Sämtliche Sets und Kostüme wirken authentisch und sorgen für den nötigen Flair der damaligen Zeit.
Das Team vor der Kamera
Besonders für den Cast ist der kühle Inszenierungsstil leider wenig vorteilhaft. So liefert Hugh Jackman eigentlich eine herausragende schauspielerische Leistung ab. Er versteht es, Szenen durch seine Präsenz und sein Charisma einzunehmen. Vermutlich hat er sich dies von Gary Hart persönlich abgeschaut und kann daher seine Persönlichkeit innerhalb des filmischen Geschehens glaubhaft darstellen. Bei der Rolle an sich handelt es sich um klassisches Oscar-Material. So wurden in der Vergangenheit bereits Darstellungen von historischen Persönlichkeiten wie Abraham Lincoln oder Winston Churchill mit dem begehrten Academy Award ausgezeichnet. In diesem Fall könnte Hugh Jackman jedoch um eine Nominierung betrogen werden. Die Schnitte sind zu hastig und statt bei Jackmans Leistung zu bleiben, ändert die Kamera zu schnell die Perspektive. Schade, dass dem Schauspieler hier nicht mehr Raum gegeben wurde.
Bei Vera Farmiga finden wir ein ähnliches Problem vor. Die an sich beeindruckende schauspielerische Leistung wird durch die Regie leider wenig gewürdigt. Zu guter Letzt kann auch Oscar-Preisträger J.K. Simmons sein beachtliches Können nicht unter Beweis stellen. Bei ihm liegt es allerdings vorwiegend an der sehr eintönigen Rolle.
Die Texter für den Spitzenkandidaten
Besonders ärgerlich ist es, dass sich der Streifen kaum für eine tiefgründige und fundierte Charakterzeichnung seiner Figuren interessiert. Harts Beziehung zu seiner Frau wird lediglich angerissen, weshalb seine zurückweisenden Reaktionen auf die Presse etwas mehr Hintergrund hätten vertragen können. Auch die Gewissensbisse und Wandlungen eines Journalisten im Film wirken wenig glaubhaft oder nachvollziehbar. An diesen Stellen merkt man, dass die Drehbuchautoren Matt Bai (Drehbuchautor einiger Folgen House of Cards), Jason Reitman und Jay Carson (Produzent und politischer Berater bei House of Cards) sich sehr auf die vermeintlichen Fakten der Geschichte verlassen wollen. Die passende Vorlage hierzu bietet Bais Buch „All The Truth Is Out: The Weeks Politics Went Tabloid“.
Als Folge dessen verkommen die meisten der zahlreichen Charaktere zu stellvertretenden Handlungsträgern, die eine bestimmte politische Haltung repräsentieren. Besonders gegen Ende wirkt die finale Entscheidung Harts ausgesprochen plötzlich und sehr impulsiv. Durch diesen abrupten Wandel, der eher den historischen Fakten als einer gelungenen Charakterzeichnung zu dienen scheint, verpasst es der Streifen leider, einen vernünftigen Schlusspunkt zu setzen.
Ist die Thematik überhaupt noch aktuell?
Bei dem politischen Sachverstand der Autoren ist es ungewöhnlich, dass das Publikum kaum etwas zu den politischen Positionen Harts erfährt. Somit stellt der Film die Frage in den Raum, ob sich die einfachen Bürger und Bürgerinnen eher für das Privatleben und das öffentliche Bild eines Politikers bzw. einer Politikerin interessieren, als für dessen oder deren politische Haltung.
Auch hier lässt das Drehbuch eine eigene Meinung vermissen. Besonders im Gegensatz zu einem Regisseur wie Oliver Stone (man vergleiche etwa mit Snowden, Natural Born Killers oder Platoon), der gerade durch seine eindrucksvolle Positionierung in vielen seiner Filme wirkungsvolle Bilder erschafft, wirkt Reitmans Streifen erstaunlich gediegen und zurückhaltend. Parallelen zu aktuellen politischen Personen, wie etwa Donald Trump, Barack Obama oder Angela Merkel hier im deutschsprachigen Raum, muss sich der Zuschauer oder die Zuschauerin selbst erdenken. Besonders in Zeiten, in denen jeder Reporter mit seiner Kamera schnelle Berichterstattungen tätigen kann, hat die Thematik jedoch nichts von ihrer Brisanz verloren.
Fazit
Das neue Polit-Drama von Regisseur Jason Reitman kommt zusammenfassend etwas behäbig daher. Die stärksten Szenen sind die, in denen sich Hart vor der Presse versucht zu rechtfertigen. In diesen kommt nicht nur Jackmans schauspielerische Leistung zum Tragen, sondern auch die Diskussionen über brisante Aspekte der Pressefreiheit werden auf interessante Art und Weise geführt. Leider behandelt der Film diese Probleme mehr auf einer dokumentarischen Ebene, die keine eigene Positionierung zulässt. Dies führt zu dramaturgisch unnötigen Szenen und blassen Charakteren.
Eine Empfehlung ist der Film also eher an thematisch Interessierte, die sich gerne auf solche Diskussion einlassen und sich die Bezüge zur aktuellen politische Lage selbst suchen können. Will man einen mitreißenden Film sehen, so wird man besonders als Europäer bzw. Europäerin eher etwas gelangweilt den Kinosaal verlassen, da sich die Inszenierung als zu trocken herausstellt. Ein tolles historisches Polit-Drama, wie im letzten Jahr Spielbergs Die Verlegerin, darf man hier also leider nicht erwarten.
Der Film startet am 17. Januar 2019 in den deutschen Kinos.
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Hier die Bewertung der MovicFreakz – Redaktion: [yasr_multiset setid=0] Hier könnt Ihr den Film selbst bewerten: [yasr_visitor_multiset setid=0]