Elliott Gould irrt in Robert Altmans Der Tod kennt keine Wiederkehr als ehrenhafter Privatdetektiv Philip Marlowe durch die lasterhaften 70er. Ob sich das Mediabook von Koch Films lohnt, erfahrt ihr hier.
Titel | Der Tod kennt keine Wiederkehr |
Jahr | 1973 |
Land | United States of America |
Regie | Robert Altman |
Genres | Mystery, Krimi, Thriller |
Darsteller | Elliott Gould, Nina van Pallandt, Sterling Hayden, Mark Rydell, Henry Gibson, David Arkin, Jim Bouton, Warren Berlinger, Jo Ann Brody, Stephen Coit, Jack Knight, Pepe Callahan, Vincent Palmieri, Pancho Córdova, Enrique Lucero, Rutanya Alda, Tammy Shaw, Jack Riley, Ken Sansom, Jerry Jones, John Davies, Rodney Moss, Sybil Scotford, Herb Kerns, Robert Altman, David Carradine, Carl Gottlieb, George Wyner, Leslie McRay, Arnold Schwarzenegger |
Länge | 113 Minuten |
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Darum geht’s in Der Tod kennt keine Wiederkehr
Nachdem Privatdetektiv Philip Marlowe (Elliott Gould) eines Nachts durch halb Los Angeles getigert ist, um ein bestimmtes Katzenfutter zu besorgen, steht unvermittelt Terry Lennox (Jim Bouton) in der Tür. Er überredet seinen Freund, ihn zur mexikanischen Grenze bei Tijuana zu bringen, weil er ein wenig Abstand von seiner Frau brauche. Als er nach Hause zurückkommt, erwarten ihn schon zwei Polizisten. Sie schleifen Marlowe mit aufs Revier, denn Terrys Frau Sylvia ist nicht mehr, und der jetzige Witwer soll daran nicht unschuldig sein. Die Ermittler nehmen den Schnüffler in die Mangel und belassen ihn in Haft. Erst nach drei Tagen kommt er frei. Der mordverdächtige Kumpel soll in Mexiko Selbstmord begangen und einen Abschiedsbrief inklusive Geständnis hinterlassen haben. Die Ermittler der Polizei freut es, sie halten den Fall damit für gelöst. Das sieht Marlowe freilich anders.
Ein Anruf führt den Detektiv in die noble Gegend der Malibu Colony, wo auch das verblichene Ehepaar Lennox residierte. Die intelligente wie hübsche Eileen Wade (Nina von Pallandt) beauftragt ihn, ihren Mann, den Schriftsteller Roger Wade (Sterling Hayden), zu finden. Er befindet sich mutmaßlich wieder in einer Entzugsklinik, legt aber großen Wert darauf, in dieser Zeit den Kontakt mit seiner Frau abzubrechen. Tatsächlich findet sich der ungehobelte Poet schnell im Luxus-Sanatorium des dubiosen Dr. Verringer (Henry Gibson). Mehr Kopfzerbrechen bereitet ihm immer noch das Ableben seines Freundes. Denn wie sich herausstellt, hat Terry den Gangster Marty Augustine (Mark Rydell) um 350.000 $ geprellt. Und der sadistische Drogenhändler glaubt wirklich, dass Marlowe würde als letzter, der Terry lebend gesehen hatte, nun wissen, wo sein Geld ist…
Aus der Zeit gefallen
Schon in der Roman-Vorlage „The Long Goodbye“ zeichnete Autor Raymond Chandler seine bekannte Figur ein wenig um. Vieles an Marlowes Charakter war mittlerweile zum Klischee geworden. Kein Wunder, schließlich stellte er den Prototyp des Hard Boiled Detectives dar. Chandler entschärfte vor allem seinen Zynismus und gestaltete ihn großmütiger und selbstloser. Die Autorin Leigh Brackett schrieb schon für den Marlowe-Klassiker Tote schlafen fest (1946) eine Drehbuch-Version, die aber nicht von Howard Hawks verwendet wurde. Sie nimmt nun diesen fast schon ritterlichen Charakter und platziert ihn in Der Tod kennt keine Wiederkehr im Westküsten-Sündenpfuhl der frühen 70er-Jahre. Mit seinem unumstößlichen moralischen Wertesystem und seinem Gerechtigkeitsempfinden wirkt er dort wie ein Fremdkörper.
Um ihn herum sind alle nur noch an sich selbst interessiert. Eheliche Treue spielt in dieser Ära keine Rolle mehr, sei es bei den Wades oder auch den Lennox‘. Eileen Wades sucht ihren Mann nur, um sich scheiden zu lassen, während der sich ungeniert in der Öffentlichkeit trunken und rüpelhaft gibt. Der Arzt Dr. Verringer nimmt ungeniert seine Patienten aus, und auch Gangster Marty Augustine macht keinen Hehl daraus, womit er sein Geld verdient. Selbst die Polizei ist nicht mehr wirklich an der Wahrheitsfindung interessiert. Man will den Fall möglichst abhaken, und nicht aufklären.
Abgesang auf den Film Noir
Im vorangegangenen Der Dritte im Hinterhalt (1969) wusste Regisseur Paul Bogart noch nicht so recht, wo er seinen Marlowe zeitlich lokalisieren sollte. Die Bemühungen, den Schritt in die Moderne zu wagen, waren zögerlich und halbgar. Zudem scheint der humorig angelegte Charakter hier als Blaupause für Detektiv Rockford, die spätere Serie von Hauptdarsteller James Garner (Gesprengte Ketten, Maverick). Der Tod kennt keine Wiederkehr macht hier keine halben Sachen und verfrachtet seinen Helden, ohne wenn und aber, in die 70er. Später sollte sich Michael Winner (Ein Mann sieht rot, Hexensabbath) anschicken, das Genre und seine Ikone vollends zu vernichten. Er verlegte die ganze Geschichte nicht nur in eine andere Zeit, sondern auch einen anderen Ort, gar anderen Kontinent. Robert Mitchum (El Dorado, Yakuza), selbst Veteran des Film Noir, tapst hierin durch England, und alle anderen Darsteller spielen Schmierenkomödie.
Aber kommen wir zurück zum vorliegenden Film: Das verkommene L.A. aus Chandlers Romanen spielt sich bei Robert Altman (The Player, Short Cuts) nicht mehr nur in verqualmten Hinterzimmern und schummrigen Seitengassen ab. Seine Erzählung wird von Figuren bevölkert, die sich nicht einmal mehr die Mühe machen, eine Maske aufzusetzen oder eine Fassade aufzubauen. Philip Marlowe muss hier keine Heuchler entlarven und zurechtweisen. Er selbst wird dabei von seiner Umgebung auf die von ihm erwartete Aufgabe reduziert. Es gibt keine Femme Fatale, keine flüchtigen Liebschaften. Auch Gangster Augustine hegt keinen persönlichen Groll gegen ihn. Die Klischees werden zu Grabe getragen, genauso wie die Werte Marlowes keine Rolle mehr spielen. Dies muss er am Ende selbst schmerzlich feststellen und seine Reaktion darauf ist ebenso konsequent wie resignativ. Hier vollzieht der Marlowe-Charakter dann endgültig den Schritt in die damalige Gegenwart.
Hinter den Kulissen
Regisseur Robert Altman ließ sich vor Produktionsbeginn zusichern, dass seitens des Studios nichts mehr am Script geändert würde. Gerade das Ende hatte es ihm angetan, und er fürchtete, dass man es als zu düster erachten könnte. Aber sein Antrieb, diesen Job anzunehmen, war nicht das Drehbuch, sondern der für die Hauptrolle verpflichtete Elliott Gould. Er kannte den einstmaligen Shootingstar schon vom Dreh zur Militär-Satire MASH (1970). Gould kam der Romanfigur in Alter, Größe und Aussehen recht nahe und gibt auch eine tolle Performance zum Besten. Er galt zu der Zeit jedoch als rotes Tuch in Hollywood und musste sich neben dem obligatorischen Medizin-Check auch psychologischen Untersuchungen unterziehen. Auf ähnliches verzichtete man wohl bei Sterling Hayden (Asphalt-Dschungel, Die Rechnung ging nicht auf), einem Film-Noir-Veteran. Hayden soll, laut Altman, ständig betrunken und high gewesen sein. Aber es ist jetzt nicht so, dass das nicht zur Rolle passen würde.
Die Dänin Nina Van Pallandt (Ein Mann für gewisse Stunden) gibt ihre Eileen Wade kühl und abgeklärt. Sie ist eine Frau, die weiß, was sie will. Hingegen zu den klassischen Frauen des Film Noir erscheint sie nicht im Mindesten hilfsbedürftig, gebietet sie doch über einen furchteinflößenden Dobermann. Sie macht Marlowe auch keinerlei Avancen. Bemerkenswert ist auch Mark Rydel (Die Cowboys, Havanna) als psychopathischer Gangsterboss Augustine. Der zerschmettert schon mal einfach eine Glasflasche im Gesicht seiner Model-Freundin, nur um einen Standpunkt zu verdeutlichen. In seinem Schlägertrupp darf auch ein Muskelmann sein Können beweisen, ein junger Bodybuilder namens Arnold Schwarzenegger.
Unser Fazit zu Der Tod kennt keine Wiederkehr
Inhaltlich gewagt, steht und fällt die Geschichte mit Hauptdarsteller Elliott Gould. Als Fossil von Detektiv schlurft er durch eine Welt, in der Ritterlichkeit und Loyalität kaum mehr zählen. Immer wieder droht Marlowe dabei zum Spielball verschiedener Interessen zu werden, und er kann einen dabei schon leid tun. Robert Altman zieht daraus immer mal wieder ätzenden Witz, wenn die Ideale des Helden mit der schmutzigen Welt kollidieren. Technisch gibt sich Der Tod kennt keine Wiederkehr genauso keine Blöße. Altmans Stamm-Kameramann Vilmos Zsigmord (Oscar für Unheimliche Begegnung der dritten Art) fängt ein L.A. ein, das an jedem schönen Ort hässliche Ecken parat hält. Der Score von John Williams (Star Wars, Indiana Jones) untermalt das Geschehen unaufdringlich mit einem lockeren, jazzigen Score.
Eine deutsche Blu-ray dieses feinen Films war längst überfällig. Es ist schön, dass Koch Films ihn gleich ein lohnendes Paket schnürt. Das Mediabook kommt als 3-Disc-Set daher und enthält neben dem Film eine Bonus-DVD mit einer Menge Interviews sowie einem Feature mit Robert Altman und Elliott Gould über die Entstehung des Films. Das Bild bietet einen schönen Kontrast und gute Schärfe. Allerdings hinkt der Ton dem hinterher. Während die deutsche Spur zwar gut Druck macht, aber etwas penetrant wirkt, ist die englische O-Tonspur authentischer, aber leicht knarzig.
Der Tod kennt keine Wiederkehr erscheint am 27. Juni 2018!
Unsere Wertung:
© Koch Films