Der Unsichtbare – basierend auf einem Roman von H. G. Wells aus dem Jahr 1897, bereits mehrfach verfilmt. Einen Kreativpreis wird das nicht gewinnen. Und trotzdem: Für Fans unverzichtbar?
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Titel | Der Unsichtbare |
Jahr | 1963 |
Land | Germany |
Regie | Raphael Nussbaum |
Genres | Science Fiction, Krimi |
Darsteller | Ellen Schwiers, Hans von Borsody, Christiane Nielsen, Charles Regnier, Ilse Steppat, Heinrich Gretler, Harry Fuß, Herbert Stass, Hannes Schmidhauser, Erwin Strahl, Herbert Fux, Ena Valduga, Josef Menschik, Ivan Desny |
Länge | 102 Minuten |
Wer streamt? | Derzeit leider auf keinem Streamingdienst verfügbar. |
Worum geht’s in Der Unsichtbare?
Cecilia (Elisabeth Moss) führt eine Beziehung mit dem manipulativen und gewalttätigen, aber genialen Wissenschaftler Adrien (Oliver Jackson-Cohen). Eines Nachts, während er schläft, flieht sie mit der Hilfe ihrer kleinen Schwester Emily (Harriet Dyer) aus seinem Haus und versteckt sich in der Unterkunft des Freundes James (Aldis Hodge) und dessen Tochter Sydney (Storm Reid), bei denen sie versucht, ihr Trauma unter Kontrolle zu bekommen. Als Cecilia kurz darauf die Nachricht von Adriens Suizid erreicht und sie von dessen Bruder Tom (Michael Dorman) erfährt, dass sie eine ganze Stange Geld erben wird, ist sie zunächst erleichtert. Doch schnell häufen sich Seltsamkeiten und sie fühlt sich weiterhin von Adrien – als unsichtbarem Peiniger – verfolgt. Das glaubt ihr blöderweise nur niemand, weswegen nicht nur Cecilias Bekannte an ihrem Verstand zweifeln.
Klischees aus dem Blumhouse
So weit, so klischeehaft. Und natürlich wird das nicht die einzige Zutat aus dem Horror-Klischee-Topf bleiben. Da gibt es den Gang mit der Taschenlampe auf den finsteren Dachboden. Der Dachboden, auf den Cecilia überhaupt erst kommt, weil sie Sydney vorher – als Gag – eine Leiter geschenkt hat. Das wirkt dann doch etwas arg konstruiert. Und auch von dem ein oder anderen Expositionsdialog (oder -monolog, wenn Cecilia sich mit dem vermeintlich Unsichtbaren unterhält?) bleiben wir nicht verschont, so erfahren wir beispiels- und unnötigerweise, wie sich das ehemalige Pärchen kennengelernt hat. Auch so manche Verhaltensweisen oder Wandlungen von Charakterzügen sind nicht ganz nachvollziehbar und wirken dabei etwas aufgesetzt. Doch erwartet uns damit die nächste langweilige Jump-Scare-Parade aus dem Hause von Jason Blum, dem Blumhouse?
Keine “unsichtbare” Inszenierung
Keineswegs, denn derartige Klischees könnten zwar durchaus für den ein oder anderen genervten Augenroller sorgen, hindern den Zuschauer aber auch nicht an einem sonst durchaus erfrischendem Seherlebnis. Das liegt vor allem an der Inszenierung. Schon das anfängliche Titeldesign weiß zu überzeugen, integriert es sich doch perfekt in die direkt erkennbare Stimmung des Horrorstreifens. Das ist zwar eine Kleinigkeit, solch liebevolle Details können einen Film aber durchaus auf eine höhere Ebene heben. Atmosphärisch leitet er uns mit einem gemächlichen Start in ein actionreiches Horrorspektakel. Der Score bleibt dabei die meiste Zeit angenehm zurückhaltend, teilweise wird sogar komplett auf ihn verzichtet und die Spannung allein durch Hintergrundgeräusche wie Windes- oder Meeresrauschen erzeugt. Wenn die Musik dann doch mal anzieht, wird sie zwar das musikalische Rad nicht neu erfinden, bewegt sich aber stets auf äußerst hohem Niveau.
Auch die Kameraführung trägt ihren Teil zur stimmigen Atmosphäre bei. Meist ist sie ruhig, folgt präzise den Bewegungen oder sorgt gewollt für Irritationen und erschafft wundervolle, teils sehr symmetrische Bildkompositionen. Dabei erinnert sie oft an den in dieser Hinsicht herausragenden It Follows. Eine eigene Handschrift von Regisseur Leigh Whannell und Kameramann Stefan Duscio ist trotzdem klar zu erkennen. Wie schon bei deren Zusammenarbeit am spaßigen Action-Splatterer Upgrade bewegen sie die Kamera in den Actionsequenzen dynamisch mit den Handlungen der Charaktere mit. Die Kämpfe erinnern ein wenig an den finalen aus der Auflösung von Fight Club, sind hier aber technisch noch etwas ausgefeilter umgesetzt. Klar, schließlich ist das in diesem Horrorfilm auch die Hauptattraktion. Whannells Inszenierung passt hier wirklich wie die sprichwörtliche (in diesem Fall unsichtbare) Faust aufs Auge.
Irre Einfälle, irre Schauspielerin
Auch Whannells offensichtliches Faible für Hightech und schön ausgestattete Einrichtungen – egal ob bei Wohnhäusern, Arbeitsplätzen oder Restaurants – wird wie in Upgrade erkennbar. Die spielerische Freude Whannells beschränkt sich glücklicherweise aber nicht nur auf die Optik, auch mit dem Unsichtbaren hatte er ein paar wirklich clevere Einfälle. Von denen wurden zwar einige auch schon im Trailer verraten, aber glücklicherweise eben nicht alle wie bei so manch einem Horrorfilm der letzten Jahre. Whannell deutet zudem sanft ein paar obligatorische Twists an, führt den Zuschauer hier und da in die Irre und uns mit einer ganz anderen Wendung – keine Angst, sie wird nicht verraten – vor. Auch wenn Logik hier stellenweise mal wieder gekonnt ignoriert wird. Sei’s drum.
Schon zu Beginn wird jedenfalls suggeriert, dass sich das Gesehene möglicherweise auch nur in Cecilias Kopf abspielt – stimmt etwas nicht mit ihr? Was auf jeden Fall stimmt, ist die Performance von Elisabeth Moss (The Handmaid’s Tale, Wir) in der Hauptrolle. Die ist abermals großartig; jedes Blinzeln, jedes Zucken mit den Augenbrauen, jede kleinste Regung im Gesicht wirkt bewusst eingesetzt und genauestens einstudiert – und dabei niemals gekünstelt. Die Rolle der emotional misshandelten, sich wehrenden Frau wirkt wie für sie geschaffen.
Alte Geschichte, modern visualisiert
Mit den offensichtlichen Themen wie toxische Beziehungen, häusliche Gewalt, psychische Labilität, Paranoia und Trauma, die dem Film als nicht ganz so unsichtbare Begleiterscheinungen innewohnen, bugsiert der auch als Drehbuchautor fungierende Whannell den Grusel aus H. G. Wells gleichnamigen Roman aus dem Jahr 1897 in die Moderne. Allerdings werden diese aktuellen Motive nur oberflächlich angerissen, ein intellektuelles Aha-Erlebnis braucht man hier nicht zu erwarten. Horror-Fans können sich trotzdem freuen, dass sie dagegen – im Vergleich zu ähnlichen Werken – immerhin nicht als dumm verkauft werden. Und so schafft Blumhouse tatsächlich mal wieder einen äußerst kurzweiligen Horrorfilm, der inhaltlich solide und inszenatorisch toll umgesetzt ist. Mit den besten Werken der Produktionsfirma wie Get Out kann Der Unsichtbare zwar nicht mithalten, übertrumpft deren Durchschnitt aber allemal.
Ursprüngliche Pläne
Das ist wohl auch dem Umstand zu verdanken, dass, anders als einst gedacht, deutlich tiefer gestapelt wurde. Ursprünglich sollte Der Unsichtbare ein Teil des Dark Universe von den Universal Studios werden, in dem die Geschichten klassischer Monster des namhaften Studios (dazu gehören unter anderem Dracula, Frankenstein und die Mumie) miteinander verknüpft werden sollten. Doch nachdem Die Mumie 2017 trotz Tom Cruise an den Kinokassen floppte, wurde von diesem Konzept wieder abgewichen. So sollen sich die Geschichten jetzt wieder auf die individuellen Stärken konzentrieren. Ein Glücksgriff, denn zumindest die erste Monster-Umsetzung war ein voller Erfolg. Für gerade einmal sieben Millionen US-Dollar realisiert, spielte Der Unsichtbare immerhin ganze 123 Millionen im Kino ein – trotz dem abrupten Ende durch die Corona-Pandemie.
Unser Fazit zu Der Unsichtbare
Durch ein paar übliche Klischees und die nur oberflächlich angerissenen tiefgründigen Themen mag Der Unsichtbare inhaltlich nur solide ausfallen, doch inszenatorisch überzeugt er auf ganzer Linie. Wundervolle Bildkompositionen, eine sehr eigenwillige und erfrischende Kameraführung, ein starker Soundtrack und unterhaltsame Tricks sorgen für kurzweiligen Horror-Spaß. Und Elisabeth Moss ist eben Elisabeth Moss. Ihr Gegenspieler ist unsichtbar, den Film sollte dagegen kein Fan des Genres übersehen.
Der Unsichtbare erscheint am 09. Juli 2020 auf DVD, Blu-ray und 4K UHD Disc.
Unsere Wertung:
© Universal Pictures