Der Vorname baut auf einer einfachen Grundidee auf: Darf man ein Kind heutzutage Adolf nennen? Wie diese Diskussion einen Abend unter Freunden und Verwandten völlig außer Kontrolle geraten lässt, zeigt uns Sönke Wortmann mit seinem neuen Film.
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Titel | Der Vorname |
Jahr | 2018 |
Land | Germany |
Regie | Sönke Wortmann |
Genres | Komödie |
Darsteller | Christoph Maria Herbst, Caroline Peters, Florian David Fitz, Justus von Dohnányi, Janina Uhse, Iris Berben, Serkan Kaya |
Länge | 91 Minuten |
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Worum gehts in Der Vorname?
Stephan (Christoph Maria Herbst) und seine Frau Elisabeth (Caroline Peters) leben in Bonn und gehören als Literaturprofessor und Lehrerin zum gehobenen Bürgertum. Zu einem Abendessen laden sie den befreundeten Musiker René (Justus von Dohnányi) und Elisabeths kleinen Bruder Thomas (Florian David Fitz) mit seiner schwangeren Freundin Anna (Janina Uhse) ein. Thomas, der als Immobilienmakler Karriere macht, und Stephan stehen sich skeptisch gegenüber. Zum Eklat kommt es schließlich, als Thomas verkündet, dass sein noch ungeborener Sohn Adolf heißen soll. Es entspringt eine handfeste Diskussion, da Stephan kaum an sich halten kann und Thomas ihm mit guten Argumenten Paroli bietet.
Doch das ist erst der Anfang. Als Anna nach einem Casting etwas verspätet zum Abendessen hinzukommt, sorgt die bereits gereizte Stimmung für weitere Aufregung. Jeder scheint sein Fett wegzubekommen, wenn unausgesprochene Geheimnisse und brisante Themen auf den Tisch kommen. Dabei wollte Elisabeth doch nur einen schönen Abend mit gutem Essen und netten Gesprächen verbringen.
Alter Wein in neuen (deutschen) Schläuchen
Mit Der Vorname legt der bekannte deutsche Regisseur Sönke Wortmann (Sommerfest, Das Wunder von Bern) das gleichnamige französische Original Le Prénom von Alexandre de La Patellière und Matthieu Delaporte neu auf. Dass die Vorlage wiederum auf ein Theaterstück zurückgeht, ist schnell zu bemerken. Im Mittelpunkt stehen fast ausschließlich das Abendessen und die ausgefeilten Dialoge in Stephans und Elisabeths Haus. Vergleichbar mit diesem Film war zuletzt Roman Polanskis Der Gott des Gemetzels. Hier kriegten sich eigentlich gesittete Eltern nach einer Prügelei ihrer Kinder in die Haare und rissen ihre anständige Fassade schrittweise mit immer größeren Gemeinheiten ein.
Trotz des begrenzten Settings und der Handlungsarmut schaffen es Wortmann und sein Cutter Martin Wolf, ein hohes Tempo an den Tag zu legen. Mit immer wieder eingestreuten Kamerafahrten, die sich rund um die Protagonisten drehen, bringt der Regisseur zusätzlichen Schwung in die spritzigen Dialoge. Ansonsten verlässt sich Sönke Wortmann auf sein erfahrenes Ensemble, das die vielen kleineren und größeren Auseinandersetzungen mit Leben erfüllt. Eingestreute Rückblenden sorgen ebenfalls für etwas Abwechslung und nach rund 90 Minuten ist die Geschichte bereits ohne wirkliche Längen über die Bühne.
Spielfreudiges Ensemble
Wie es sich für eine große Produktion aus Deutschland gehört, tummeln sich hier die üblichen Verdächtigen vor der Kamera. Christoph Maria Herbst gibt den bewusst überzeichneten Literaturprofessor Stephan, der ungefragt zu grammatikalischen, politischen oder moralischen Belehrungen ansetzt. Mit dem Eröffnungsgag, bei dem sich ein ahnungsloser Pizzabote eine Standpauke gefallen lassen muss, wird der Charakter perfekt eingeführt. Dass Herbst mehr oder weniger eine Variation beziehungsweise Light-Version seines Bernd Strombergs gibt, mag vielleicht etwas unkreativ wirken. Für eine Komödie mit bissigem Unterton passt sein biestiges Spiel allemal gut ins Bild.
Richtig interessant wird der Film dann durch Stephans Diskussionsgegner, den geleckten Karrieremann Thomas mit spöttischem Oberlippenschnäuzer. Florian David Fitz gibt seiner Figur eine selbstgefällige Lockerheit, die sich wunderbar mit Herbsts Spießigkeit beißt. Als die Diskussion so richtig entbrennt, ist Thomas allerdings so scharfzüngig und clever, dass man als Zuschauer durchaus ins Grübeln kommen kann. Warum sollte man sein Kind nicht Adolf nennen können?
Die zweite, eher unterstützende Geige spielen dagegen Caroline Peters und Justus von Dohnányi. Peters versucht als gutmütige Hausfrau immer wieder erfolglos, den Haussegen gerade zu rücken. Doch stille Wasser sind tief und so bekommt sie immerhin eine denkwürdige Szene. Auch von Dohnányi als sensibler Orchestermusiker René wirkt lange Zeit als Füllmaterial neben den Streithähnen Fitz und Herbst. Dass er schließlich doch zum Eklat beiträgt, ist der Auftakt zu einem eher biederen Schlussakt, bei dem sich Der Vorname leider in das Fahrwasser typischer deutscher Klischeekomödien begibt.
Erfrischend ist nicht zuletzt Janina Uhse als rauchende, schwangere Freundin von Thomas. Sie trägt etwas vorlaut ihr Herz auf der Zunge und gießt dadurch mächtig Öl ins Feuer der schwelenden Konflikte. Dabei wirkt sie in ihrem Spiel so natürlich, dass sie sich positiv von ihren routinierteren Schauspielkollegen abhebt.
Bestandsaufnahme einer Gesellschaft
Die diesjährige Berlinale nahm es sich zum Motto, dass das Private politisch ist. Der Vorname schlägt in eine ähnliche Kerbe, wenn Stefan und Thomas im heimischen Wohnzimmer darüber diskutieren, ob Adolf in der heutigen Zeit (wieder) ein angemessener Name für ein Kind ist. Hinter dieser vordergründigen Auseinandersetzung stecken die Ansichten, ob man vor der Nazizeit weiterhin in Scham erstarren oder ob man diese Haltung nicht mittlerweile aufbrechen sollte. Stefan äußert sich mehr als deutlich, dass er die Nazis damals sowie die AFD heute verabscheut. Beim vorgeschlagenen Vornamen „Donald“ fangen sogar alle Männer im Raum herzhaft und ausgiebig an zu lachen – die Botschaft ist offensichtlich.
Dass Stefan den Namen Adolf für verboten hält, obwohl er das offiziell nicht ist, spiegelt seine Einstellung wunderbar wider. Zudem flüchtet er sich schnell in alberne, spießbürgerliche Plattitüden, wenn er auf dem Ultraschallbild des Säuglings einen gehobenen rechten Arm ausmachen will. Thomas dagegen sieht in dem Namen unmittelbar die Chance, dass sein Kind von Anfang an sensibilisiert für das Thema aufwächst. Aus dieser anfänglichen Bürde könne wiederum ein besonderer Mensch erwachsen, der sich für das Gute einsetzt. Thomas leistet damit sozusagen einen symbolischen Beitrag dazu, die dunkle deutsche Vergangenheit zu überwinden und zurückzulassen.
Trotz seiner überschaubaren Laufzeit von knapp 90 Minuten wälzt Der Vorname dieses Thema aber zum Glück nicht über die gesamte Länge aus. Es ist vielmehr ein Katalysator, um endlich mal einige ungesagte oder verheimlichte Dinge ans Licht zu bringen. So offenbart sich unter anderem, dass Stephan ein übler Geizkragen ist und teure Weinetiketten auf billigen Fusel klebt. Nicht jede dieser Streitthemen fällt gleichermaßen spannend und unterhaltsam aus, aber ihre Bandbreite sorgt dafür, dass jeder Zuschauer etwas für sich finden sollte.
Der Vorname – Top oder Flop?
Lassen wir mal die häufig zu beobachtende Steif- und Hölzernheit deutscher Komödien außer Acht, so ist Der Vorname ein durchaus kurzweiliger Film mit gut sitzenden Pointen. Genussvoll darf der Zuschauer verfolgen, wie ein geselliger Abend unter Freunden immer mehr aus dem Ruder läuft und sich tiefe Gräben zwischen den Charakteren auftun. Und letztlich hinterlässt Sönke Wortmann hier auch einen bissigen Kommentar zum deutschen Spießbürger in seinem heimeligen Wohnzimmer, der sein Ansehen und seine moralischen Werte in Gefahr sieht.
Der Vorname ist am 4. April über Constantin Film auf DVD, Blu-ray und VOD erschienen.
Unsere Wertung:
© Constantin Film