Nach Easy Rider wollte, vielmehr musste, sich Peter Fonda aus seiner Rolle befreien, um zukünftig auch andere Figuren verkörpern zu können. Herausgekommen ist dabei, neben seiner grandiosen schauspielerischen Leistung, sein elegisches Regiedebüt: Der wenig konventionelle Western Der weite Ritt.
[su_youtube URL=“https://www.youtube.com/watch?v=ojC03gHd_sA“]
Titel | Der weite Ritt |
Jahr | 1971 |
Land | United States of America |
Regie | Peter Fonda |
Genres | Western |
Darsteller | Peter Fonda, Warren Oates, Verna Bloom, Robert Pratt, Severn Darden, Rita Rogers, Ann Doran, Ted Markland, Owen Orr, Al Hopson, Megan Denver, Michael McClure, Gray Johnson, Larry Hagman |
Länge | 91 Minuten |
Wer streamt? | Derzeit leider auf keinem Streamingdienst verfügbar. |
Welchen Einfluss der immense Erfolg von Easy Rider auf das künstlerische Schaffen junger Filmemacher in Hollywood besaß, habe ich relativ ausführlich bei Dennis Hoppers The Last Movie angesprochen. Der weite Ritt von und mit Peter Fonda ist ebenso Kind der Ära des New Hollywood und weist – neben Fonda als Darsteller – weitere Parallelen zu Hoppers Drama auf: Auch hier sehnt sich die Hauptfigur nach den Wurzeln einer häuslichen und emotionalen Heimat.
Harry (Peter Fonda) und Arch (Warren Oats) ziehen schon viele Jahre gemeinsam durch die Prärie. Als eines Tages der Wunsch Harrys nach Sesshaftigkeit überhandnimmt, kehren beide auf der Farm seiner Frau Hannah (Verna Bloom) ein. Doch die Vergangenheit holt die beiden Männer allzu bald wieder ein…
Der weite Ritt – Märchenhafte Bilder
Der weite Ritt beginnt träumerisch: Harry und seine Wegbegleiter baden ausgelassen, sinnieren am Lagerfeuer und genießen die romantische Freiheit im Wilden Westen. Dieser kurze Prolog gewinnt durch die ruhige Musikuntermalung Bruce Langhornes und die verspielte Cinematographie Vilmos Zsigmonds (u. a. Michael Ciminos Die durch die Hölle gehen und Heaven’s Gate) enorm an ihrer malerischen, verspielten Atmosphäre.
Langsame Kamerafahrten und ebenso lange Blenden bestimmen das Bild. Zsigmond geht teilweise sogar so weit, die Blenden in Standbildern oder zumindest Zeitlupen enden zu lassen. Der weite Ritt ist deshalb ein enorm entschleunigter Film, dessen Spieldauer von 90 Minuten dennoch in atemberaubenden erzählerischen Fluss gegossen ist. Das liegt zum einen an den famosen Darstellern (Fonda: u. a. Easy Rider, Flucht aus L. A., Todeszug nach Yuma; Oats: u. a. The Wild Bunch, Two-Lane Blacktop, Ich glaub mich knutscht ein Elch!; Bloom: u. a. Ein Fremder ohne Namen, Ich glaub, mich tritt ein Pferd) und den immer wieder spannenden Blickwinkeln und beeindruckenden Panoramen Zsigmonds. Ebenfalls der Atmosphäre zuträglich zeigt sich die ruhige, fast schon meditative Musik Langhornes mit ihrem akustischen Gitarreneinsatz.
Dem Auftakt bei Kaffee und Fisch geht auch ein bestimmter foreshadowing-Charakter nicht ab. Denn das friedfertige Leben voller Tagträume, Freundschaft und Freiheit wird von der harten Realität eingeholt. Auf pessimistischste Art und Weise nimmt der Prolog vorweg, dass das friedfertige Leben keine dauerhafte Lösung sein kann: Die Leiche eines jungen Mädchen verheddert sich in der ausgeworfenen Angelleine.
Duelle der Worte, nicht der Kugeln
Fonda verlagert die Duelle stattdessen in die Figuren und deren Beziehungen zueinander. Geschossen wird hier mit scharfer Zunge, wobei vor allem das intensive Gespräch von Harry und Hannah in Erinnerung bleiben dürfte. Mit Hannah Collings wird spätestens in dieser Sequenz eine resolute und emanzipierte Frauenrolle aufgezeigt. Hannah weiß sich im Männerpatriarchat zu behaupten und klare Linie zu bekennen. Bloom formt ihre Hannah entsprechend von Skepsis durchzogen, aber dennoch mutig und selbstbewusst.
Auch in Der weite Ritt liefern sich die Protagonisten das ein oder andere Feuergefecht. Diese kontrastieren in ihrer blutigen Konsequenz die angestrebte Friedfertigkeit. Spannung entsteht aber aus den zwischenmenschlichen Beziehungen. Insbesondere die Dreiecksbeziehung zwischen Harry, Arch und Hannah gebietet über Spannungs- und Konfliktpotential. Die beiden Männer sind hin- und hergerissen zwischen Emotionalität und Loyalität – Arch seinem treuen Weggefährten und Harry sowohl seinem Begleiter und seiner Frau gegenüber. Schlussendlich zieht es Arch mit dem Pferd wieder in die Freiheit, während Harry bei Hannah bleibt, um das fragile Beziehungsgeflecht zu seiner Frau wieder erstarken zu lassen.
Wie sich beide, über die Jahre fremd geworden, allmählich wieder annähern zeugt von großer Schauspielkunst. Die innere Zerrissenheit und Sehnsüchte beider Personen werden greifbar und lassen Der weite Ritt die Wandlung zu einem Anti-Western vollziehen. Die Sehnsucht nach einem friedvollen, einfachen Leben überwiegt hier gegenüber der Schießwut seiner Protagonisten. Wie der bedeutungsschwangere Auftakt schon unmissverständlich deutlich macht, kann die Idylle nicht bestehen und wird gewaltsam verdrängt. Das neue Familienglück verwelkt, ehe es zu voller Pracht erblühen konnte.
Mit seiner pessimistischen Tonlage ist Der weite Ritt ein deutliches Produkt und Vertreter seiner Kinoära.
Würdiger Release
Am 11.4.2019 veröffentlichte Koch Media Fondas Regiedebüt als Mediabook mit dem Hauptfilm auf Blu-ray und DVD sowie einer DVD mit stattlichem Bonusmaterial. Bei diesem stechen vor allem das knapp einstündige Making-Of mit zahlreichen Interviews der Beteiligten und der Doku The Odd Man, bei welcher u. a. Drehbuchautor Alan Sharp zu Wort kommt. Ansonsten bietet diese Veröffentlichung natürlich noch den üblichen Buchteil und diverse Standardextras wie Trailer oder eine Bildergalerie.
Unsere Wertung:
© Koch Films