Was tun, wenn eine bekannte Roman – und Filmreihe erfolgreich lief, aber zu Ende erzählt ist? Richtig, man schreibt eine Vorgeschichte und verfilmt diese. Ob Die Tribute von Panem – The Ballad of Songbirds & Snakes die Prequel-Probleme lösen kann, erfahrt ihr in unserer Kritik.
Titel | Die Tribute von Panem - The Ballad of Songbirds and Snakes |
Jahr | 2023 |
Land | United States of America |
Regie | Francis Lawrence |
Genres | Drama, Science Fiction, Action |
Darsteller | Tom Blyth, Rachel Zegler, Peter Dinklage, Jason Schwartzman, Hunter Schafer, Josh Rivera, Viola Davis, Fionnula Flanagan, Burn Gorman, Dexter Sol Ansell, Rosa Gotzler, Clemens Schick, Ashley Liao, Athena Strates, Joshua Kantara, Amélie Hoeferle, Kaitlyn Akinpelumi, Florian Burgkart, Ayomide Adegun, Aaron Finn Schultz, Max Raphael, Mekyas Mulugeta, Emma Frieda Brüggler, Yalany Marschner, Serena Oexle, Anni Baumann, Flora Thiemann, Zoë Renee, Seyna Sylla, Lilly Cooper, Aamer Husain, Aminata Lucia Yade Toscano, Daniela Grubert, Michael Greco, Levi Strasser, Chieloka Jairus, Tim Torok, Varvara Kanellakopoulou, Jerome Lance, Mackenzie Lansing, Cooper Dillon, Hiroki Berrecloth, Irene Böhm, Knox Gibson, Sofia Sanchez, Luna Kuse, Kjell Brutscheidt, Dimitri Abold, Luna Steeples, Nick Benson, Marc Aden Gray, Isobel Jesper Jones, Dakota Shapiro, Vaughan Reilly, Honor Gillies, Eike Onyambu, Cameron MacConomy, Ghaith Saleh, Riley Chung, Denise Hansen, Scott Folan, Raphael Zari, Mona Vojacek Koper, Carl Spencer, Konstantin Taffet, George Somner, Steven McMichael, Donald Sutherland, Jonas Martens |
Länge | 157 Minuten |
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Die Handlung von Die Tribute von Panem – The Ballad of Songbirds & Snakes
64 Jahre vor den Ereignissen des ersten Teils: Die einst mächtigen Snows befinden sich im Niedergang. Der Vater ist verstorben, das Geld stets knapp und so trägt der 18- jährige Vollwaise Coriolanus (Tom Blyth) die gesamte Last. Als Mentor für ein Tribut versucht er, an die glanzvollen Zeiten seiner Familie anzuknüpfen und dadurch ein Stipendium zum Studium zu erhalten, welches sonst nicht möglich wäre. Denn Coriolanus fühlt sich als Sohn des ehemaligen Präsidenten Panems zu Höherem berufen. Doch anstatt eines standesgemäßen Tributs erhält Coriolanus die aus Distrikt 12 stammende Lucy Gray Baird (Rachel Zegler) zugeteilt, einem Ghetto-ähnlichem Distrikt Panems. Einer Demütigung gleichkommend, schäumt Coriolanus vor Wut. Aber diese zunächst als Zweckbündnis bestehende Verbindung wächst mit der Zeit. Und während Lucy in der Arena ums nackte Überleben kämpft, muss Coriolanus ebenfalls in den Kampf- gegen seine stetig wachsenden Gefühle für Lucy…
Das Prequel-Dilemma I – Der bekannte Endpunkt einer Geschichte
Zahlreiche Prequels und Villain- Origin-Stories wurden in den letzten Jahren auf das Publikum losgelassen. Doch egal, ob es George Lucas Prequel-Trilogie oder Spideys Nemesis Venom waren, sie alle arbeiten sich an zwei grundsätzlichen Problemen ab: Wenn ich bereits weiß, dass die Hauptfigur überlebt, wie schaffe ich es dennoch, eine Art von Fallhöhe oder Bedrohung für die Figur zu erschaffen? Und was erzähle ich dann eigentlich?
Vor allem, wenn sich der Vorwurf aufdrängt, lediglich eine etablierte Marke zu nutzen, um den schnellen Dollar zu generieren. Im Falle des Panem-Prequels drängt sich dieser leider auf, denn das Vorgeschichten-Vorhaben erscheint nicht gerade als notwendig zu erzählende Geschichte. Hinzu kommt, dass es gerüchteweise nötig war, Autorin Suzanne Collins von Verlagsseite deutlich extrinsisch zu motivieren, um sich erneut in die Welt Panems zu begeben.
Das Prequel-Dilemma II – Eine Bösewicht-Backstory
Wenn die Geschichte sich dann einer Figur gewidmet wird, die in der bisherigen Wahrnehmung eindeutig zur bösen Seite zugeordnet wird, steht man vor einem weiteren Dilemma. Denn ein Kernproblem solcher Bösewicht-Backstories ist, dass man kaum 150 Minuten lang zeigen will, wie eine Figur die dunkle Seite durchschreitet. Weil das Publikum vom Bösen zwar fasziniert ist, aber eben auch eine heldenhaft oder zumindest sympathisch handelnde Hauptfigur benötigt, versucht Collins‘ Roman ebenso wie die Adaption das bewährte Mittel und strickt eine Love-Story zwischen Coriolanus und Lucy Gray. Diese wirkt allerdings etwas erzwungen und bemüht.
Warum sich Lucy an Coriolanus bindet, erscheint als ihr Weg zum Überleben noch durchaus nachvollziehbar. Aber was umgekehrt Snow zu Lucy hinzieht, außerhalb ihres bezaubernden, mutigen Wesens, wird nur wenig herausgearbeitet. Natürlich bindet ihn die Notwendigkeit, als Mentor erfolgreich zu sein, enger an Lucy Gray, doch die emotionale Verbindung spürt man aus seiner Sicht nicht. Warum auch die Story nur bedingt fesseln kann, erfahrt ihr im nächsten Absatz.
Strukturelle Story-Probleme des Films
Zunächst sei erwähnt, dass der Film die üblichen kleineren Problemchen einer Romanadaption aufweist. Denn gleich eine Vielzahl an Figuren erhält wenig Screentime und dadurch keine Zeit für die Entwicklung von Charakterzügen. Wie schon in den Spielen aus den vorherigen Filmen sind einige Tribute bloße Stereotypen, welche die Gruppendynamik bestimmen und kurz- und langfristige Allianzen eingehen, um schließlich getötet zu werden. Die Sympathien sind stets auf der Seite von Lucy Gray, wenn auch sie sich die Finger schmutzig macht.
In einem der starken Momente setzt sie Gift in der Arena ein, welches sie von Coriolanus erhalten hat, um ihre Widersacher:innen zu töten. Die Auflösung dieser Situation ist emotional durchaus packend und zeigt, dass in der Ausnahmesituation der Hungerspiele die moralischen Grenzen fließend sind. Leider bietet der Film von diesen Einschüben zu wenig, auch wenn sich bemüht wird, die Kaltblütigkeit der Ernte zu zeigen. Diese macht auch vor kranken und geistig beeinträchtigten Tributen keinen Halt. Doch die Spiele erscheinen beinahe als lästige Pflichtübung des in drei Kapitel eingeteilten Films. Denn eigentlich soll Snows Entwicklung zum machtgierigen Bösewicht vordergründig erzählt werden. Allerdings ist Regisseur Francis Lawrence und seinem Autorenteam dieser Aspekt sichtlich schwer gefallen. So wirkt der sehr lange, im dritten Kapitel beschrittene Weg wie ein zäher, zu lang geratener und konstruierter Epilog zur eigentlichen Erzählung.
Rachel Zegler stiehlt allen die Show
Besonders fällt hier auf, wie sehr sich Tom Blyth als Snow zwar bemüht, eine ambivalente und facettenreiche Figur zu spielen, jedoch nicht so recht über das schauspielerische Handwerkszeug verfügt. Bei Rachel Zegler dagegen ist spätestens jetzt klar, zu welcher weiblichen Darstellerin man in Hollywood gehen sollte, wenn man stimmliche wie emotionale Qualitäten auf der Leinwand sehen will. Ihr Gesang ist wirklich beeindruckend und ihre Rachel die stärkste Figur des Films. Daneben sticht noch der ebenfalls aus West Side Story bekannte Josh Andrés Rivera als Snows Freund Sejanus heraus. Dessen moralischer Kompass gerät angesichts der Spiele ins Wanken und er darf deutlicher als andere Figuren aus dem Kapitol, seine Bedenken äußern und gegen die Praxis rebellieren.
Auf der Seite der Bösewichte spult Peter Dinklage seine aus Game of Thrones bekannte Nummer des desillusionierten Trunkenboldes ab, den die Zeit zum Zyniker gemacht hat. Erst spät erlaubt ihm das Skript, die lange Zeit zu erahnende neue Facette seiner Figur zu zeigen, deren Pointe allerdings meilenweit zu erahnen ist. Er steht dabei deutlich hinter Viola Davis an. Diese gibt eine herrlich diabolische Spielerleiterin a la Amanda Waller in Suicide Squad. Zwar mögen ein wenig Nuancen in ihrer Boshaftigkeit fehlen, dafür ist sie allerdings schön drüber und hat sichtlich Spaß an ihrer Rolle. Bei Jason Schwartzman ist lediglich optisch die Verwandtschaft zu Stanley Tuccis Figur Caesar Flickerman erkennen, diese allerdings extrem gut. Doch sein Lucky Flickerman bleibt als Catchphrase-Absonderer und Teilzeit-Kachelmann-Wettervorhersager eher blass.
Im Look blass, bei der Laufzeit zu lang
Blass bleibt auch die Regie. Denn Francis Lawrence gelingt optisch ein in weiten Teilen austauschbarer, mit wenig Hang zur Stilistik inszenierter Film im typischen Blockbuster-Look. Weil die Effekte nicht besonders gelungen wirken und die Action-Anteile sich ohnehin eher auf die Hungerspiele beschränken, müsste erzählerisch etwas weitaus Interessantes gelingen, doch ist Die Tribute von Panem – The Ballad of Songbirds & Snakes aufgrund der erwähnten Dilemmata nicht im Stande, etwas Substanzielles oder richtig Interessantes zu bieten.
Und trotz einiger Freiheiten gegenüber der Vorlage, die gerade das erste Filmkapitel betreffen, fühlt sich das Endprodukt nicht gerade straff an. Daher wäre es dringend erforderlich, dass irgendjemand in Hollywood an den aufgeblähten Laufzeiten arbeitet. Denn spätestens im sehr langen Epilog des dritten Filmkapitels wird zu viel Zeit darauf verwendet, um zu zeigen, wie aus Coriolanus Snow der zukünftige big bad wird, welcher später über Panem herrschen wird.
Unser Fazit zu Die Tribute von Panem – The Ballad of Songbirds & Snakes
Wenn wir ehrlich sind, hat niemand nach der Vorgeschichte des Präsidenten Snows gefragt. Und so verhalten die Nachfrage war, so uninspiriert und unausgegoren ist das Ergebnis. Denn Regie und Drehbuch wirken wie lieblose Auftragsarbeiten. Zwar nutzen Viola Davis und vor allem Rachel Zegler die Bühne für sich, wobei Zegler nicht nur durch ihr gesangliches Talent überzeugen kann. Doch leider bleibt Tom Blyth als die eigentliche Hauptfigur Coriolanus eher blass. So ist Die Tribute von Panem – The Ballad of Songbirds & Snakes eine überlange, visuell wenig reizvolle Adaption samt erzählerischer Enthaltsamkeit von Substanziellem.
Die Tribute von Panem – The Ballad of Songbirds & Snakes erscheint am 16. November 2023 exklusiv in den Kinos.
Unsere Wertung:
(c) Leonine