Eine fesselnde Zeitreise in der Geschichte oder dröge Gefühlsduselei, etwas plakativ ausgerechnet in der Stadt der Liebe? Ob Eiffel in Love ein elegantes Gerüst für eine fiktive Romanze in einem realen Setting errichten kann, oder ein prüfender Blick die prächtige Fassade umgehend zum Einsturz bringt, erfahrt ihr hier.
Titel | Eiffel in Love |
Jahr | 2021 |
Land | Belgium |
Regie | Martin Bourboulon |
Genres | Liebesfilm, Drama |
Darsteller | Romain Duris, Emma Mackey, Pierre Deladonchamps, Armande Boulanger, Andranic Manet, Alexandre Steiger, Philippe Hérisson, Jérémie Petrus, Jérémy Lopez, Frédéric Merlo, Damien Zanoly, Clémence Boué, Julien Sarazin, Josselin Baillarguet, Michèle Clément, Juliette Blanche, Sophie Fougère, Philippe Richardin, Matthieu Piriou, Stéphane Page, Aurélien Luzeux, Aurélia Frachon, Philippe Saïd, Dominique Pozzetto, Benoît de Gaulejac, Hervé Masquelier, Joseph Rezwin, David Olivier Fischer, Pierre Le Baleur |
Länge | 108 Minuten |
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Die Handlung von Eiffel in Love
Der unlängst an Bekanntheit erlangte Ingenieur Gustave Eiffel, soll nach seiner Hilfe an der Konstruktion der Freiheitsstatue ein ebenso spektakuläres Bauwerk für sein Heimatland konzipieren. Zunächst ablehnend gerät Eiffel unter Druck und ändert schließlich seine Meinung, als er auf seine alte Liebe Adrienne Bourgès trifft. Um sie zu beeindrucken, aber auch voller neuer Inspiration, verkündet er, einen Turm zu bauen: ausschließlich aus Metall, 300 Meter hoch, der größte seiner Art, eine Attraktion, welchem sich internationale Besucher:innen nicht entziehen können. Zwischen der Passion für das umstrittene Projekt und der heimlich geführten Beziehung zu der mittlerweile verheirateten Adrienne hin und her gezogen, muss Eiffel immer wieder erneut seine Vision verteidigen, während die Begeisterung der Bewohner:innen als auch der Arbeiter zusehends erlischt und die finanzielle Unterstützung auf Messers Schneide steht…
Historie und Fiktion – Hand in Hand?
Oftmals sind Fortführungen des Originaltitels oder Taglines sehr sperrig und unpassend. Eiffel in Love ist vielmehr als ein einfaches Wortspiel und zwar ein hervorragender Titel, bringt er die Handlung doch kurz und knackig auf den Punkt. Der Autor dieser Kritik hätte jedoch viel lieber „Eiffel in Love with Engineering“ gesehen, eine Geschichte mit mehr Fokus auf der Entstehung des namensgebenden Turms.
Der englische Patient, Titanic – es gibt zahlreiche Beispiele, in denen eine Biografie oder ein historisches Ereignis nicht ohne hinzu erdachte Romanze auskommt. Einerseits will Regisseur Bourboulon ein höchst bedeutsames Event der Nation gebührend darstellen, andererseits ist die Liebesgeschichte nicht als Mittel eingebaut, um den/die Zuschauer:innen zwischen architektonischen Diskursen Ruhepausen zu gönnen, sondern ihr die Zügel in Gänze zu überlassen und die historische Komponente lediglich stellenweise anzukratzen. Die tatsächlich wahren Vorkommnisse bekommen zu wenig Raum, um Interesse zu schüren. Schlimmer noch, sind die hinzugedichteten absolut schematisch, monoton, spannungslos.
Kitsch und Augenrollen in Eiffel in Love
Mehr standardisierte Klischee Romanze als ernstzunehmendes Biopic hin oder her, wenn dabei jedoch die notwendige Chemie der beiden Hauptrollen nicht stimmt, ist das nur ein Grund, warum der Schwerpunkt des Films nicht fesselt. Ein neu entfachtes Feuer zweier füreinander bestimmter Menschen. Eine Liebe, die nicht sein darf. Aber was nährt dieses Feuer eigentlich? Was zieht diese beiden so unfassbar an? Wir werden es nie erfahren, denn wirkliche Charakterentwicklung oder grundsätzliche Eigenschaften finden kaum Einzug. Hölzerne Figuren ohne Ecken, Kanten, Makel und vor allem Wiedererkennungswert. Eine durchschnittliche Liebesgeschichte voller Stereotypen, welche nichts (Neues) zu bieten hat.
Allgemein werden alle Tropes angeschnitten, die man schon hunderte Male gesehen hat. Das Publikum muss Vieles als gegeben hinnehmen, trotz mangelnder Erläuterung, Sinn und Kontinuität. Szenen, die große Gefühle auslösen sollen, fühlen sich stattdessen unfassbar anorganisch an. Die Dialoge sind ungelenk, gar selten dämlich, wenn z.B. beide einen stillen Moment genießen und Adrienne äußert: „Könnten wir nur einfach so zusammen sein für immer. Glücklich im Gras”, woraufhin Gustave erwidert: „Es gibt Ameisen…”
Langweiliges Traumpaar
Die Beziehung erzeugt weder Neugier noch Sympathie, weil sie eine gewisse Fallhöhe vermissen lässt. Denn trotz klarem Fokus auf dem Techtelmechtel wird den Figuren nur ein paar Minuten der Etablierung gewährt und das auch reichlich spät. Die Nebenfiguren sind noch eindimensionaler als die Protagonisten. Das Wort „charmant“ fällt häufiger, obgleich es weder auf Figuren noch den Film als Ganzes passt.
Die wesentliche Frage: „Kommen sie erneut zusammen” ist total uninteressant, trotz der brisanten Affäre. Verständnis kann man sich für etwaige Aktionen kaum abringen. Insbesondere Gustave verhält sich inkohärent, mal narzisstisch und manisch, mal bescheiden und zurückhaltend – eben genauso wie Drehbuch/Dramaturgie es gerade brauchen um den „Plot“ weiterzuspinnen. „Antiklimatisch“ beschreibt es ganz treffend. Ein vor sich hin Plätschern.
Das anfängliche „Frei nach wahren Begebenheiten“ entwickelt sich ironischerweise zum Motto der Story, welche völlig frei, ohne ersichtliche Struktur vor und zurück springt und uns die Erzählebene der Vergangenheit eröffnet, um Parallelen zur Gegenwart zu zeichnen. Die kontinuierlichen Rückblenden sollen tieferes Verständnis erzeugen, unterbrechen aber immer plump die Geschichte und schlimmer noch, bleiben vollkommen fruchtlos.
Augenkontakt – Das Klischee von Liebe auf den ersten Blick
Gefühlt ein Dutzend Mal schmachten sich Gustave und Adrienne durch eine Menschenmenge an. Die beiden Hauptdarsteller versuchen noch ihr Möglichstes, Intensität aus dem dürftigen Skript rauszukitzeln. Liebes-Dramen wie Nuri Bilge Ceylans Jahreszeiten oder Carlos Sauras Carmen teilen die vielen langanhaltenden Blickkontakte, lösen dabei hingegen Romantik Leidenschaft, Liebe, Herzschmerz aus. Figuren, die sich minutenlang anschauen, wortlos, aber nicht gefühllos.
Dafür bringt der Film lieber seine Kraft auf, uns einen Alleskönner zu präsentieren, fähig, vom ersten bis zum letzten Schritt eigenhändig Konzeption, Planung und Umsetzung zu meistern und ein paar Mathematiker nur nebenbei “noch mal kurz alles überprüfen zu lassen”. In Wahrheit war Eiffels Beteiligung deutlich kleiner. Weder war er der Erfinder noch als Ingenieur verantwortlich für die zahlreichen Überarbeitungen.
Plot Conveniences und Ungereimtheiten
Achja, nebenbei wird ja noch der Eiffelturm erbaut. Und damit gibt es viele unüberwindbare Schwierigkeiten, die… ja, die nach einem Schnitt schon wieder in der Belanglosigkeit verschwinden. Die Zeitung druckt eine degoutante Karikatur des Turms, die öffentliche Meinung kippt, selbst der Vatikan fühlt sich bedroht. Alles kein Problem, denn schon in der nächsten Szene ist davon keine Rede mehr. Überdies haben anscheinend alle vergessen, dass es je Probleme gab. Gustave wird von der Stadt der Geldhahn zugedreht. Sein Buchhalter fragt ihn schließlich, wie er das Projekt bloß weiter finanzieren wolle. Dann streiken auch noch die Arbeiter. Aber EINE pathetische Rede ändert die Stimmung sogleich und er verspricht allen ein doppeltes Gehalt… Wie? Wovon? Egal!
Eiffel in Love sprüht weder vor Ehrfurcht vor der Leistung, welche mit dem Bau des Pariser Wahrzeichens erbracht wurde, noch vor Begeisterung für die Ingenieurskunst. Diese Leistung wird auf Eiffel reduziert, der ein paar Skizzen anfertigt und ein, zwei Modelle hervorkramt.
Wenige Lichtblicke
Das Zusammenspiel von Kostümen, Ausstattung und Sets lässt das Paris des 19. Jahrhunderts zumindest visuell zum Leben erwachen. Die Integration von Computeranimierten Hintergründen und die ergänzenden CGI-Effekte fügen sich gut ein, lassen Szenen aus der Höhe aber weniger spektakulär wirken als vorgesehen. Ein bitterer Beigeschmack bleibt dennoch, denn ein gewisser digitaler Look haftet jeder größeren Szenerie an.
Der Score, immerhin von Alexandre Desplat beigesteuert und für sich genommen absolut fabelhaft, wirkt viel zu groß für das was die Bilder uns zeigen. Sogar manipulativ, wenn ein Nolan typisches Ticken absolute Spannung suggerieren soll, Gespräche aber spannender wären.
Unser Fazit zu Eiffel in Love
Ein ziemlich inhaltsloser Film, nicht über den Eiffelturm, noch über Gustave Eiffel, sondern sein prekäres Liebesleben. Eiffel in Love hat keine packende Geschichte zu erzählen, weder in Bezug auf die Lovestory noch den Bau des Eiffelturms, nichts kann über die Willkür und die Reizlosigkeit des Films hinwegtäuschen. Vor allem, weil es sich wie eine Mischung aus zwei unfertigen Filmen anfühlt. Entweder die historische Rekonstruktion oder das romantische Kostüm-Drama wäre sehenswerter gewesen. So fehlt an allen Ecken die Tiefe. Abgesehen vom 3. Akt tritt die Eiffelturm Konstruktion in den Hintergrund. Und dieser 3. Akt sticht am meisten hervor, auch wenn es wieder ungeklärte Sprünge Richtung Fertigstellung gibt. Da wirkt der Film gehetzt, obwohl eigentlich gar nichts Aufregendes oder Wichtiges passiert. Das Meiste findet Off-Screen statt.
Zu lange, vor allem irrelevante Flashbacks rauben den wirklich interessanten Themen die Zeit: Eiffels Hintergrund, vergangenen architektonischen Realisierungen, der technologische Fortschritt… Wer ein realistisches oder zumindest spannendes Biopic erwartet, ist hier falsch. Hier wird kein gängiges Klischee ausgelassen, sodass der Film äußerst formelhaft wirkt.
Eiffel in Love ist seit dem 05.05.22 auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Unsere Wertung:
© Constantin Film