1990 schrieb Jean-Luc Lagarce Juste la fin du monde, ein Theaterstück, das gegen Ende des gleichen Jahrzehnts uraufgeführt wurde. Ganze 26 Jahre später ist die Verfilmung Einfach das Ende der Welt da und zwar von einem Regisseur, den man für diesen klassischen Stoff wohl eher nicht erwartet hätte.
Titel | Einfach das Ende der Welt |
Jahr | 2016 |
Land | Canada |
Regie | Xavier Dolan |
Genres | Drama |
Darsteller | Gaspard Ulliel, Nathalie Baye, Vincent Cassel, Marion Cotillard, Léa Seydoux, Antoine Desrochers, William Boyce Blanchette, Sasha Samar, Arthur Couillard, Patricia Tulasne, Emile Rondeau, Théodore Pellerin, Jenyane Provencher, Stephan Dubeau |
Länge | 99 Minuten |
Wer streamt? | Kaufen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Rakuten TV, maxdome Store, Videobuster, MagentaTV, Yorck on Demand, Videoload, Verleihshop Leihen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Rakuten TV, maxdome Store, Videobuster, MagentaTV, Yorck on Demand, Videoload, Verleihshop, Freenet meinVOD |
Einfach das Ende der Welt – die Story
Vor vielen Jahren verließ Louis (Gaspard Ulliel) die Familie und zog in die große Welt hinaus. Als Schriftsteller war er fortan sogar erfolgreich. Zu Beginn von Einfach das Ende der Welt kehrt er nun zurück und trifft auf seine Mutter (Nathalie Baye), seine wesentlich jüngere Schwester (Lea Seydoux), die er kaum kennt, und seinen älteren, von Beginn an aggressiven Bruder Antoine (Vincent Cassel). Außerdem trifft Louie zum ersten Mal auf Antoines Frau Catherine (Marion Cotillard), die sich sichtlich bemüht, ihn kennenzulernen. Eigentlich wollte Louie seiner Familie etwas Wichtiges beichten, doch schnell verlieren sich die Familienmitglieder in größeren und kleineren Streitigkeiten. Louis muss erkennen, dass viele Jahre vergangen sind und er jedem seiner Angehörigen mit seinem Weggang Probleme bereitet hat.
Hintergrund
Der kanadische Regisseur und Autor Xavier Dolan spaltet seit Anbeginn seines Schaffens die Gemüter. Durch eigenwillige Kameraeinstellungen, laute kitschige Popstücke als musikalischer Untermalung und die ständige Thematisierung der (eigenen) sexuellen Identität polarisieren seine Werke enorm. Wunderkind sagen die einen, Blender und überkandidelter Hipster sagen wohl die anderen. Bei seinem neuesten Werk Einfach das Ende der Welt wird die negative Kritik nun erstmalig deutlich lauter: Es sei Dolans erster richtiger Fehlschlag. Wichtig zu erwähnen vorab, ist allerdings, dass der junge Filmmacher zum ersten Mal eine literarische Vorlage, ein Theaterstück, und nicht seine eigene Geschichte inszeniert.
Kritik
Tatsächlich soll auch diese Review einen eher missfälligen Ton anstimmen. Einfach das Ende der Welt lebt natürlich nicht von seiner Geschichte. Die späte Rückkehr eines Mannes in den Schoß der Familie ist, bedingt durch seine Dramenvorlage, vor allem ein Dialogstück. Zu bestaunen gibt es im Wesentlichen ein Kammerspiel aus feurigen Wortgefechten mit wechselnden Kombattanten in einer Handvoll Szenen. Die Familie als kleinste Zelle der Gesellschaft, dort, wo die behütete Kindheit stattfand, wird verkehrt in ein höllenähnliches Schlachtfeld.
Das allein kennt man allerdings aus vielen Familiendramen wie zum Beispiel dem ebenfalls theaterbasierten Im August in Osage County. Während dieser aber subtil auf den sozialen Eklat hinarbeitet, ist Einfach das Ende der Welt von Beginn nahezu offene und unangenehme Auseinandersetzung. Die Rollen sind umgehend verteilt, der notorische Wüterich (Cassell), die unterdrückte, aber geschwätzige Ehefrau (Cotillard), das naive Dummchen (Seydoux) und der schweigend beobachtende Protagonist (Ulliel). Ein auf seine Dialoge fixierter Film sollte auch entsprechend pointenreich geschriebene Unterhaltungen vorzuweisen haben.
Einfach das Ende der Welt ist in dieser Hinsicht, ob der Synchronisation oder nicht, eine echte Enttäuschung. Statt ausgefeilten Diskussionen bekommt man hier nur zerfetzte Sätze, leeres Dahingerede, abgebrochenes Echauffieren und aggressiv vorgetragene Einschübe serviert. Natürlich sind die Gräben zwischen den Familienmitgliedern tief, aber das eigentlich faszinierende eines solchen Stoffes, das sukzessive Zerbröckeln der für die Familie aufgesetzten Fassade, findet hier nie statt. Einfach das Ende der Welt ist daher ein recht stumpfes, nuancenarmes Dauerfeuer.
Ein außergewöhnlicher Stil
Wenngleich Dolan nie die großen Leinwandgeschichten erzählte, so inszenierte er sie doch immer außergewöhnlich. In diesem Fall ist seine bekannte Inszenierungswut Fluch und Segen. Er lässt die Kamera meist frontal in den Gesichtern seiner Figuren kleben, was schnell anstrengend wird und das Kammerspiel auf eine schier nervige Spitze treibt. Doch dieser Belastung scheint sich der junge Regisseur zumindest bewusst zu sein. Denn er schiebt regelmäßig quasi eskapistische Erlösungsmomente ein, beispielsweise Traumsequenzen, mit denen der Zuschauer regelrecht entlastet wird. Mit buntem Farbspiel und dümmlichen aber lebensbejahenden Popstücken gelingt der kurzzeitige Ausstieg aus der gefühlt einfarbigen und energieraubenden Tristess der „family reunion“.
Fazit: Gefällt uns Einfach das Ende der Welt?
Alles in allem hat sich Xavier Dolan mit der Verfilmung dieses literarischen Stoffes keinen Gefallen getan. Seine wahren Stärken zeigen sich vor allem in den kurzen phantasievollen Ausbrüchen aus dem giftigen Familienzusammentreffen. Zwar inszeniert er die langen Dialogpassagen mit einigen interessanten Einstellungen. So versinnbildlicht der häufige Gebrauch des Shot-Reverse-Shot die tiefen Gräben zwischen den Personen. Aber auch diese handwerkliche Finesse rettet den Film letztlich nicht davor, ein eher ermüdendes und enervierendes Vexierspiel zu sein. Jeder hat sein Päckchen zu tragen, nur hätte Dolan dies auch wesentlich subtiler und facettenreicher erzählen können.
Unsere Wertung:
© Weltkino Filmverleih