Billy Wilders Komödie Eins, zwei, drei über den Kalten Krieg floppte bei Erscheinen 1961 und avancierte bei Wiederaufführung 24 Jahre später in Deutschland zum Kultfilm. Jetzt erscheint er erstmals auf Blu-ray.
Titel | Eins, zwei, drei |
Jahr | 1961 |
Land | United States of America |
Regie | Billy Wilder |
Genres | Komödie |
Darsteller | James Cagney, Liselotte Pulver, Horst Buchholz, Pamela Tiffin, Howard St. John, Loïs Bolton, Hanns Lothar, Karl Lieffen, Arlene Francis, Leon Askin, Ralf Wolter, Hubert von Meyerinck, Peter Capell, Til Kiwe, Henning Schlüter, Karl Ludwig Lindt, Christine Allen, John Allen, John Banner, Max Buchsbaum, Werner Buttler, Red Buttons, Paul Bös, Josef Coesfeld, Siegfried Dornbusch, Gernot Duda, Otto Friebel, Friedrich Hollaender, Rose Renée Roth, Sig Ruman, Helmut Schmid, Jaspar von Oertzen |
Länge | 115 Minuten |
Wer streamt? | Derzeit leider auf keinem Streamingdienst verfügbar. |
Die Handlung von Eins, zwei, drei
C.R. MacNamara (James Cagney) leitet in Westberlin ein Werk von Coca-Cola und sieht die nächste Sprosse auf der Karriereleiter bereits vor sich. Doch dann soll er plötzlich auf die frivole Tochter Scarlett (Pamela Tiffin) seines konservativen Chefs aufpassen, die für ein bisschen Urlaub aus den USA in die deutsche Hauptstadt geschickt wird. MacNamara meint, alles unter Kontrolle zu haben, doch einen Tag vor der Anreise des Vorgesetzten, ist Scarlett plötzlich verschwunden. Er findet heraus, dass Scarlett nachts heimlich nach Ostdeutschland verschwindet und dort prompt den überzeugten Kommunisten Piffl (Horst Buchholz) geheiratet hat. Erst will MacNamara Piffl schlicht loswerden, doch die Umstände ändern sich, als Scarlett erfährt, dass sie auch noch schwanger ist. Um seine Chancen auf eine weitere Karriere nicht zu verlieren, gilt es nun, den Kommunisten zumindest oberflächlich zu einem Kapitalisten zu machen, um Scarletts Eltern von ihm zu überzeugen.
Eine rasante Komödie
Nachdem sich die drei Sowjets, die mit MacNamara über die Rechte am Cola-Rezept verhandeln, mit Schweizern trafen, lassen sie verlauten: „They sent us cheese. Totally unacceptable. Full of holes!“ Ein Gag, der mittlerweile wohl so durchgekaut ist wie besagter Käse durchlöchert. Aber er wird mit einer Rasanz und Betonung vorgetragen, dass selbst dieser Kalauer zum Schmunzeln animiert. Humor, das ist vor allem Timing beziehungsweise Tempo. Und das beherrschen hier alle Beteiligten, die Sprüche und Witzchen rauschen über die Flimmerkiste wie ein D-Zug durch den Bahnhof. Und dabei wird so gut wie jedes Klischee, ob bezogen auf Ideologien, Systeme, Nationen oder Geschlechter bedient, zumindest teilweise süffisant persifliert, wenngleich nicht immer. Es zündet keinesfalls jeder Gag, das ist bei dem vorgelegten Tempo allerdings nicht weiter verwunderlich. Würden die Charaktere in „normaler“ Geschwindigkeit sprechen und handeln, wäre Eins, zwei, drei vermutlich über drei Stunden lang.
Persiflage der Systeme
Doch nicht nur die pfeilschnellen Dialoge sorgen für das enorme Pacing, auch die Handlung, besser gesagt die Umstände, ändern sich rasant. MacNamara kann dabei als Personifizierung des Kapitalismus gelesen werden. Nicht nur oberflächlich, weil er in der Führungsetage eines der größten und bekanntesten Getränkehersteller sitzt, sondern weil er die Devise „höher, schneller, weiter“ durch und durch verkörpert. Um diesem Motto gerecht zu werden, passt er sich stets an die Umstände an (auch an diejenigen, die durch seine eigenen Fehler erst auftreten), so schnell wie sonst niemand. Also genau wie der Kapitalismus. Das Wirtschaftssystem beschreibt MacNamara passenderweise selbst später überspitzt: „That’s how our system works. Everybody owes everybody!“
Doch am meisten Fett weg bekommen die Kommunisten. Ob der ideologisch verblendete Piffl, Sprüche (und Lieder) über Bananen oder die im Ostblock versuchte Vertuschung des Stalinismus, Billy Wilder hat sichtlich Spaß daran, jedem Dogmatiker auf den Schlips zu treten. Und schreckt dabei wahrlich nicht vor Provokationen zurück. Erwähnenswert ist hier die witzig dargestellte Folterszene. Piffl wird nach einem Coup MacNamaras verdächtigt, ein Spion des Westens zu sein und mit dem Song „Itsy Bitsy Teenie Weenie Yellow Polka Dot Bikinis“ gefoltert. Er gesteht, was eigentlich gar nicht stimmt.
Wilder zeigt bereits 1961 den Irrsinn von Folter auf – Menschen gestehen einfach irgendetwas beziehungsweise das, was von ihnen verlangt wird, um Leiden zu entkommen und sei es nur für kurze Zeit –, also dass es ein denkbar schlechtes Instrument ist, um die Wahrheit zu erfahren. Und trotzdem wird sie bekanntlich immer noch praktiziert. Die Szene mag manchen zunächst etwas sauer aufstoßen (wie zu viel Cola), banalisiert sie die Grausamkeit von Folter durchaus ein wenig. Doch der Kern, gehüllt in einen ulkigen Mantel, ist durchaus treffend.
„You’re welcome schön“
Treffsicher sind auch die zahlreichen Wortwitze, besonders im Bezug auf die sprachlichen Besonderheiten und Unterschiede. Auf ein „Dankeschön“ reagiert MacNamara mit einem „You’re welcome schön“. Und wenn die untergebenen Fabrikarbeiter stets aufspringen und strammstehen, wenn der Vorgesetzte durch das Großraumbüro marschiert, ruft er verzweifelt „Sitzen machen!“ Das Lernen von Umlauten scheint dem Amerikaner dabei besonders wichtig, allein schon wegen seiner attraktiven Sekretärin „Fräulein“ Ingeborg (großartig: Liselotte Pulver). Der Umgang mit den Eigenheiten der deutschen Sprache und die daraus entstehenden Wortwitze sind, zumindest im Original, wahrlich amüsant.
Auch sämtliche Nebencharaktere sind klasse. Neben besagter Fräulein Ingeborg wären hier besonders MacNamaras Ehefrau Phyllis (Arlene Francis) mit ihrer trockenen Art (sie nennt ihren Mann schlicht „mein Führer“) und der Chauffeur und Diener Schlemmer (Hanns Lothar) zu nennen. Der sorgt nicht nur für einige gelungene Witzeleien, er steht auch für eine Generation des deutschen Volkes: die Hacken kann er immer noch energisch zusammenschlagen, bezüglich der eigenen Vergangenheit leidet er aber unter einer wunderlichen Amnesie („Welcher Adolf?“). Nicht zuletzt durch ihn ist auch der Titel des Films wunderbar passend; alles läuft im Befehlston, alle sind auf Zack. Eins, zwei, drei, eins, zwei, drei.
Mauerbau und Streitereien
Die Dreharbeiten dagegen waren nicht so zackig und reibungslos. Diese wurden eingeholt vom Bau der Berliner Mauer und so musste das Team um Wilder die restlichen Szenen in den Bavaria-Filmstudios drehen – auch einige Außenaufnahmen, weswegen das Brandenburger Tor nochmal in kleiner nachgebaut wurde. Darüber hinaus gerieten Hauptdarsteller James Cagney und „der deutsche James Dean“ Horst Buchholz mehrfach aneinander. Buchholz sei gar der einzige Schauspieler, den Cagney offen nicht mochte. Der habe sich durch übertriebenes Schauspiel versucht, stets in den Vordergrund zu drängen, um die Szenen an sich zu reißen, so Cagneys Vorwurf.
Doch allein schon daran merkt man, was für ein Kaliber Cagney war; denn seiner Leistung merkt man diesen Umstand nicht an, er spielt unbeeinflusst von derlei Antipathien – oder nutzt diese zumindest, um die Spannungen zwischen MacNamara und Piffl darzustellen. Und tatsächlich ist man versucht, Cagneys Position nachzuvollziehen. Die Darstellung Piffls durch Buchholz ist wahrlich overacted. Was zwar vielleicht tatsächlich zu Piffls übertriebener Systemtreue passen mag, dennoch ein kleiner Störfaktor in der ansonsten so stimmigen Komödie ist.
Unser Fazit zu Eins, zwei, drei
In keiner anderen Komödie geht es so rasant zu wie in Eins, zwei, drei. Billy Wilder nimmt in Höchstgeschwindigkeit alles aufs Korn: Geschlechterrollen, nationale Eigenheiten und die konkurrierenden Wirtschaftssysteme im Kalten Krieg. Der Humor reicht dabei von billigen Klischeespielereien zu intelligenten Analysen der Strukturen. Die Elemente des Culture Clash werden amüsant ausgespielt, das liegt auch an den tollen Darstellern. Zwar zählt Eins, zwei, drei nicht zu den absoluten Meisterwerken des österreichischen Hollywood-Regisseurs (Boulevard der Dämmerung, Das Appartement), eine äußerst spaßige Komödie ist es jedoch allemal.
Eins, zwei, drei ist am 12. August auf Blu-ray und DVD erschienen.
Unsere Wertung:
© Koch Films