Ein gefeierter Festivalfilm schafft es in Deutschland nun nach einem kurzen Kino-Abstecher per Netflix zur Zuschauerschaft. Fair Play ist ein Erotik-Thriller mit Starbesetzung, aber springt der Funke tatsächlich über?
Titel | Fair Play |
Jahr | 2023 |
Land | United States of America |
Regie | Chloe Domont |
Genres | Drama, Thriller, Liebesfilm |
Darsteller | Phoebe Dynevor, Alden Ehrenreich, Eddie Marsan, Rich Sommer, Sebastian de Souza, Sia Alipour, Yacine Ramoul, Brandon Bassir, Jamie Wilkes, Freddy Sawyer, Geraldine Somerville, Patrick Fischler, Laurel Lefkow, Buck Braithwaite, Jim Sturgeon, Linda Ljoka, J. Pace, Abe Fark, Leopold Hughes, Boris Fionov, Jelena Stupljanin, Katarina Gojković, Ivona Kustudić, Greg De Cuir, Stefan Miloradović, Abdeen Asham, Aleksandar Bimbašić, Filip Todorovic, Nenad Stefanovic, Pei Hua Lu, Evan Zhao, Jovana Miletic, Novica Milosavljević, Ivana Ivić, Branimir Cirić |
Länge | 113 Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Netflix, Netflix basic with Ads |
Fair Play – Die offizielle Handlungsangabe
Nach einer Beförderung bei einer knallharten Finanzfirma nimmt die Beziehung zwischen Emily (Phoebe Dynevor) und Luke (Alden Ehrenreich) eine düstere Wendung. Als sich die Machtverhältnisse zwischen den beiden ändern, bekommen sie den wahren Preis des Erfolgs zu spüren und müssen erkennen, wie weit der Ehrgeiz sie treibt. Der Beziehungsthriller, das Spielfilmdebüt der Drehbuchautorin und Regisseurin Chloe Domont, setzt sich mit der destruktiven Genderdynamik auseinander, die Partner*innen in einer sich ständig verändernden Welt mit immer neuen Regeln gegeneinander aufbringt. In weiteren Rollen sind Eddie Marsan, Rich Sommer und Sebastian De Souza zu sehen. Fair Play zeigt uns, was geschieht, wenn das Streben nach Macht und Stolz aufeinandertreffen.
Früher war mehr Erotik
Fair Play erhielt beim Sundance Film Festival 2023 eine Einladung in den Wettbewerb um den Großen Preis der Jury für den besten Spielfilm. Obwohl der Film dann leer ausging, sorgt allein das Presseecho nach den ersten Vorführungen dafür, dass man hierzulande schon seit Monaten die Neugier schürte. Dass in dem Film, den sich Netflix nun sicherte, der upcoming Star der ersten Bridgerton-Staffel Phoebe Dynevor im Zentrum steht, ist mit Sicherheit ein Grund gewesen, dass der Streaming-Gigant für seine Abonnenten hier Potenzial sah. Dass man den Film dann auch noch als Erotik-Thriller brandet, ist Marketing-Coup Nummer 3. Während sich das Schmücken mit Dynevor in der Hauptrolle ohne jeden Zweifel bewahrheitet, ist das Knistern verheißende Erotik-Label eher „Werbesprech“. Denn ohne zu viel zu verraten, werden sich alle, die den Film starten, hier doch etwas mehr nackte Haut etc. versprechen.
Seis drum! Hat doch der gute alte Erotik-Thriller in den vergangenen Jahren erst durch 50 Shades und zuletzt durch die After-Reihe einen etwas trashigen Ruf bekommen. Damit will man als Regisseur eines Genrefilms bestimmt nicht einem Atemzug genannt werden – und zum Glück muss auch der Rezensent hier diese unrühmlichen Vergleiche nicht bemühen, denn Fair Play hebt sich in allen Belangen von den genannten Nestbeschmutzern ab und braucht dafür gar keine Skandalszenen oder akrobatischen Sex.
Die Grenzlinie verläuft quer durchs Doppelbett
Fair Play ist in erster Linie ein Charakterdrama, das einem zeitgeistigen Thema in einem doch etwas gewagten Setting eine faszinierende Facette verleiht. Denn die Platzierung im Banker-Milieu der Wall Street ist heut doch für den ein oder anderen womöglich schon fast zu plakativ. Ja, natürlich sind die Broker skrupellos, von der Gier nach Geld und Macht korrumpiert und würden alle für eine Beförderung den Tischnachbarn über die Planke scheuchen. Doch hier geht der neue Film noch eine Spur weiter und konstruiert die Situation innerhalb einer Beziehung zwischen zwei wirklich fantastisch zusammenpassenden Menschen. Emily und Luke stellen sich anfangs sogar selbst die Frage, ob sie sich wohl für eine Beförderung oder für die Beziehungen entscheiden würden, müssten sie wählen. Selbstredend ist das nicht nur ein Augenzwinkern, sondern krasses Foreshadowing. Aber es funktioniert exzellent, um die Absurdität der Wall-Street-Logik im Aufprall auf die Lebensrealität eines frisch verlobten Paares zu betonen.
Doch so „on the nose“ wie dieses Beispiel ist der restliche Film zum Glück nicht. Vielmehr ist er endlich mal wieder an vielen Stellen ein Beispiel für perfektes „show don’t tell“. Dass Emily den Verlobten auf der Karriereleiter überholt, will sich dieser nicht anmerken lassen, er überspielt es, aber dem Publikum fallen bereits in den Anfängen des Streits die subtilen Anzeichen durch das feinfühlige Spiel von Ehrenreich auf, mit denen er zeigt, dass es doch an ihm nagt. Dynevor hingegen will die neuerlichen Kräfteverhältnisse eigentlich nicht ihren Charakter verdunkeln lassen. Doch auch diese Entwicklung lässt sich nicht aufhalten und kann von den Zuschauer:innen peu á peu mitverfolgt werden – so, dass es wirklich schmerzt, ihrem Verfall zugunsten von Macht, Einfluss und Status beizuwohnen. Der Konflikt, der sich entwickelt ist eine langsame Eskalation, aber in seiner Nachvollziehbarkeit macht diesem Verlauf keiner was vor.
Auch darstellerisch im Zeichen der guten Klassiker
Fair Play handelt aber auch generell von Machtstrukturen, die nun mal in der Finanzbranche in ihrer rohsten Form exerziert werden. Ein eindrucksvoller Monolog, gleichzeitig ein Seelen-Striptease und ein Offenbarungseid von Alden Ehrenreich gegenüber seinem Vorgesetzten verdeutlicht dies – auch hier wieder schmerzhaft, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit authentisch. Der Han-Solo-Darsteller zeigt nach seinem Oppenheimer–Auftritt ein weiteres Mal seine Extraklasse. Die Solo-Delle in seiner Karriere ist nun hoffentlich komplett ausgeglichen. Seine Film-Verlobte ist nicht minder überzeugend, wie schon beschrieben und auch der Standard-Ekel-Chef funktioniert hier durch die leichte Charakterüberzeichnung durch Eddie Marsan recht gut. Damit setzt das Drama von Chloe Domont eher da an, wo einst Wall Street sein Brennglas auf die toxische Kultur der Finanzmarktplätze angesetzt hat und weniger bei Basic Instinct, wo ein Michael Douglas in die Fänge von Sharon Stone geriet. Überhaupt erinnert Ehrenreichs Darbietung an die guten Performances eines jungen Douglas.
Auch wenn Film-Serien-Vergleiche immer schwierig sind, so darf an dieser Stelle wärmstens für die hierzulande eher unbekannte Sky-Serie Industry die Werbetrommel gerührt werden. Selbstredend nimmt sich das Serienformat viel mehr Zeit, um die Finanzwelt zu sezieren. Aber wer nun durch Fair Play angefixt ist, sich noch mehr Ar***löcher vor unzähligen Bildschirmen mit Aktienkursen anzuschauen, der sollte dort einen Blick rein wagen. Denn auch in Industry geht es um den Banker-Nachwuchs, um Manipulation, Korruption, Geltungssucht – nur eben nicht an der Wall Street, sondern in der europäischen Finanzmetropole London. Die Parallelen sind erschreckend und entlarven, dass es global immer dieselben Folgen von Gier sind. Den Netflix-Film zeichnet im Vergleich aber noch aus, dass dadurch, dass man sich auf eine Beziehung fokussiert und alle Konflikte dort komprimiert austrägt, die Seherfahrung von Beginn an intensiver ist.
Unser Fazit zu Fair Play
Lügen, Gewalt, Machtmissbrauch – und das nicht nur im Job, sondern auch in der Beziehung. Fair Play seziert mit zwei starken Protagonisten eine Beziehung im Schatten von zwei kollidierenden Wall-Street-Karrieren. Das fördert keine neuen Erkenntnis zutage, aber tut aufgrund der Intensität fast weh beim Zusehen und ist damit eindeutig ein Film, der im Gedächtnis bleibt.
Fair Play ist ab dem 6. Oktober 2023 bei Netflix abrufbar!
Unsere Wertung:
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