Mit dem experimentellen Sexfilm Fluidø, der 2017 auf der Berlinale seine Premiere feierte, betätigte sich Shu Lea Cheang wieder als Provokateurin des Cybersex-Films. Ob das als gelungen zu bezeichnen ist und inwieweit der Film mit traditionellen Sehgewohnheiten bricht, lest ihr in unserer Review!
Titel | Fluidø |
Jahr | 2017 |
Land | Germany |
Regie | Shu Lea Cheang |
Genres | Science Fiction |
Darsteller | Bishop Black, Kristina Marlen, William E. Morris, Alexander Geist, Aérea Negrot, António Onio, Sadie Lune, Salty Cherie, Caprice Crawford, Walter Crasshole, Kay Garnellen, Candy Flip, Grey Brook, Maren Kroymann, Theo Meow, Alexander Mersmann, Iulia Mitzner, Finn Peaks, Eric Pussyboy, Kanchi Wichmann |
Länge | 80 Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Sooner |
Fluidø – Handlung
Im Jahr 2060 ist der Kampf gegen AIDS lange gewonnen. Doch in einigen Trägern ist der Virus mutiert, aus ihrem Ejakulat lässt sich die hoch wirksame Droge „Zero Gen“ extrahieren. Der Schwarzmarkt mit dieser Droge boomt, was die Replikantin Natasha (Candy Flip) auf den Plan ruft. Sie soll im Auftrag der Regierung die „Ernte-Anlagen“ für die Droge infiltrieren und die Hintermänner identifizieren. Doch es stellt sich heraus, dass auch künstliche Menschen für die Wirkung von „Zero Gen“ empfänglich sind. Natashas Auftrag zieht sie in einen Strudel sexueller Ausschweifungen…
Ein surrealer Arthouse-Sexfilm
Wie die Inhaltsangabe schon vermuten lässt, ist Regisseurin Shu Lea Cheang nicht an einer herkömmlichen Erzählung gelegen. Ähnlich ihres Skandalfilms I.K.U. – This is not LOVE, this is SEX! von 2000 reiht sie in Fluidø Szenen häufig sexueller Natur aneinander, deren roter Faden sich oftmals auf die Präsentation von erregter Nacktheit, drogeninduzierter Ausgelassenheit und den Austausch von Körperflüssigkeiten beschränkt. Die Filmemacherin wandelt dabei auf dem schmalen Grat zwischen Kunst und Pornographie, denn in seiner Darstellung ist der Film außerordentlich explizit. Nur dann und wann werden die sexuellen Abenteuer der Protagonistin von teils absurden Szenen unterbrochen. In einem der Intermezzi etwa entspinnt sich eine kurze, aber recht bizarre Musical-Nummer.
Das hört sich erst einmal nach einem mehr oder minder surrealen Sexfilm an, was Fluidø im Grunde auch ist. Dennoch unterstreicht Shu Lea Cheang schon in einer vorangestellten Collage aus Demonstrationen der Act Up-Bewegung, die seit den 80er-Jahren gegen die Stigmatisierung von an HIV erkrankten Menschen ankämpfen. In der Dystopie des Films ist die eigentliche Gefahr durch das Virus zwar obsolet, die Menschen, die als Träger dienen, werden dennoch (vom Staat) als Bedrohung gesehen und zumeist Opfer vom Menschhandel der Schwarzmarkthändler.
Provokativ pornographisch
Im Mittelpunkt des Ganzen steht zumeist die Agentin Natasha, dargestellt von der feministischen Aktionskünstlerin Candy Flip. Sie hat einen interessanten Werdegang vorzuweisen, ihren Angaben auf ihrer Profilseite nach promovierte sie in Psychologie und wandte sich danach der Berliner Porno-Szene zu. Ihr Künstlername bezeichnet auch einen Cocktail aus MDMA, einer Droge, die den Lustgewinn steigern soll, und LSD, einem starken Halluzinogen. Ihre Rolle bildet in den Sexszenen zumeist einen starken Kontrast zu den stattfindenden homoerotischen wie -sexuellen Handlungen. Die Szenerie ist hier geprägt von erigierten Gliedern und (gestellter) Ejakulation, entweder in die zur Sammlung aufgestellten Becken oder direkt auf die Darstellerin. Hierin lässt sich natürlich auch nur unschwer eine Persiflage auf den sogenannten „Money-Shot“, den Höhepunkt der auf männliches Publikum zugeschnittenen Porno-Szenen einschlägiger Produktionen, erkennen.
Die Sets wirken steril, die Aktionen zwar oftmals berauscht lustvoll, aber in der Ausführung sehr mechanisch. Es wird schon sehr gut deutlich, dass das sexuelle Erlebnis der Samenspender zwar notwendig, aber im Endeffekt eher zweckgerichtet ist. Wenn sich Protagonistin Natasha wie auch die Handlung von dem Geschäft mit dem Sperma entfernt, stellt sich das als nicht minder aseptisch und gleitet in die Gefilde des Fetisch-Sex und extremerer Sexualpraktiken ab. Fluidø gleitet zwar auch dabei nicht gänzlich in inhaltsentleerte Pornographie ab, tut sich aber gleichermaßen schwer damit, eine grundsätzliche Aussage zu treffen. Der Film bietet allerlei Ansätze für Diskussionen, enthält sich aber selbst der Bewertung des Gezeigten. Shu Lea Cheang will offensichtlich eher provozieren und reflektieren, besitzt dabei aber wenig Sendungsbewusstsein und in seiner aseptischen Präsentation noch weniger Unterhaltungswert.
Unser Fazit zu Fluidø
Mit seiner Darstellung einer weiblichen Protagonistin inmitten homosexueller Handlung dürfte Fluidø für die breite Masse an Pornofans, ob nun homo- oder heterosexuell, nicht wirklich geeignet sein. Vor allem homophobe Naturen werden sich vermutlich arg provoziert fühlen, was ich mal kackfrech als Pluspunkt des queeren Cyberpunk-Sexfilms werte. Darüber hinaus gibt es nicht viel, was Shu Lea Cheang dem geneigten Publikum anbietet, zu klinisch wirkt die Atmosphäre, zu billig und nahezu leb- und lieblos wirken viele der Sets. Doch die Schaffung von Unterhaltungswert war sicherlich nie das Anliegen der Filmemacherin, dementsprechend schwer und abwegig scheint es, Fluidø nach herkömmlichen Maßstäben zu bewerten. Es ist jedoch ein Film, über den man im Anschluss an das Seherlebnis umfassend diskutieren kann. Und als solcher ist er eine zumindest interessante Dreingabe im Paket mit I.K.U. – This ist not LOVE, this is SEX, mit dem er sich eine DVD teilt.
Das Double Feature ist als DVD am 24. September im Handel erschienen!
Unsere Wertung:
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